Rundfunk erinnert an Nationales Begräbnis in Theresienstadt vor 75 Jahren
Das Jahr 1945 liegt ein Dreivierteljahrhundert zurück. Deshalb wird derzeit nicht nur an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren erinnert, sondern auch an signifikante Ereignisse, die sich in den Wochen und Monaten nach Kriegsende abgespielt haben. Dazu gehört auch das „Nationale Begräbnis“, das rund 600 Opfer des Konzentrationslagers Terezín / Theresienstadt am 16. September 1945 erhielten. Der Tschechische Rundfunk hat an dieses Ereignis erinnert.
Die Kleine Festung in Theresienstadt war während des Zweiten Weltkriegs ein Gestapo-Gefängnis. Später fand man in einem Massengrab in der Nähe die Leichen von 601 früheren Inhaftierten. Sie wurden von den deutschen Nationalsozialisten im Frühjahr 1945 umgebracht. Vor genau 75 Jahren sind sie dann auf dem Nationalfriedhof vor der Kleinen Festung würdevoll beigesetzt worden. An dem nationalen Begräbnis nahmen unter anderen der damalige tschechoslowakische Präsident Edvard Beneš und die promovierte Juristin Milada Horáková teil. Horáková war selbst Inhaftierte in Theresienstadt gewesen, knapp fünf Jahre später wurde sie Opfer eines kommunistischen Schauprozesses.
Den Ermittlern und Gerichtsmedizinern, die die getöteten 601 Menschen untersuchten, gelang es, einige der Opfer zu identifizieren und die Ursache ihres Todes festzustellen. Der Historiker Vojtěch Kincl kennt die Ergebnisse:
„In einem Fall wurden Merkmale einer Strangulierung am Körper entdeckt – das Opfer war also erhängt worden. Es wird jedoch angenommen, dass Dutzende weitere Opfer den gleichen Tod erfuhren. Andere Leichen hatten Schussverletzungen im Brustkorb, das heißt, sie wurden durch ein Erschießungskommando umgebracht.“
An den meisten Körpern der Exhumierten fanden die Ermittler zudem Spuren von Folter und Misshandlungen. In den Jahren von 1940 bis 1945 ermordeten die Nazis in der Kleinen Festung mehr als zweieinhalbtausend Menschen, erinnert Kyncl:
„Diese Opfer wurden unter sehr unmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten. Ihr Tod war wirklich qualvoll und vorsätzlich. Ihre Peiniger handelten mit der bewussten Einstellung, diese Menschen vor dem Tod noch zu erniedrigen und sie auf sehr leidvolle Weise zu töten.“
Einer der damaligen Häftlinge in Theresienstadt war Robert Bardfeld. Als man ihn 1942 hier inhaftierte, war er 17 Jahre alt. Für das Zeitzeugenprojekt Paměť národa des Vereins Post Bellum beschrieb er das Verhalten der Gefängniswärter. Demzufolge gab Lagerkommandant Heinrich Stöckel seinen Unterstellten den Befehl, mit den Häftlingen eine sogenannte Übung durchzuführen:
„Das bedeutete, wir mussten auf dem Hof Fässer in den Staub rollen. Die Wärter sprangen dabei zwischen uns hin und her und traten mit ihren Kampfstiefeln überall hin, wo es ihnen gerade passte. Einem traten sie auf die Hand, dem anderen auf den Kopf.“
Josef Koudelka musste ebenfalls grausame Vernehmungen über sich ergehen lassen. Ihn hatte man wegen Partisanenhilfe in die Kleine Festung gesteckt:
„Ständig ging es ums Überleben. Ich habe etliche Tote, Erschlagene und Menschen gesehen, die danach an Typhus gestorben sind. Es war eine Unzahl an Toten. Das kann sich niemand vorstellen.“
Bei den Untersuchungen zu den Kriegsverbrechen, die nach dem Krieg vielerorts – darunter bei der Kleinen Festung – angestellt wurden, wurde ein wichtiges Dokument zu Rate gezogen. Es sei die sogenannte Reichsverordnung für NS-Gefängnisse gewesen, erläutert Historiker Vojtěch Kincl:
„Diese Verordnung musste in regelmäßigen Abständen gerade von den Aufsehern unterschrieben werden. In dem Dokument findet sich aber kein Beleg dafür, dass die Gefangenen gefoltert oder auch physisch bestraft, geschweige denn getötet werden durften. In den 1960er Jahren wurde eine von den Aufsehern der Kleinen Festung Theresienstadt unterschriebene Verordnung entdeckt, was danach eine wichtige Rolle spielte. Denn dadurch wurde belegt, dass hier vorsätzlich und willkürlich gemordet wurde.“
Die Ermittler, die die Leichen in Theresienstadt exhumierten, gaben 1946 ein Buch mit den
Namen oder den Häftlingsnummern der Opfer heraus. Sie wollten damit den Hinterbliebenen helfen in ihren Nachforschungen, was mit ihren Verwandten und Freunden geschehen sein könnte. Heute befinden sich auf dem Nationalfriedhof nahezu 2500 Einzelgräber. In Gemeinschaftsgräbern sind mehrere weitere Tausend Opfer begraben.