Burg Sternberk
Nordwestlich von Olomouc / Olmütz liegt die Stadt Sternberk / Sternberg mit der gleichnamigen Burg. Diese romantisch umgebaute, ursprünglich jedoch gotische Burg wurde von Zdeslav von Sternberk im 13. Jahrhundert gegründet. Die Tore der meisten Burgen und Schlösser in Tschechien wurden am vergangenen Wochenende geschlossen, um nach einer winterlichen Pause und den notwendigen Instandhaltungsarbeiten wieder im Frühjahr geöffnet zu werden. In der Winterzeit werden die historischen Objekte bis auf einige Ausnahmen nur bei besonderen Gelegenheiten geöffnet. Die Saison wurde auch auf der Burg Sternberk feierlich abgeschlossen. Martina Schneibergova und Thomas Kirschner laden Sie im folgenden "Reiseland Tschechien" in den malerischen mährischen Adeligensitz ein.
"Unser Geschlecht starb im Jahre 1409 aus. Die Burg übernahmen danach die Herren von Kravare. Sie herrschten hier jedoch nicht lange. In der Renaissancezeit gehörte Sternberk der Adeligenfamilie Berka von Duba und Lipa. Die letzten Besitzer der Burg waren die Lichteinsteins, die am Ende des 17. Jahrhunderts nach Sternberk kamen. Sie modernisierten den ganzen Sitz und bauten ihn um. Dank ihnen blühte die Burg wieder auf, aber nur bis 1945. In dem Jahr wurde die Burg verstaatlicht."
Die Besucher werden von Anna in eine der wertvollsten Räumlichkeiten der Burg geführt - in die gotische Kapelle. Sie entstand dank Bischof Albert II. von Sternberk. Dieser hohe kirchliche Würdenträger studierte in Paris und in Bologna und war ein persönlicher Ratgeber Karls IV. Er war dabei, als der Kaiser diplomatische Verhandlungen in Prag oder in Mainz führte. Auch wenn Albert Sternberk oft unterwegs war, vergaß er nie seinen Heimatort. In der Kapelle kann man die "Madonna von Sternberk" bewundern. Die Statue ist ein Beispiel des so genannten "schönen Stils", der für die gotische Kunst in Böhmen und Mähren um das Jahr 1400 typisch war. Es wird vermutet, dass die Madonna ein Werk von Heinrich Parler ist, dem Neffen von Peter Parler, der der Baumeister der Prag St. Veits-Kathedrale ist.Der größte Raum auf der Burg ist der Rittersaal, in dem sich verschiedene Feste und Tagungen abspielten. So versammelten sich dort beispielsweise im September 1415 die Angehörigen des hohen mährischen Adels, um ein Protestschreiben gegen die Verbrennung von Magister Jan Hus zu unterzeichnen. Die Ausstattung des Rittersaals beschrieb eine Bewohnerin der Burg, die sich als Eliska von Kravare vorstellte. Sie räumte ein, sie habe ähnlich wie ihr Mann Jindrich von Rozmberk großes Gefallen an den verschiedenen Kunstschätzen gefunden:
"Wir ließen diese gepressten Ledertapeten aus den Niederlanden und aus Belgien nach Sternberk bringen. Diese Tapeten hatten auch einen praktischen Zweck, und zwar den Raum vor Kälte zu schützen. Selbst die besten Ledertapeten konnten aber nicht als Heizung dienen. Aus dem Grund ließen wir hier einen Kachelofen, der aus Deutschland stammt, installieren. Im Saal kann man außerdem den oberen Teil eines italienischen Renaissancekamins bewundern. Als der Kamin von unseren Untertanen transportiert wurde, wurden sie leider von Räubern überfallen und dabei wurde der Kamin beschädigt. Deswegen ist davon hier nur Teil zu sehen. Das Gesellschaftsleben spielte sich nicht nur im Rittersaal ab, sondern auch im angeschlossenen so genannten ´Visitensaal´. Dort werden diesmal historische Tänze vorgeführt."Vaclav Berka von Duba und Lipa ließ im 16. Jahrhundert den nächsten Raum der Burg zeitgemäß ausschmücken. An ihn erinnert auch das Wappen, das von seiner Frau Anna von Zerotin beschrieben wird:
"Es handelt sich um zwei gekreuzte beschnittene Zweige, die so genannten ´Rönnen´. Gegenüber sieht man mein Wappen - einen schreitenden Löwen. Die Fenster ließen wir mit Vitragen verzieren, die aus der Schweiz geliefert wurden. Das hiesige Gewölbe zeugt davon, dass das Zimmer in der Renaissancezeit entstand, es handelt sich um das so genannte ´Diamantengewölbe´. Die sämtliche Ausschmückung stammt aus Werkstätten italienischer, spanischer und deutscher Künstler vom Ende des 15. und aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts."Da Vaclav Berka oft auf Reisen war, soll er seiner Frau ein Kunstwerk geschenkt haben, das sie seinen Worten zufolge an die guten Sitten erinnern sollte. Dieser älteste mährische Holzschnitt aus der Renaissancezeit zeigt ein Ordal - also das Gottesurteil. Es betrifft die heilige Kunigunde. Als sie des Ehebruchs verdächtigt wurde, bewies sie ihre Treue damit, dass sie über glühende Pflugscharen barfuss ging, ohne sich dabei verletzt zu haben.
