Prag und Berlin: Eine Partnerschaft, die hält

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Wenn man zehn Jahre mit einem Partner zusammen ist, hat man viel gemeinsam erlebt und sich auch aufeinander eingestellt. Eine Partnerschaft bereichert beide Seiten - das gilt in zwischenmenschlichen Beziehungen genauso wie für Beziehungen zwischen Städten. Denn auch eine Städtepartnerschaft, hat viele Facetten: Kultur, Wirtschaft, Austausch und vieles mehr. Die beiden Hauptstädte Prag und Berlin haben in diesen Tagen etwas Großes zu feiern - und zwar ihr Zehnjähriges. Bára Procházková war zu diesem Anlass am 10. Juni bei der feierlichen Eröffnung der Prag-Tage in Berlin dabei und hat sich über die Städtepartnerschaft informiert:

 Pavel Bem  (Foto: Zdenek Valis)
Konzerte, Ausstellungen und Theatervorführungen stehen auf dem Programm der Prag-Tage in Berlin, die zum ersten Mal in der zehnjährigen Geschichte der Städtepartnerschaft zwischen Prag und Berlin stattfinden. Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit der beiden Metropolen liegt jedoch in der Wirtschaft, so der Bürgermeister von Prag, Pavel Bem. Er bestätigte, dass Berlin zu den wichtigsten Partnerstädten Prags gehört. Die Zusammenarbeit ist gerade in den Bereichen Revitalisierung der Plattenbauten, Infrastruktur oder Standortentwicklung sowie dem Austausch von Erfahrungen zwischen den Verwaltungen besonders intensiv, sagt Primator Bem:

"Für mich ist es auch eine sehr interessante Erfahrung. Mit Herrn Bürgermeister Wowereit finden wir viele gemeinsame Themen, zum Beispiel in der Antwort auf die Frage, wie die zukünftige Aufgabe der Großstädte aussieht. Sie sind die eigentlichen wirtschaftlichen Triebkräfte und müssen in europäischem Rahmen handeln. Obwohl beide Städte große infrastrukturelle Probleme haben, finden wir gerade in diesem Punkt gemeinsame Standpunkte. Und zusammenfassend gesagt bin ich davon überzeugt, dass die Zusammenarbeit von Großstädten in Europa eine Schlüsselrolle für den Start des wirtschaftlichen Wachstums in der ganzen Europäischen Union spielen wird."

Der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit gibt seinem tschechischen Kollegen Recht. Er sieht eine aktuelle Notwendigkeit der Großstädte in Europa, untereinander Netzwerke aufzubauen und zusammenzuarbeiten, und zwar weil sie direkt für die Menschen vor Ort da sind. Berlin befindet sich in einer neuen Position, mit der EU-Osterweiterung ist die Stadt von einer Randlage ins Zentrum der Europäischen Union gerückt. Die besonderen Kompetenzen der Stadt sieht Wowereit in der Tatsache, dass dort Menschen mit dem Hintergrund von zwei gesellschaftlichen Systemen leben und dass sie die Transformation miterlebt haben. Vergessen dürfe man nicht auch die sprachlichen Kompetenzen, die in der Stadt vorhanden sind. Nicht nur die geographische Lage, sondern auch dieses menschliche Potential bringt einen Beitrag in die Partnerschaft zwischen den beiden Metropolen, die aber noch voneinander viel lernen können, so Wowereit:

"Also ich denke, dass Berlin gute Erfahrungen hat, wie man zum Beispiel Plattenbausiedlungen modernisiert, wie man eine Verkehrsinfrastruktur herstellt, eine Stadtentwicklungsinfrastruktur, um eine Stadt zukunftsgerecht zu planen. Daraus kann sicherlich Prag Erkenntnisse ziehen. Und ich glaube, dass wir auch von Prag eine Art Lebensgefühl lernen können. Wenn man Probleme oder Sorgen hat, lohnt es sich, optimistisch zu sein, ein Selbstbewusstsein zu haben und auszustrahlen. Und beide sind touristische Städte und beide haben in diesem Bereich die Möglichkeit, voneinander im positiven Sinne abzuschauen."

Mit dieser Aussage sind viele einverstanden. Wer aber davon ausgeht, dass mit dem EU-Beitritt Tschechiens alle Sorgen verschwinden, irre sich gewaltig, sagt der Vorsitzende der Vereinigung tschechischer Unternehmen in Deutschland, Josef Hladik. Mit dem EU-Beitritt sei auch eine Reihe von neuen Problemen und Fragen verbunden. Im Rahmen des zehnten Jahrestages der Städtepartnerschaft hat im Berliner Rathaus ein deutsch-tschechischer Wirtschaftstag stattgefunden - eine Veranstaltung, an der Wirtschaftsexperten aus der Theorie und Praxis sowie Politiker und Vertreter der Fördereinrichtungen teilgenommen haben. Der Wirtschaftstag sollte dazu beitragen, über diese Probleme zu sprechen und dadurch auch möglichst viele davon zu beseitigen. Während der Veranstaltung wurde klar: Es gibt Unternehmen, die in Prag oder in Berlin ansässig sind und identische Probleme haben. Sie wurden also zusammengebracht und konnten dadurch ihre Erfahrungen austauschen. Die Städtepartnerschaft als ein institutioneller Rahmen leistet einen wichtigen Beitrag für die Unternehmen auf beiden Seiten, sagt Josef Hladik:

"Die Partnerschaft ist von großer Bedeutung. Man muss sich das so vorstellen, dass in einer Stadt, in der keine Partnerschaft besteht, auf die Initiative von Unternehmen ankommt. Zum Teil sind es kleine und mittlere Unternehmen, die sicher genug Initiative entwickeln, aber sie haben nicht die Infrastruktur dafür, sich im Ausland umzusehen. Sie haben auch kein Personal dazu. Und wenn es sich um eine Städtepartnerschaft handelt, wie im Falle von Berlin und Prag, dann kann man viel leichter die Kontakte knüpfen, weil schon die Voraussetzungen von der Verwaltung geschaffen wurden."

Der Mitarbeiter des Prager Magistrats im Bereich Kultur, Denkmalschutz und Tourismus, Petr Sourek, fasst die Bedeutung der Städtepartnerschaft zusammen:

"Berlin ist für uns vielleicht eine der wichtigsten Städte in Europa. Und zwar deshalb weil Berlin ganz anders als Prag ist."

Vor allem im Kulturbereich kann Prag von Berlin lernen und die Partnerschaft nützlich sein, sagt Sourek weiter. Sein Ziel wäre es, die Kultur in Prag nach dem Vorbild von Berlin zu dezentralisieren und dadurch den Pragern eine größere Auswahl zu bieten. Die Verwaltungen von beiden Städten arbeiten auf dieser Ebene eng zusammen, so Sourek. Seit zehn Jahren fahren die Mitarbeiter des Prager Magistrats nach Berlin, um dort eine Woche an einem Kooperationsseminar teilzunehmen und Erfahrungen mit ihren Berliner Kollegen auszutauschen. Die Seminarthemen umfassen den gesamten Bereich der städtischen Verwaltung, Umweltschutz, Energiepolitik, Partizipation der Bürger, Verkehr oder, wie dieses Jahr zum zehnjährigen Jubiläum, die Nutzung der europäischen Fördermittel. Über den Hintergedanken der Seminare spricht Clemens Haunert, der für die internationale Verwaltungszusammenarbeit im Berliner Senat zuständig ist:

"Das Ziel des Projektes ist für mich zum einen die Völkerverständigung. Auch wenn es ein sehr hochragender Begriff ist, ist es für mich ein wichtiger Aspekt, denn auch heute gibt es oftmals Bereiche, wo Politiker bei den Menschen Ängste schüren oder alte Sachen hochkommen lassen, die eigentlich der Vergangenheit gehören sollten. Und diese vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den beiden Stadtverwaltungen von Prag und Berlin ist für mich ein ganz wichtiger Baustein, um jegliche Ressentiments abzubauen und zu zeigen, dass wir heute in einem gemeinsamen Europa sind, wo wir auch gemeinsam arbeiten und unsere Probleme auch gemeinsam anpacken wollen."

