Tschechien im Dschungel der EU-Fördermittel
Die Tschechische Republik, nun seit mehr als einem Jahr EU Mitglied, hat inzwischen auch Zugang zu den großen Brüsseler Fördermitteltöpfen der europäischen Strukturpolitik. Struktur- und Kohäsionsfonds, Ko-Finanzierung und Pre-Accession-Instrumente, dies sind nur einige Begrifflichkeiten eines Politikfeldes, dem ausnahmslos jedes EU-Mitgliedsland ein enormes Interesse beimisst. Und dies ist wenig verwunderlich, denn die Summen, die hier über Brüssel hin und her verschoben werden, sind enorm. Chris Schmelzer hat sich für Sie in den Dschungel der Europäischen Strukturpolitik begeben und heißt sie mit einem kleinen Überblick herzlich willkommen zu einer neuen Folge unserer Rubrik "Tschechien in Europa".
Die Europäische Union finanziert sich zum größten Teil durch die Abgaben ihrer Mitgliedstaaten. Auf der Ausgabenseite fließt wiederum ein Großteil des EU Budgets zurück in die Mitgliedstaaten. Dies geschieht im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und der europäischen Strukturpolitik. Die Strukturpolitik nimmt etwa ein drittel des Haushalts der EU in Anspruch. Hauptziel ist die Festigung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhaltes in einer Europäischen Staatengemeinschaft, in der sich, nach der letzten Beitrittsrunde, die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Regionen noch einmal kräftig verschärft haben. Erreicht werden soll dies durch die finanzielle Förderung der besagten Regionen mit Entwicklungsrückständen. Hauptinstrumente sind dabei der Kohäsionsfonds und vier verschiedene Strukturfonds der Europäischen Union, von denen aus die Gelder über nationale Mittlerinstitutionen weitergeleitet werden. Während der Kohäsionsfonds hauptsächlich für Infrastrukturprogramme im großen Rahmen vorgesehen ist werden die Gelder aus den Strukturfonds anhand der drei folgenden Ziele vergeben: Ersten Förderung von Gebieten mit Entwicklungsrückstand, zweitens Förderung von Gebieten mit Strukturanpassungsproblemen und drittens, eine gebietsunabhängige Förderung von Humanressourcen wie z.B. durch Bildungs- oder Umschulungsmaßnahmen. Dies alles geschieht durch Beteiligung der Fonds an der Finanzierung von Programmen, die von Mitgliedstaaten vorschlagen und durchgeführt werden. Entscheidend ist, dass sowohl der Kohäsionsfonds, als auch die Strukturfonds nach dem Prinzip der Ko-Finanzierung funktionieren: Zur Finanzierung der geförderten Projekte müssen stets Mittel des betreffenden Landes beigefügt werden. Der EU Anteil beträgt dabei zwischen 50 und 85 Prozent.
Doch nun zur Situation der Tschechischen Republik: Diese erhält nicht erst seit ihrem Beitritt Strukturfördermittel von der EU. Schon in den Jahren vor der Mitgliedschaft erhielt die Gruppe der zehn inzwischen beigetreten Staaten finanzielle Unterstützung, um sie auf den großen Schritt vorzubereiten. Mit den Zahlungen im Rahmen verschiedenen Pre-Accession-Instrumente mit Namen wie PHARE, ISPA und SAPARD wurden zum Beispiel die für eine EU-Mitgliedschaft nötigen Verwaltungsinstitutionen und Infrastrukturprogramme mitfinanziert.
Mit dem 1. Mai 2004 kamen diese Programme allerdings zu ihrem Abschluss oder laufen inzwischen langsam aus. An ihrer Stelle hat die Tschechische Republik nun schrittweise Zugang zu den anfänglich beschriebenen regulären Fördermechanismen für vollständige Mitglieder der EU. Insgesamt stehen den neuen Mitgliedstaaten in dem Zeitraum von 2004 bis 2006 in etwa 24 Milliarden Euro zur Verfügung. In diesem Zeitraum entfallen auf die Tschechische Republik zirka 2,6 Milliarden. Etwa 1,7 Milliarden aus dem Strukturfonds und zirka 900 Millionen Euro aus dem Kohäsionsfonds. Unerwähnt bleiben hierbei die weiteren Transferleistungen im Rahmen der Agrarförderung. Verantwortlich für die Verwendung der Gelder sind vor allem das tschechische Finanzministerium und das Ministerium für Regionalentwicklung, das für die sinnvolle Kanalisierung und Verwendung der Mittel zuständig ist. Arnost Marks, Leiter der Koordinierungsabteilung im tschechischen Ministerium für Regionalentwicklung, erklärt:
"Die mittel aus den Strukturfonds belaufen sich auf knapp 2 Milliarden Euro. Diese werden durch fünf operationelle Programme kanalisiert. Der größte Teil davon wird für ein auf Regionen bezogenes operationelles Programm, mit einem Finanzrahmen von 500 Millionen Euro, aufgewendet. Die anderen 4 Programme beziehen sich auf die Förderung von Humanressourcen, Industrie- und Unternehmensförderung, Infrastrukturförderung und die Hilfe für ländliche Regionen."
