Reality shows im tschechischen Fernsehen

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"Tschechien sucht den Super Star" und "Der größte Tscheche" - zwei Fernsehshows, die in den vergangenen Wochen Hunderttausende Tschechen vor die Bildschirme lockten. Im letzten Medienspiegel haben wir Ihnen bereits die Ergebnisse dieser Fernsehumfragen vorgestellt. Kurz zur Erinnerung: Als "größten Tschechen" wählten die Fernsehzuschauer den deutsch-römischen Kaiser und böhmischen König Karl IV. Und der neue "Superstar" Tschechiens ist der 27 jährige Roma Vlastimil Horvath. Während die Umfrage nach dem "größten Tschechen" vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde, lief "Superstar" im größten Privatsender, TV Nova. In der heutigen Sendung wollen wir ein wenig hinter die Kulissen blicken und die beiden auch international äußerst populären Fernsehformate vor dem Hintergrund der tschechischen Medienlandschaft betrachten.

Vlastimil Horvath  (Foto: CTK)
Über Reality shows im tschechischen Fernsehen haben wir uns mit dem Medienexperten Jan Potucek unterhalten. Er schreibt als Redakteur u.a. für die Zeitschrift Reflex. Zunächst wollten wir von ihm wissen, welche Auswirkungen die Reality show "Superstar" und die Umfrage nach dem "Größten Tschechen", die ja ein starkes Echo in den Medien hervorgerufen haben, auf die tschechische Medienlandschaft hatten. Dazu Jan Potucek:

"Es hat sich gezeigt, dass das Phänomen besonders in den Printmedien einen starken Niederschlag fand. So wurde deutlich, inwieweit die Printmedien in der Lage sind, diese Wettbewerbe medientechnisch zu unterstützen. In der Tschechischen Republik war das früher noch nicht so häufig der Fall."

Das Fernsehen selbst habe sich durch die Reality Shows wenig verändert, meint der Medienexperte Jan Potucek. Im Gegenteil: die Übernahme von Formaten, die im westlichen Ausland populär sind, seien Zeichen für eine ganz natürliche Entwicklung:

"Diese Formate sind im westlichen Ausland üblich. Da sie dort mit zunehmender Häufigkeit zu sehen sind, denke ich, dass sie auch bei uns öfter erscheinen werden. Was das Publikum betrifft, so bin ich der Ansicht, dass ihm das Fernsehen etwas Neues geboten hat und dass die Fernsehzuschauer auch in Zukunft nach ähnlichen Formaten und zunehmend krasseren Reality Shows verlangen werden."

Während die Suche nach dem "größten Tschechen" ein Novum in der tschechischen Fernsehlandschaft war, hatte der "Superstar" seine Premiere bereits im vergangenen Jahr. Die Zuschauerbeteiligung war damals deutlich höher als in diesem Jahr. Grund dafür ist nach Meinung von Jan Potucek, dass TV Nova die zweite Staffel des Superstars zu schnell nach der ersten ausgestrahlt hat, bereits nach einem knappen dreiviertel Jahr:

"Für gewöhnlich beträgt der Abstand ein oder zwei Jahre. Im Ausland erzielt die zweite Staffel normalerweise höhere Einschaltquoten. Bei uns war dem jedoch nicht so. Wahrscheinlich war den Zuschauern die Fortsetzung von "Superstar" einfach zu früh. Dennoch beahauptet der Sender NOVA, dass er an den eingegangenen SMS und vor allem an der Werbung im Vergleich zum Vorjahr mehr verdient hat. Aus kommerzieller Sicht hatte die Sendung also Erfolg. In Bezug auf die Einschaltquoten, hat es NOVA meiner Ansicht nach schlicht unterschätzt, dass die zweite Staffel zu früh angelaufen ist. Dahinter steckte wohl die Überlegung, an den bereits erzielten Erfolg anzuknüpfen. Ein weiteres Problem bestand darin, dass die Sendung "Superstar" zeitweise parallel zur Eishokeyweltmeisterschaft lief. Dies wirkte sich auf mindestens ein oder zwei Sendungen negativ aus."

Die Show "Der größte Tscheche" wurde, wie bereits erwähnt, vom öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen ausgestrahlt. Widerspricht es nicht dem Auftrag der "Öffentlich-rechtlichen", Reality shows in ihr Programm zu nehmen und damit dem Geschmack der "Massen" gerecht zu werden? Hören Sie hierzu noch einmal die Meinung des Medienexperten Jan Potucek:

In der benachbarten Slowakei wurde sogar die Sendung "Superstar" im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt. Warum auch nicht, meint Jan Potucek und erinnert daran, dass auch das öffentlich-rechltiche Tschechische Fernsehen Interesse an dem Format bekundet hat:

"Der Intendant des Tschechischen Fernsehens, Jiri Janecek, hat bekannt gegeben, dass er die Sendung auf eine etwas andere Art präsentiert hätte als es NOVA getan hat. So könnte man sie weniger kommerziell halten. Schließlich geht es darum, neue Talente zu finden. Ich würde mich überhaupt nicht gegen diese Art von Formaten wehren, aber sie dürfen eben nicht zu kommerziell ausfallen. Stattdessen sollte man sich mehr auf die Förderung junger Talente konzentrieren."

In den meisten Fällen handelt es sich bei den hiesigen Reality Shows um Formate, deren Lizenzen die tschechischen Fernsehsender in Westeuropa gekauft haben. Zahlen sich solche Investitionen in Hinblick auf den doch recht überschaubaren tschechischen Markt überhaupt aus? Und zeugen diese Formate nicht davon, dass den heimischen Fernsehproduzenten die Ideen ausgehen? Hören Sie abschließend noch einmal den Medienexperten Jan Potucek:

"Die Sendung "Superstar" hat sich mit Sicherheit bezahlt gemacht. So hat etwa der Sender NOVA bekanntgegeben, dass er einen relativ großen Umsatz verzeichnet. Beim "Größten Tschechen" wäre ich mir nicht so sicher. Hier liegt das Problem darin, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen seine Sendungen nicht durch Werbung unterbrechen darf. Allerdings glaube ich nicht, dass tschechische Regisseure oder Regisseure tschechischer Fernsehsender keine Ideen hätten. Aber ein erfolgreiches Konzept einer Reality Show oder eines Wettbewerbs mit Reality Show Elementen zu erfinden, erweist sich meiner Meinung nach als schwierig. Falls dies gelingt, dann lizenzieren die Fernsehsender diese Formate meistens und verkaufen sie in der ganzen Welt weiter an andere Sender."