Eine Tür aus dem prunkvollen Rittersaal führt in das kleine Schlafgemach der Herren. Dort wurden Gäste untergebracht, die nach ausgiebigen Feiern im Rittersaal zu müde waren, um sich in entfernte Räumlichkeiten zu begeben. Dies behauptet wenigstens eine der ehemaligen Bewohnerinnen der Burg, Johanna von Boskovice:"Da wir schon immer entgegenkommende Gastgeber waren, wollten wir unseren Gästen den entsprechenden Komfort bieten. Aus dem Grund ließen wir ein für unsere Zeit sehr großes Bett herstellen, das zwei Meter lang war. In der Ecke des Zimmers findet man ein italienisches Lavabo, also einen Waschbecken. In den Wasserbehälter, der die Form eines Fisches hat, konnte man etwa anderthalb Liter Wasser gießen. Diese Wassermenge reichte damals, um sich etwa eine Woche lang zu waschen."
Soweit die Informationen von der adeligen Dame. Von den weiteren Räumlichkeiten der Burg ist noch das Kassettenzimmer zu erwähnten, das nach seiner Kassettendecke aus der Renaissancezeit benannt wurde. Das Zimmer diente als eine Art Warte- oder Vorraum bei verschiedenen Empfängen. Die überhaupt älteste spätgotische Decke der Burg befindet sich jedoch im Nachbarraum, dem Schlafgemach der Burgherren.
Aus der Gotik beziehungsweise der Renaissance kommen wir auf das weniger aufregende Schicksal der Burg in der Gegenwart zurück. Initiatorin der historischen Führungen und aller Festivitäten ist Kastellanin Helena Gottwaldova. Anhand von Informationen aus den Archiven bereitete sie auch das Szenario für die historischen Führungen vor, die ihrer Meinung nach den Besucher ins Geschehen mit einbeziehen sollen.
"Mir kommt es ein bisschen geistlos vor, wenn man alles Mögliche in die Führung hereinmischt, einschließlich Wassernixen und Wassermänner. Ich will mich mehr an die historischen Tatsachen halten. In der gotischen Kapelle wurden Choräle vorgetragen, historische Tänze spielten sich im Saal ab, der einst wirklich zu Tanzfesten genutzt wurde. Die Menschen lieben Geschichten, sie werden sich nicht die Namen der Künstler und der einzelnen Kunstwerke merken, sondern eher einige der Geschichten, die mit den hiesigen Burgbewohnern zusammenhängen."Es scheint, dass die Kastellanin mit ihren Ideen erfolgreich ist. In diesem Jahr wurden auf der Burg 23.000 Besucher begrüßt, was die höchste Besucherzahl während der letzten fünf Jahre ist. Während der Weihnachtszeit wird auf der Burg eine Ausstellung stattfinden, dann wird Sternberk wieder geöffnet sein. Und für den Silvestertag wurden von den Interessenten bereits drei deutschsprachige Führungen bestellt, erzählt Helena Gottwaldova. Sternberk sei, so die Kastellanin, aus mehreren Gründen einen Besuch wert:
"Auf der Burg findet man eine einzigartige Sammlung von Kachelöfen, außerdem Wandgemälde aus der Zeit Karls IV. Aus architektonischer Sicht ist die Kapelle bedeutend. Sie knüpft stilmäßig an Magister Theodoricus an, der die Hl. Kreuzkapelle auf der Burg Karlstejn / Karlstein gestaltete. Es gibt hier Kunstwerke aus ganz Europa, seien es die Ledertapeten oder die Gemälde. Sternberk hat also Interessantes zu bieten."