Krankenhaus muss sich für Sterilisierung von Roma-Frau entschuldigen

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Über achtzig Roma-Frauen reichten in der ersten Jahreshälfte 2005 beim tschechischen Ombudsman Otakar Motejl Protest dagegen ein, dass sie bei der Geburt ihrer Kinder unfreiwillig sterilisiert worden seien. Am Freitag fällte das Landgericht im mährischen Ostrava/Ostrau ein Urteil, das sich in diesem Zusammenhang als Bahn brechend erweisen könnte. Silja Schultheis berichtet.

Das Ostrauer Krankenhaus Vitkovice muss sich bei der jungen Helena Ferencikova dafür entschuldigen, dass die Ärzte sie bei der Geburt ihres zweiten Kindes vor vier Jahren gegen ihren Willen sterilisiert haben. Zwar hatte die Klägerin ihr schriftliches Einverständnis zu dem Eingriff gegeben, es habe jedoch nachgewiesen werden können, dass sie über die Folgen nicht informiert war, so die Richterin. Das gesamte Vorgehen des Krankenhauses sei ohne jeden Zweifel unverantwortlich gewesen, betonte Ferencikovas Rechtsanwältin Michaela Tomisova:

"Die Ärzte gaben meiner Mandantin ein paar Minuten vor der Operation ein Papier und sagten, dass sie unterschreiben solle. Und natürlich wusste die Frau überhaupt nicht, worum genau es geht. Denn bei einer Geburt muss man innerhalb kurzer Zeit viele Formulare unterschreiben. Ohne weitere Informationen seitens der Ärzte wurde die Sterilisierung dann während des Kaiserschnitts durchgeführt. Ich denke, so war das in den meisten dieser Fälle."

Als erste Roma-Frau hatte Ferencikova im vergangenen Jahr begonnen, öffentlich auf Zwangssterilisierungen in tschechischen Krankenhäusern hinzuweisen. In die Schlagzeilen geraten war das Problem, als das Europäische Zentrum für die Rechte der Roma im letzten Herbst einen entsprechenden Verdacht geäußert hatte. Das jetzige Urteil, so hofft Ferencikova, könne sich zum Präzedenzfall entwickeln:

Otakar Motejl
"Ich bin froh, dass die Richterin uns darin bestätigt hat, dass man so nicht mit uns umgehen darf. Und ich freue mich, dass ich anderen Roma-Frauen den Weg geebnet habe, damit sie ebenfalls ihr Recht einklagen können."

Dennoch ist das Urteil in seiner jetzigen Form für Ferencikova nicht akzeptabel. Denn eine finanzielle Entschädigung lehnte das Gericht ab. Der Anspruch darauf sei bereits verjährt, hieß es. Dagegen will Ferencikova jetzt Berufung einlegen. Berufen will sich auch die Gegnerseite. Man habe mit der Sterilisierung im Interesse der damals erst 19jährigen Mutter gehandelt, der bei einer weiteren Geburt möglicherweise sogar der Tod gedroht hätte, so die Auffassung des Krankenhauses.

Helena Ferencikova ist nicht die einzige, die gegen ihre Sterilisierung protestiert hat. Etwa achtzig weitere Roma-Frauen haben sich bei Ombudsman Otakar Motejl beschwert, dass sie ohne ihren Willen unfruchtbar gemacht wurden. Der Zeitpunkt der Sterilisierung liegt bei manchen Frauen bereits 30 Jahre zurück, fiel also unter das kommunistische Regime. Kritiker meinen, dass während des Kommunismus durch Sterilisierungen gezielt die Geburtenrate der Roma-Minderheit gesenkt werden sollte und es hierfür auch finanzielle Anreize gegeben habe. Ein bis 1991 gültiges Gesetz ermöglichte nach der Sterilisierung die Auszahlung von Sonderbeihilfen in Höhe von bis zu 10.000 Kronen, zur damaligen Zeit das Mehrfache eines durchschnittlichen Monatsgehaltes. Motejl hingegen betonte, für eine gezielte Sterilisierung von Roma lägen ihm keine Beweise vor.