EU-Gipfel: Auch Tschechien strebt Pause für EU-Verfassung an
Zwei schwere Brocken haben die Regierungschefs der EU-Länder bei ihrem Gipfeltreffen zu stemmen, das am Donnerstag in Brüssel begonnen hat. Nach der Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden muss über die Zukunft des Dokumentes entschieden werden, außerdem steht der Haushalt für die Jahre 2007 bis 2013 auf der Tagesordnung. Erstmals dabei ist für Tschechien der neue Premierminister Jiri Paroubek. Für Radio Prag ist Pavla Horakova vor Ort, es berichtet Thomas Kirschner.
"In die Entscheidung über die EU-Verfassung haben sich auch die Haltungen zu anderen europäischen Fragen gemischt - EU-Erweiterung, Beitragserhöhung, Immigration, Euthanasie, registrierte Partnerschaften, Arbeitslosigkeit, Ablehnung der eigenen Regierung und so weiter. Und das alles hat eine Rolle gespielt. Eine Denkpause sollte jetzt vor allem dazu genutzt werden, die wirklichen Probleme zu identifizieren."
Premierminister Jiri Paroubek stellte vor Journalisten in Brüssel auch für Tschechien eine Pause im Ratifizierungsprozess in Aussicht. In Prag herrscht immer noch keine Klarheit darüber, ob über die Verfassung per Referendum oder im Parlament abgestimmt werden soll. Für beides wäre allerdings die Unterstützung der verfassungskritischen Bürgerdemokraten (ODS) notwendig, so Paroubek."Entweder versuchen wir, das Referendumsgesetz oder auch die Ratifizierung der Verfassung im Parlament durchzubringen - ohne Erfolg, wenn die Bürgerdemokraten sich dagegen sperren - oder wir entscheiden uns, den Prozess zu verschieben. Aus meiner Sicht ist das das Wahrscheinliche, und ich werde das auch der Koalition vorschlagen."
Einen Weg will Paroubek in Gesprächen mit der Koalition und den Spitzen der Oppositionsparteien ab dem kommenden Wochenende suchen. Zuvor wartet auf ihn in Brüssel aber noch der für Tschechien vermutlich wichtigere Teil des Gipfels, die Verhandlungen um den EU-Haushalt für die Jahre 2007 bis 2013. Gelingt es den 25 Regierungschefs nicht, sich rechtzeitig auf einen Kompromiss zu verständigen, würden darunter vor allem die neuen EU-Länder zu leiden haben. Durch ein Haushaltsprovisorium, das dann in Kraft treten würde, kämen Tschechien und die anderen Neumitglieder um Fördergelder in Milliardenhöhe. Bei einer Verabschiedung des Haushaltes könnte Tschechien demgegenüber mit EU-Zuschüssen in Höhe von rund 25 Milliarden Euro in den nächsten sieben Jahren rechnen - die eigenen Beiträge bereits abgezogen. An diesem Punkt wird sich also entscheiden, ob Paroubek aus Brüssel mehr mitbringt als die Wertschätzung von EU-Kommissionspräsident Barosso. Der hatte den tschechischen Regierungschef nach einem Treffen am Donnerstag nämlich für seine klare Haltung und seinen Beitrag zu einer Einigung gelobt.