"Zeit für ein Gedicht" - Lyrikplakate schaffen poetische Räume mitten in Prag

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"Cas pro basen" - "Zeit für ein Gedicht" nehmen sollen sich in den nächsten eineinhalb Monaten Fahrgäste und Passanten im Prager öffentlichen Nahverkehr. Auf 400 beleuchteten Reklametafeln an Haltstellen durchbrechen in dieser Zeit Lyrik-Plakate das Werbeeinerlei von Zigaretten und Haarshampoo. Am Mittwoch wurde die Aktion in Prag offiziell eröffnet, parallel läuft sie auch in Wien, Bratislava, Budapest und Ljubljana. Mehr von Thomas Kirschner.

In Wien verwandeln Lyrik-Plakate bereits seit mehr als 20 Jahren Werbeflächen für eine Zeit lang in einen poetischen Raum inmitten der Stadt - sehr zum Gefallen der Wiener. Vor drei Jahren hat die Stadt Wien auch die Hauptstädte der Nachbarstaaten zur Teilnahme eingeladen. Ziel ist es, kleine Denkinseln in der Stadt zu schaffen, poetische Stolpersteine, die aus der zweckbestimmten Welt herausfallen, erläutert der Vertreter der Stadt Wien, Dr. Michael Ludwig.

"Lyrik ist eigentlich nicht der Quotenbringer in den Medien, aber genau deshalb ist Lyrik besonders geeignet für diese Aktion. Denn bezweckt werden soll, mit Lyrik, mit Gedichten ein Verlangsamen in dem schnellen Prozess in den Großstädten zu erreichen - dass man stehen bleibt, ein Gedicht liest, reflektiert, darüber nachdenkt, ein wenig dem Trubel der Großstadt entrissen wird."

Zudem bilden die Gedichte ein lyrisches Band zwischen den beteiligten Städten. Denn jedes Land steuert ein Gedicht eines heimischen Dichters bei, das dann in die anderen Sprachen übersetzt wurde. Tschechien wird in diesem Jahr durch den Lyriker, Ex-Dissidenten und ehemaligen tschechischen Botschafter in Bonn Jiri Grusa vertreten. Und von Ihrem südlichen Nachbarn Österreich können die Prager ein Gedicht von Doris Mühriger kennen lernen:

Reisen wir

Aber wohin frage ich

Heimwärts

Aber wo ist das frage ich

Innen sagt die Stimme

Kurze lyrische Reisen heimwärts ins Innere unternehmen auch die Prager gerne. Die lyrischen Plakate, die in diesem Sommer zum dritten Mal aufgehängt werden, sind in der Stadt jedenfalls sehr beliebt, bestätigt der Prager Kulturstadtrat Igor Nemec - vielleicht auch weil sie so verstörend zweckfrei sind.

"Wir haben durchwegs positive Reaktionen. Eine ganze Reihe von Menschen, von Prager Bürgern staunt darüber, dass es in der heutigen Welt des Geldes noch möglich ist, so etwas wunderbar Unkommerzielles zu machen und sie fragen uns, was dahinter steht, und das ist es, was uns für die Fortsetzung der Aktion in den kommenden Jahren motiviert."