Tschechische Medienstimmen zu Europa und den hohen Gebühren der heimischen Banken

Foto: Europäische Kommission
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Im Spiegel der Medien, die Mediensendung von Radio Prag, ist diesmal die weitere Zukunft Europas das dominierende Thema. Mehr dazu erfahren Sie von Thomas Kirschner und Robert Schuster.

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Liebe Hörerinnen und Hörer, auch die 23. Woche des Jahres 2005 brachte einige Ereignisse mit sich, die von den Kommentatoren der tschechischen Zeitungen detailliert analysiert wurden.

An erster Stelle stand dabei natürlich wieder die Frage nach der weiteren Zukunft Europas. Die Folgen der Referenden in Frankreich und den Niederlanden, wo die Wähler ziemlich eindeutig den Europäischen Verfassungsvertrag ablehnten, war sogar das beherrschende Thema im tschechischen Blätterwald. Am Grundton der einzelnen Meinungsartikel war jedoch zu spüren, dass sich die erste Aufregung gelegt hat und hier und da bereits Szenarien für die weitere Entwicklung der Gemeinschaft entworfen werden.

Viliam Buchert charakterisierte in der auflagenstarken Tageszeitung Mlada fronta Dnes die gegenwärtige Gefühlslage in Europa mit den bekannten Worten "Der König ist tot, es lebe der König" und skizzierte in seinem Kommentar - aufgelistet in der Form von zehn Geboten - auch gleich die Gestalt, die seiner Ansicht nach das künftige neue Europa haben sollte. Zitat:

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"Erstens: Du stoppst die Ratifizierung der Verfassung, weil diese keinen Sinn mehr hat. Zweitens: Du bereitest ein neues, einfaches Dokument vor. Drittens: Du wirst bei Schengen weitermachen, denn die größere Durchlässigkeit der Grenzen erfordert einen intensiven Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Viertens: Du kehrst zum Bürger zurück. Fünftens: Du wirst den Euro am Leben erhalten. Sechstens: Du wirst die Regulierungsflut der europäischen Behörden eindämmen. Siebtens: Du senkst die Subventionen für die Landswirtschaft. Achtens: Du verlangsamst die Erweiterung der Union, denn schon die letzte Erweiterungswelle wurde von den Bürgern nicht richtig verdaut. Neuntens: Du schränkst den Einfluss Frankreichs und Deutschlands ein, denn diese beiden Länder beharren allzu sehr auf dem Sozialstaat und versuchen ihren Standpunkt oft um jeden Preis durchzusetzen. Zehntens: Du reformierst den EU-Haushalt in Richtung größerer Einsparungen. Das werden sowohl die Politiker, wie auch die Bürger verstehen."

Ein wichtiger Aspekt, der die Europa-Debatte in den letzten Jahren wesentlich mitprägte, der aber von den europäischen Politikern nie aufgegriffen, bzw. für nicht ausreichend wichtig gehalten wurde, waren die Ängste der alten Mitglieder der Gemeinschaft vor den neuen, genauso wie die Ängste der kleinen Mitgliedsstaaten vor dem Einfluss der großen. Dazu wollen wir Ihnen im Folgenden aus einem Kommentar von Martin Fendrych zitieren, der in der Wochenzeitschrift Tyden erschienen ist:

"Die großen Staaten haben Angst vor den kleinen, die kleinen wiederum vor der Gesamtunion, sowie den großen und starken Mitgliedsländern. Anhand dessen lässt sich leicht sehen, wie unausgereift der ganze europäische Einigungsprozess war und dass es dabei viel zu schnell ging. Die alten Europäer fürchten sich vor neuen Schreckgespenstern, wie dem Abbau des Sozialstaats, oder der billigen Arbeitskraft aus dem Osten, ganz zu schweigen von den Türken. Genauso aber spielen immer noch die alten Gespenster eine Rolle und die Bilder von Toten und zerbombten Städten sind immer noch in den Köpfen der Menschen präsent. Europa braucht die Einheit im Rahmen einer Gemeinschaft, aber keinen dramatischen Sprung."

Nun kommen wir aber in unserem Medienrückblick noch auf ein anderes Thema zu sprechen, welches ebenfalls seit Tagen für einiges Aufsehen sorgt. Dass die heimischen Banken, was die Gebühren für die angebotenen Dienstleistungen angeht, nicht zu den billigsten gehören, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Obwohl die Verbraucherverbände seit geraumer Zeit auf die hohen Kosten der Bankdienstleitungen in Tschechien hinweisen, tat sich in dieser Hinsicht lange nichts. Erst als die tschechische Kartellbehörde gegen die drei größten Banken des Landes ein Ermittlungsverfahren wegen vermuteter Absprachen bei den Kontogebühren einleitete, setzten sich die Dinge in Bewegung.

Auch die zuständigen Politiker haben auf einmal dieses Thema aufgegriffen. So präsentierte der sozialdemokratische Finanzminister Bohuslav Sobotka einen ganzen Katalog von Maßnahmen, die den Kunden das Leben leichter und den Banken ein wenig schwerer machen sollten.

Kritik am Vorgehen des Finanzministers übt aber der Wirtschaftsredakteur Petr Fischer vom tschechischen Dienst der britischen BBC, der seine Einwände wie folgt zusammenfasst:

"Das Ganze ist ein wenig unheimlich, wenn der Finanzminister hier eingreifen will, denn die Banken sollten hier von selbst aktiv werden. Faktum ist aber, dass die Kontogebühren die wichtigsten Einnahmequellen der tschechischen Banken sind und auch deshalb liegen sie so hoch. Deren Höhe ist zum Beispiel mit den Gebühren in Großbritannien nicht zu vergleichen, wo die Gebühren fast Null sind. Es stimmt aber auch, dass die britischen Banken andere Finanzierungsquellen haben. Nichtsdestotrotz sind aber die tschechischen Gebühren unsittlich hoch."

Ähnlich fiel auch die Meinung des Kommentators Jan Machacek aus, der in der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny mit dem Vorhaben des Finanzministers noch härter ins Gericht geht und aus dem wir abschließend zitieren wollen:

"Natürlich können in einer Marktwirtschaft die Banken Gebühren einfordern, aber die Kunden regelrecht dafür sanktionieren zu wollen, dass sie ihr Konto auflösen, ist schlicht unvereinbar mit der Noblesse eines so konservativen Handwerks. Die Banken sind sich dessen bewusst geworden und fingen langsam an einen Ausweg zu suchen. Doch dann trat der Finanzminister auf den Plan und drohte mit einer ganzen Flut von Verordnungen und Beschränkungen, von denen wohl die absurdeste die Forderung war, wonach doch in allen Banken die jeweiligen Produkte gleich heißen sollten, damit sich der Kunde besser auskennt. Sollten deshalb nicht gleich alle Banken nur Bank und alle Parteien nur Partei heißen? Überhaupt das Schlimmste an der Sache ist aber das Motiv, welches dahinter steckt, denn hier geht es um puren Vorwahl-Populismus. Dabei könnte sich doch der Minister mit Einsparungen in seinem Riesenressort besser profilieren, aber diese Vorstellung scheint ihm nicht sonderlich zu schmecken."