Hotzenplotz - vergessener Mikrokosmos im Herzen Europas

Osoblaha / Hotzenplotz

Hotzenplotz, das ist nicht nur der bekannte Räuber aus den Kinderbüchern von Ottfried Preußler, sondern auch der deutsche Name von Osoblaha, einer Kleinstadt im tschechischen Jesenik-Gebirge. Das fast vergessene Hotzenplotzer Ländchen und die mährischen Enklaven in Schlesien waren nun Thema einer Konferenz zwischen renommierten Historikern aus Hamburg, Kassel und Frankfurt und ihren Kollegen von der Schlesischen Universität und dem Landesarchiv in Opava. Aus Troppau meldet sich Jitka Mladkova.

Jesenik-Gebirge
Die Referenten gingen in ihren Vorträgen auf verschiedene Aspekte der Geschichte des ehemaligen Österreichisch Schlesien ein, einer Region, die sich durch eine Jahrhunderte lange Koexistenz unterschiedlicher Ethnien auszeichnete. Fokussiert wurde vor allem das so genannte Hotzenplotzer Ländchen, auf Tschechisch Osoblazsko, das heutzutage mehr oder weniger in Vergessenheit geraten ist. Für seine Wiederentdeckung leistet gerade das Landesarchiv von Opava, das drittälteste und zugleich auch das drittgrößte Archiv in Tschechien, einen bedeutenden Beitrag. Diesen weiß auch Professor Gernot Rotter aus Hamburg, der die Konferenz initiiert hat, zu schätzen:

Osoblaha / Hotzenplotz
"Das Archiv hier ist so großartig! Da ist die gesamte Geschichte seit dem 12. Jahrhundert dokumentiert - aus den deutschen Gebieten in deutscher und aus den tschechischen Gebieten in tschechischer Sprache. Und die Sorge, mit der sich die Archivverwaltung um die deutschen Archivalien und Dokumente kümmert, das ist fantastisch! Das habe ich eben hier gelernt und begriffen, dass es in dieser Region eine schlesische Bevölkerung gab, die zur Hälfte tschechisch und zur Hälfte deutsch war. Es gab ländliche Gebiete wie z.B. Osoblazsko, wo nur deutsch gesprochen wurde, aber die Dörfer außen herum, das war alles rein tschechisch."

Professsor Rotter, der vor sechs Jahren die schlesischen Wurzeln seiner Familie vor Ort im Hotzenplotzer Ländchen zu suchen begann, bereitet in Zusammenarbeit mit tschechischen Kollegen im Landesarchiv eine neue Edition eines etwa 5000 Seiten umfassenden Manuskripts über diese einstige Enklave vor. Das Werk des 1821 geborenen regionalen Geschichtsschreibers Edward Richter bezeichnet Rotter als Enzyklopädie eines Mikrokosmos im Herzen Mitteleuropas. Durch die Lektüre ist er zum folgenden Schluss gekommen:

"Gerade im schlesischen Gebiet, ehemals Österreichisch Schlesien, waren wir auf dem besten Wege zu einer Gesellschaft zusammenzuwachsen, ähnlich wie in der Schweiz. Die Sprachgrenze war auch dort nicht die politische oder eine menschliche Grenze. Aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts begannen die nationalistischen Gedanken auf beiden Seiten schon, dies zu zerstören. Natürlich haben dann die Nazis den Schlusspunkt gesetzt."