Projekt „Stärker für das Leben“ soll Menschen resistenter machen
Die Coronavirus-Pandemie hat den menschlichen Alltag ziemlich durcheinandergewirbelt. Von daher meinen Experten aller Bereiche, dass nach der Corona-Krise vieles anders sein dürfte als vor ihrem Beginn. Auch auf den Sport dürfte das zutreffen. Der Vorsitzende des Tschechischen Olympischen Komitees (ČOV), Jiří Kejval, propagiert zum Beispiel, dass Sporttreiben ein selbstverständlicher Bestandteil im Tagesablauf eines jeden Menschen sein sollte. Aus diesem Grund bereitet seine Institution gegenwärtig auch das Projekt „Stärker für das Leben“ vor.
„Olympia, dies ist das größte Sportevent der Welt. Auf jede einzelne Austragung der Spiele bereitet man sich sieben Jahre lang vor. Diesmal aber mussten wir binnen weniger Wochen die Spiele absagen und sie aufs kommende Jahr verschieben. Das ist das Eine. Auf der anderen Seite müssen wir uns die Position des Sports in der Gesellschaft stärker vor Augen halten. Immer schon bestand ein riesiges Interesse an ihm, doch nun haben sich von einem Tag auf den anderen die Prioritäten verschoben. Auch die Interessen haben sich verändert, von daher schauen wir darauf, welche Position der Sport gegenwärtig in der Gesellschaft einnimmt – sowohl in Tschechien als auch weltweit.“
Mitten in diesen Überlegungen machte ein offener Brief des IOC-Präsidenten Thomas Bach die Runde. Der deutsche Sportfunktionär forderte die nationalen Komitees dazu auf, zu ergründen, von welchem Nutzen der Sport gerade in Corona-Zeiten sein könnte. In einem Gespräch für das Tschechische Fernsehen (ČT) bestätigte Kejval, dass die eigenen schon länger geführten Überlegungen in eine ähnliche Richtung gingen:„Wir sagen stets, alles Schlechte könnte auch etwas Gutes haben. Heute sind wir in einer Lage, in der es sich lohnt, auf die Wurzeln des Sports und der olympischen Bewegung zu schauen. So beispielsweise auch auf den olympischen Gedanken, wie ihn einst der Gründer der Spiele, Pierre de Coubertin, formuliert hat. Das heißt, es geht um die Überlegung, was der Sport allen Bürgern unseres Landes und unseres Planeten zu bieten hat.“
In diesen Gedankenspielen sei man zu der Überzeugung gekommen, dass es derzeit nicht so wichtig sei, irgendwelche Rekorde aufzustellen. Viel wichtiger sei die Gesundheit aller, betont Kejval. Dahinein spielt die Tatsache, dass es gegen das neuartige Coronavirus noch keinen Impfstoff gibt. Laut dem tschechischen Olympia-Chef stehen daher die körperlichen Abwehrfähigkeiten jedes Menschen zwischen ihm und der Krankheit. Deshalb sei man gerade dabei, das Projekt „Silnější pro život“ (deutsch: Stärker für das Leben) zu entwickeln, sagt Kejval und erläutert, was es damit auf sich hat:
Jiří Kejval: „Wir wollen die Grundsätze des Sports kommunizieren, wie das Prinzip, durch sportliche Betätigung den ganzen Menschen in der Einheit von Körper, Geist und Seele zu erfassen und zu formen. Das Ideal der Antike soll der Gesellschaft ganz einfach mehr zu sagen haben, als es je zuvor der Fall war.“
„Wir wollen die Grundsätze des Sports kommunizieren, wie das Prinzip, durch sportliche Betätigung den ganzen Menschen in der Einheit von Körper, Geist und Seele zu erfassen und zu formen. Oder anders gesagt: In einem gesunden Körper ruht auch ein gesunder Geist. Das Ideal der Antike soll der Gesellschaft ganz einfach mehr zu sagen haben, als es je zuvor der Fall war.“
In seinen weiteren Erläuterungen stellt Kejval klar, dass er und seine Mitstreiter die Menschen nicht massenhaft in Sportvereine treiben wollen. Vielmehr ging es darum, sie anzuspornen, sich täglich ausreichend zu bewegen. Dazu nennt der Chef des Tschechischen Olympischen Komitees einige Beispiele:
„Wir wollen sie dazu motivieren, dass sie nicht mit dem Aufzug fahren, sondern die Treppen hochsteigen. Wir wollen sie dazu ermuntern, die ein oder zwei Haltestellen, die sie in der Stadt ansonsten mit Bus oder Straßenbahn fahren, zu gehen. Wir würden uns freuen, wenn sie anstatt mit dem Auto öfter mit dem Fahrrad fahren. Und die Menschen sollten sich ein bisschen abhärten, indem sie sich nach dem Duschen noch ein wenig mit kaltem Wasser abspülen. Jede dieser Kleinigkeiten hilft dabei, die eigene Immunität ein wenig zu stärken.“