Dabei werden die Fördermittel einiger Kategorien öfter beantragt als andere.
"All die Fördermöglichkeiten, die mit Infrastrukturprojekten in Transport und Tourismus zu tun haben, sind sehr beliebt bei den Regionen, Städten und Kreisen. Die in diesem Bereich bereits vertraglich vereinbarten Projekte nehmen schon beinahe den gesamten Finanzrahmen bis 2006 in Anspruch."
Bleibt noch die volkswirtschaftliche Gesamtbetrachtung der durch die EU- Mitgliedschaft entstandenen jährlichen Einnahmen und Ausgaben für die Tschechische Republik. Jan Gregor, Direktor der Abteilung für Fonds im tschechischen Finanzministerium, erläutert die Beitragszahlungen der Tschechischen Republik:"Im Jahre 2004 hat Tschechien nur zirka 555 Millionen Euro eingezahlt, das liegt daran dass wir erst im Mai beigetreten sind. In den nächsten Jahren werden unsere Aufwendungen demnach höher ausfallen. Im Jahr 2006 werden wir zirka 1,1 Milliarden Euro einzahlen, und in den darauffolgenden Jahren wohl noch etwas mehr. Dies hängt jedoch von dem Ausgang der laufenden Verhandlungen für den EU-Haushalt 2007-2013 ab."
Ziehen wir also eine erste Bilanz. Während die Tschechische Republik im Beitrittsjahr 555 Millionen Euro eingezahlt hat, erhielt sie in diesem Jahr bereits EU-Gelder in der Höhe von 782 Millionen Euro. Damit hat sich Tschechien wie erwartet in die Gruppe der sogenannten Netto-Empfänger eingereiht. Damit sind im Gegensatz zu den Nettozahlern die Staaten gemeint die von der EU mehr Geld erhalten als sie einzahlen. Dieser Zustand wird sich auch trotz der von Gregor angesprochen Erhöhung der tschechischen Zahlungen in den kommenden Jahren nicht ändern. Jan Gregor erklärt:
"Die neuen Mitglieder haben bis jetzt nur ein Drittel von dem was ihnen als EU-Vollmitglieder zustehen würde erhalten. Dies liegt an einer mit dem Beitritt verbundenen Übergangsperiode, ohne die die Union mit der bisher größten Erweiterungsrunde überfordert gewesen wäre. In der Zukunft erwarten wir zum Beispiel, dass sich die Zahlungen aus den Strukturfonds verdreifachen oder gar vervierfachen werden."
Und dieser in naher Zukunft zu erwartende Anstieg an zur Verfügung stehenden EU-Fördermitteln wird Tschechien vor eine neue Aufgabe stellen. Schon jetzt besteht die größte Herausforderung darin, die theoretisch zur Verfügung stehenden EU-Fördergelder möglichst vollständig zu nutzen, denn entscheidend ist, dass die Union die Beträge nicht etwa im voraus auszahlt, sondern erst im nachhinein bei der Vorlage von Rechnungen über Projektkosten. Somit gilt: Ohne förderungswürdige Programme auch kein Geld aus Brüssel.
Womit wir zum Abschluss in der Stadt angekommen wären, in der alle europäischen Fäden zusammenlaufen. In Brüssel stehen neben dem weniger erfolgreichen Ratifizierungsprozess der Europäischen Verfassung vor allem die laufenden Verhandlungen über den EU Haushalt und somit auch über die zur Verfügung stehenden Strukturfondsmittel für den Zeitraum von 2007 bis 2013 ganz oben auf der Agenda der Verantwortlichen. Jan Gregor vom tschechischen Finanzministerium beschreibt die tschechische Position wie folgt.
"Für die tschechische Republik haben natürlich die Struktur und der Kohäsionsfonds absolute Priorität. Im Vergleich zu dem Zeitraum 2004 bis 2006 erwarten wir ab 2007 einen planmäßigen substantiellen Anstieg der Zahlungen aus diesen Fonds. Wir erwarten eine Steigerung der Zahlungen um mehr als das Vierfache. Schlussendlich ist für uns natürlich die Höhe des auszuhandelnden EU-Budgets von Bedeutung, da wir etwa ein Prozent dazu beitragen müssen. Deshalb liegt unser Eigeninteresse in einem nicht zu hohen Budget, bei gleichzeitig adäquaten Zahlungen aus den EU-Fonds."
Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:
www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union
www.euroskop.cz
www.evropska-unie.cz/eng/
www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online
www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt