Nachwuchsförderung im Bio-Landbau Tschechiens: Neues Ausbildungsprogramm setzt auf Praxisbezug
Immer weniger Menschen werden in Tschechien zum klassischen Landwirt ausgebildet. Im staatlichen Lehrplan spielt zudem Bio-Landwirtschaft nur eine Nebenrolle. Ein neues Ausbildungsprogramm will dem Abhilfe schaffen. Es motiviert junge Menschen, den aus der Mode gekommenen Beruf eines Bio-Bauern zu ergreifen. Die Inspiration dazu stammt vor allem aus Deutschland und der Schweiz. Praktisch orientiert, kostenlos und international ausgerichtet schickt die „Farmařská škola“ im März dieses Jahres ihre ersten Lehrlinge auf die Ausbildungshöfe.
„Staň se farmářem“, zu Deutsch: Werde Bauer! Mit dieser Aufforderung wird für ein neues, dreijähriges Ausbildungsprogramm geworben, das im März dieses Jahres startet. Angeboten wird es von AMPI, der Vereinigung der lokalen Lebensmittelinitiativen (Asociace místních potravonových iniciativ). In der Sprache der Landwirtschaft ausgedrückt, soll damit in Tschechien eine neue Generation an Bio-Bauern „herangezüchtet“ werden.
Der Name des Programms, „Farmářská škola“, ließe sich etwas grob als „Bauern-Schule“ übersetzen. Oder auch geschliffener, wie es die Initiatoren bevorzugen, als „Landbauschule der ökologischen und biodynamischen Landwirtschaft“. Im Tschechischen jedenfalls hat der Name einen schönen Klang, findet Jiří Urban, einer der Lektoren:
„Farmářská škola klingt auf Tschechisch sehr spezifisch. Es deutet etwas Praktisches an. Der Farmer ist der, der auf dem Traktor sitzt und wirklich arbeitet. Das kling auf Tschechisch gut.“
Zudem grenzt es sich ab von den staatlichen Landwirtschaftsschulen, deren Bezeichnung „Zemědělská škola“ allgemeiner gehalten ist. Auch Programmleiter Jiří Prachař betont die Praxisnähe des Konzeptes:
„Es ist einfach eine landwirtschaftliche Ausbildung. Sie ist praktisch orientiert, denn Landwirtschaft ist ein Handwerk. Und ein Handwerk lernt man nur, wenn man es wirklich ausübt.“
Konkret verbringen die Teilnehmer den Großteil ihrer Ausbildungszeit auf verschiedenen Bio-Bauernhöfen. Zwei Jahre werden in Tschechien absolviert, das dritte Jahr dann im Ausland. Prachař erläutert:
„Mindestens zwei Jahre lang sind sie in zwei tschechischen Betrieben. Der Lehrling arbeitet dabei das ganze Jahr lang auf einem Hof und lernt die gesamte Saison kennen. Das ist der praktische Teil. Auf einem Bauernhof werden höchstens ein bis zwei Lehrlinge sein. Dadurch ist die Zusammenarbeit mit dem Landwirt natürlich sehr eng. Dabei lernt man mehr, als wenn eine größere Gruppe auf einem Schulbauernhof ist, wie es hierzulande üblich ist.“
Die Organisation AMPI hat für ihr Programm bereits 21 Partnerhöfe gefunden, alle betreiben ökologischen Landbau. Prachař ist stolz, den Lehrlingen eine breite Auswahl anbieten zu können – vom Mikro-Hof, der auf nur einem halben Hektar Gemüse anbaut, bis hin zu ehemaligen LPG-Betrieben, die sich über 2000 Hektar erstrecken. Kost und Logis ist für die Auszubildenden auf den Höfen frei.
Inspiration aus Deutschland und der Schweiz
Einmal im Monat wird die Praxis durch Seminare und Workshops ergänzt. Dafür wurde ein Team aus erfahrenen Lektoren, Uni-Professoren und lehrenden Landwirten zusammengestellt. 300 Theoriestunden kommen so zusammen, was den staatlichen Richtlinien für die landwirtschaftliche Grundausbildung in Tschechien entspricht.
Als einer der Lektoren, genauer als Senior adviser, arbeitet Jiří Urban an der „Farmářská škola“ mit. Er gehört zu den Pionieren der Bio-Landwirtschaft in Tschechien:
„Wir haben damit schon in den 1990er Jahren angefangen, aber eigentlich noch vor der Wende. Damals gab es bei uns nicht viel Knowhow zum Bio-Landbau. Darum war es das Einfachste, die Informationen aus dem Ausland zu übernehmen. Dabei haben uns vor allem die Bio-Landbau-Verbände in Deutschland geholfen, zum Beispiel Bioland. Und unser Hauptpartner war das Forschungsinstitut für biologischen Landbau, FiBL, in der Schweiz.“
Nach einem einjährigen Praktikum in dieser Einrichtung hat Urban dann sein Wissen in Tschechien eingesetzt. Er organisierte Praktikumsprogramme in Deutschland und der Schweiz, entwickelte das Kontrollsystem für Bio-Landwirtschaft mit und verfasste nicht zuletzt gemeinsam mit Bořivoj Šarapatka eines der Standardwerke für die Ausbildung von Bio-Bauern.
Auch Jiří Prachař hat in die Konzeption der „Farmařská škola“ eigene Auslandserfahrungen einfließen lassen. Sechs Jahre lang hat er auf Bio-Höfen in Deutschland gearbeitet und dort auch gelehrt:
„Wir haben uns hauptsächlich in Deutschland inspirieren lassen, von der dortigen ökologischen und staatlichen Ausbildung. Vor allem aber von der Freien Ausbildung, die es in Deutschland gibt. Unser Konzept ist jedoch nicht genau das gleiche. Wir haben es an die tschechischen Verhältnisse angepasst.“
Praxis ist wichtig
Die sogenannte Freie Ausbildung ist ein unabhängiges Konzept, das biologisch-dynamische Landbaumethoden vermittelt. Was laut Prachař im gängigen tschechischen Ausbildungssystem für Landwirte bisher zu kurz kommt, ist eben der Praxisbezug. Das kann auch Jiří Urban bestätigen, der derzeit hauptsächlich am Zentralen Kontroll- und Prüfungsinstitut für Landwirtschaft tätig ist:
„Die Studenten haben heute viel weniger Zeit für die Schule an sich. Sie sind weniger an der Universität und wollen keine lange Praxis machen. Wir mussten an der Uni noch mindestens zwei Monate im Jahr in landwirtschaftlichen Betrieben arbeiten. In der Schweiz, an der Technischen Hochschule in Zürich zum Beispiel, muss ein Absolvent ein Jahr arbeiten, um Diplom-Agrar-Ingenieur zu werden. Bei uns ist das nicht so. Die praktische Ausbildung ist ungenügend.“
Hinzu kommt eine zunehmende Spezialisierung sowohl der Landwirtschaft an sich, als auch der Ausbildung. Kaum noch jemand lässt sich zum reinen Landwirt ausbilden. Viele Lehrangebote beziehen sich nur auf einzelne Bereiche wie Tierzucht, Fruchtfolge oder Bodenqualität. Diese müssen aber im Bio-Landbau gleichwertig berücksichtigt werden. Noch einmal Urban:
„Zum Beispiel die Fachschulen, die früher Landwirte ausgebildet haben, sind jetzt spezialisiert auf ländliche Entwicklung oder auch Agrotourismus. Reine Agronomen gibt es sehr wenige, auch an den Universitäten. Wenn wir zum Beispiel auf die Mendel-Universität in Brünn schauen: Das ist eine blühende Hochschule mit vielen Studenten, aber es gibt nur fünf absolvierte Landwirte pro Jahr. Früher waren es 150. Für die reine landwirtschaftliche Arbeit melden sich immer weniger Leute.“