Leider läuft dieser Austausch zwischen dem Berliner Senat und dem Prager Magistrat bis jetzt nur einseitig, bedauert Clemens Haunert, der die Beamten aus Prag betreut hat. Obwohl der Schwerpunkt der Städtepartnerschaft in der Wirtschaft liegt, sollen die Prag-Tage in Berlin die tschechische Hauptstadt dem Berliner Publikum vorstellen. Die Leiterin des Tschechischen Zentrums in Berlin, Blanka Mouralova, setzte bei der Präsentation Prags wider Erwarten auf moderne Bilder:

"Bei der Suche nach einem Motiv, nach einem Bild von Prag, haben hier die Deutschen die Vorstellung gehabt, es muss etwas düsteres sein. Man müsste die Atmosphäre von den schmalen Straßen von Prag vermitteln, das Bild von Prag müsste mit Kafka verbunden sein, also es müsste etwas wirklich düsteres sein. Wir haben uns dann für etwas anderes entschieden, für ein helles, positives und modernes Bild."

Das Ziel des Tschechischen Zentrums und der Tschechischen Botschaft ist es, während des Prager Kulturfestivals in Berlin viele Facetten der tschechischen Kultur zu zeigen. Bis Ende Juni finden Lesungen, Konzerte, Theatervorführungen oder tschechische Straßenfeste statt. Nach Berlin kommen vor allem junge Künstler, die die moderne Entwicklung Prags zeigen sollen, sagt Mouralova:

"Wir wollten Prag als eine Stadt vorstellen, so sich auch heute was bewegt und wo auch neue zeitgenössische Architektur gebaut wird."

Zu den jungen Künstlern gehört auch der Schriftsteller Jaroslav Rudis. Er verbindet beide Städte, Prag und Berlin. Er hat über Berlin, genau gesagt über die Berliner U-Bahn, ein Buch geschrieben, das zuerst in Prag für tschechisches Publikum herausgegeben wurde. Rudis betrachtet die beiden Städte so:

"Berlin bewegt sich rasant, jede Sekunde ist sie irgendwo fünf Schritte weiter. Ich weiß nicht genau, ob sich die Stadt in die Richtung Zukunft oder Vergangenheit bewegt, vielleicht beides in einem Augenblick. Diesen Unterschied sehe ich immer, wenn ich nach einem längeren Aufenthalt in Berlin wieder nach Prag komme, aus dem Zug aussteige und auf dem Wenzelsplatz bin, habe ich immer das Gefühl, dass sich hier seit 20, 30, 100 oder 200 Jahren nur wenig verändert hat. Prag hat schon eine spezielle Atmosphäre. Es ist eine Stadt, die sich nur langsam bewegt und Berlin ist dagegen eine rasante Metropolis."

Im Rahmen der Prag-Tage hat Jaroslav Rudis in dem Kulturbund Treptow aus seinem Buch "Der Himmel unter Berlin" gelesen. Er gehört zu den Künstlern, die beide Städte verbinden, dies beweist er mit einem Lied aus seinem Werk:

"Ich bin Berlin, ich bin Berlin, ich bin Berlin, ich bin Berlin. Ich weiß nicht, wer bist Du, zeig mir Deine Gefühle, lass sie zu. Jetzt auf Tschechisch: Ja jsem Berlin, ja jsem Berlin, ja jsem Berlin. Jen nevim kdo jses Ty, kdyz neznam Tvoje pocity."

So nah sind beide Sprachen, so nah sind beide Städte, schließt Jaroslav Rudis seine Lesung im Rahmen der Prag-Tage in Berlin.

Und eine Ergänzung zum Schluss: Das detaillierte Programm des tschechischen Kulturfestivals in Berlin finden Sie auf der Internetseite www.prag-tage.de.