Wie Kejval schon sagte, hat alles Schlechte auch immer etwas Gutes. Von daher wollen er und seine Mitstreiter im Komitee die Werbezeiten und Werbeflächen nutzen, die eigentlich für Olympia vorgesehen waren. Über Funk und Fernsehen, in den Printmedien und im Internet sollen die Menschen hierzulande aufgeklärt werden.„Wir wollen den medialen Raum dazu nutzen, um den Menschen zu vermitteln, dass jeder für sich und seine Gesundheit etwas tun kann. Und dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, um gegen eine mögliche zweite Welle der Corona-Pandemie noch besser gewappnet zu sein. Doch bevor uns solch eine Welle im Herbst ereilen könnte, sollten wir zu Recht sagen können: Wir haben uns im Sommer darauf vorbereitet.“
Bei der Ausarbeitung des Projektes federführend ist der hierzulande angesehene Physiotherapeut Pavel Kolář. Der Leiter einer Klinik für Rehabilitation und Sportmedizin an der Prager Karlsuniversität ist zugleich auch Vorsitzender der Ärztekommission beim Olympischen Komitee in Tschechien. Und Kolář bestätigt, dass wir uns vor dem Coronavirus momentan vor allem aus eigener Kraft schützen müssen:
„Bei dieser Erkrankung kann uns die Medizin noch nicht sonderlich helfen. Das müssen wir selbst tun, indem wir unseren Organismus durch eine möglichst hohe Immunität darauf vorbereiten. Man muss also sehr resistent und widerstandsfähig sein. Auf der anderen Seite ist die heutige Gesellschaft zerbrechlicher, wie unser Wohlstand zeigt. Das bezieht sich nicht nur auf unsere Physis, sondern auch auf die Psyche.“Hinsichtlich der Psyche sei vor allem die Angst der Menschen ein schlechter Ratgeber:
„Die Angst sollte in gewisser Weise angemessen sein. Sie darf nicht überzogen sein, denn das wirkt sich negativ auf das Immunsystem und auf die Motivation des Einzelnen aus, aber auch bei einer Ansteckung auf den Verlauf der Krankheit. Die Angst macht sich im Leben eines Menschen sehr negativ bemerkbar.“
Pavel Kolář: „Die Corona-Krise kann für uns auch in der Herausforderung münden, wieder mehr über den Kern des Lebens nachzudenken. Denn von dem haben wir uns mittlerweile etwas entfernt. Wir haben uns losgelöst vom biologischen Wesen des Menschen, von daher ist es notwendig, wieder dahin zurückzukehren.“
Gerade in Europa, wo die Menschen jetzt schon mehrere Generationen in großem Wohlstand und Komfort leben, ohne Krieg oder andere schwere Zeiten, rufen Stress und Überarbeitung in der Regel auch bestimmte Schäden hervor. Er sehe dies jeden Tag in seiner Klinik, sagt Kolář, wenn er Unfallpatienten oder Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen therapieren müsse. Bezüglich unseres Lebensstils müsse ein Umdenken stattfinden, selbst bei Menschen, die regelmäßig Sport treiben. Denn nicht wenige von ihnen sehen den Zweck darin, dass sie durch körperliche Ertüchtigung lange jung und schön bleiben. Man müsse die Dinge aber etwas anders sehen, meint der Sportmediziner:
„Die Corona-Krise kann für uns auch in der Herausforderung münden, wieder mehr über den Kern des Lebens nachzudenken. Denn von dem haben wir uns mittlerweile etwas entfernt, manche haben ihn sogar schon fast verworfen. Wir haben uns losgelöst vom biologischen Wesen des Menschen, von daher ist es notwendig, wieder dahin zurückzukehren.“
Jiří Kejval ist diesbezüglich leicht optimistisch:
„Ich bin überzeugt davon, dass die Gesellschaft nach der Corona-Pandemie nicht dieselbe sein wird wie vor der Pandemie. Denn jeder wird ein paar Lehren daraus ziehen. Ich hoffe, dass einige Korrekturen vorgenommen werden und diese dann die Gesellschaft in eine bessere Richtung steuern. In erster Linie hoffe ich, dass es eine Richtung sein wird, die uns gesünder und widerstandsfähiger macht, um für eventuell künftiges Unheil besser gewappnet zu sein.“