Dabei kann sich Tschechien in Sachen Bio-Landwirtschaft mit anderen europäischen Ländern durchaus messen lassen:
„Von der Fläche und der Produktion her stehen wir im Vergleich gut dar. 16 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche werden biologisch bewirtschaftet. Damit sind wir an der Spitze in Europa. Aber die weiterreichende Infrastruktur ist nicht so gut. Forschung zum Beispiel oder Ausbildung sind ungenügend, es fehlen Lehrmaterialien und Praxiskurse. Die guten Studenten, die mehr wissen wollen, gehen ins Ausland. Wir haben kein Top-Institut oder keine Berufsschulen, die an der Spitze auf diesem Gebiet stehen würde.“
Da will die „Farmářská škola“ von AMPI nun also eine Lücke füllen. Ihr Angebot richtet sich nicht nur, aber vor allem an junge Menschen. Die staatliche, vierjährige Ausbildung treten Jugendliche ab 15 Jahre an. AMPI nimmt Bewerber hingegen erst ab 18 Jahre auf. Programmleiter Prachař nennt die Gründe dafür:
„Wir denken, dass das viel besser ist. Mit 15 ist man persönlich noch nicht so reif. Mit 18 weiß man schon eher, was man will. Wir haben teilweise auch Teilnehmer, die älter sind. Und diese wissen genau, was sie wollen.“
Ausbildung soll kostenlos sein
Die Anmeldefrist für den ersten Jahrgang endet am 31. Januar. Maximal können 25 Bewerber aufgenommen werden. Das Idealziel von 15, mit dem Prachař nach eigenen Worten schon „total glücklich“ wäre, war kurz vor Weihnachten schon fast erreicht. Attraktiv an dem Angebot dürfte sein, dass es kostenlos ist:
„Die Theorieseminare und Schulungen sind frei. Wir sind nämlich überzeugt davon, dass Ausbildung kostenlos sein sollte. Die Teilnehmer arbeiten ja die meiste Zeit auf den Höfen, wofür sie auch ein Taschengeld bekommen.“
Für das Projekt wurden anfangs Gelder genutzt, die AMPI bei Stiftungen in Deutschland und der Schweiz beantragt hatte. Die Finanzierung steht laut Prachař für die nächsten zwei bis drei Jahre. Bis dahin müssen weitere Mittel eingeholt werden, wofür der Programmleiter gerne einheimische Fonds nutzen möchte.
Mit dem begleitenden Unterricht sollten die Absolventen der „Farmářská škola“ nach den drei Jahren dann in der Lage sein, einen eigenen Bauernhof zu führen. Mehr als besagte 300 Theoriestunden sind in Tschechien für diesen Schritt nämlich nicht nötig. Auf staatlicher Ebene wird den Absolventen eines solchen Kurses das sogenannte „Landwirtschaftliche Minimum“ ausgestellt. Die „Farmářská škola“ selbst hat noch keinen eigenen Abschluss beglaubigen lassen. Geplant sei das aber durchaus, so Prachař:
„Sobald wir mit der Ausbildung angefangen haben, wird es für uns erst einmal wichtig sein, ein wirklich stimmiges Konzept zu haben. So dass wir sagen können: So soll eine ökologische Ausbildung aussehen, so wollen wir das machen. Wenn wir das haben, dann wollen wir es akkreditieren lassen. Normalerweise geht man umgekehrt vor. Damit haben wir es uns nicht leicht gemacht, aber anders können wir uns das nicht vorstellen.“
Die „Farmářská škola“ soll nun immer im März für weitere Jahrgänge beginnen. Bis dahin haben Interessenten die Möglichkeit, durch einmalige Kurse und kurzzeitige Praktika auf den Partnerhöfen von AMPI erste Erfahrungen mit der Arbeit eines Bio-Bauern zu sammeln.