Verfassungsgericht ändert Wahlsystem in Tschechien
Das Verfassungsgericht hat Teile des Wahlgesetzes in Tschechien für ungültig erklärt. Dadurch soll die Diskriminierung kleiner Parteien künftig ausgeschlossen werden. Die neuen Regeln sollen schon für die Abgeordnetenhauswahlen im Oktober gelten.
Ende 2017 hat eine Gruppe von Senatoren eine Verfassungsklage gegen das Wahlsystem eingereicht. Kritisiert wurde die Aufteilung des Staates in 14 unregelmäßig große Wahlkreise sowie die Methode, mit der Wählerstimmen in Abgeordnetenmandate umgerechnet werden. Die Richter gaben den Senatoren nun Recht, daher wurden einige Teile des Wahlgesetzes gekippt. Der Vorsitzende des Verfassungsgerichts Pavel Rychetský:
„Das Verfassungsgericht kam zu dem Schluss, dass es durch die Kombination des sogenannten D‘Hondt-Verfahrens mit unterschiedlich großen Wahlkreisen zu einem erheblichen Verstoß gegen das Prinzip der Stimmengleichheit kommt. Deswegen wurde das D‘Hondt-Verfahren letztlich abgeschafft.“
Eine weitere Änderung betrifft Wahlbündnisse: Für sie soll ab nun die Fünf-Prozent-Hürde zum Einzug ins Abgeordnetenhaus genauso entscheidend sein wie für die selbständig kandidierenden Parteien. Bisher gilt, dass eine Wahlkoalition aus zwei Parteien erst ab zehn Prozent ins Parlament einziehen kann, aus drei Parteien dann ab 15 Prozent und aus vier Parteien ab 20 Prozent. Pavel Rychetský:
„Zudem wurde die sogenannte additive Sperrklausel für Koalitionen aufgehoben. Nicht angetastet wurde hingegen die Fünf-Prozent-Sperrklausel, auf deren Grundlage man bei der Wahl Mandate gewinnt.“
Die Verfassungsklage wurde hauptsächlich von Senatoren des Bündnisses der Bürgermeister und Unabhängigen (Stan) initiiert. Stanislav Polčák ist heute Europaabgeordneter für das Bündnis, 2017 hatte er als Senator die Klage ausgearbeitet:
„Für mich handelt es sich um ein Fest der Demokratie, ein Fest der Verfassung. Ich schätze den Mut meiner Senatoren-Kollegen hoch ein. Und auch den Mut des Verfassungsgerichts, das in das ungerechte System eingegriffen hat.“
Die meisten der oppositionellen Parteien haben das Urteil begrüßt. Die Kommunisten halten es hingegen für verfassungswidrig. Der Abgeordnete Stanislav Grospič:
„Die bevorstehenden Wahlen wurden bereits ausgerufen. Sie sollen im Einklang mit dem Gesetz abgehalten werden, auf dessen Grundlage sie ausgerufen wurden.“
Innenminister Jan Hamáček (Sozialdemokraten) kündigte an, ein Treffen von Vertretern aller politischen Parteien Anfang kommender Woche einzuberufen:
„Das Urteil des Verfassungsgerichts bedeutet, dass eine Novelle des Wahlgesetzes erforderlich ist. Das Innenministerium muss entsprechende Unterlagen ausarbeiten. Ich halte es für korrekt, mich zunächst mit den Ansichten aller Parteien vertraut zu machen.“
Die Änderungen müssen im Wahlgesetz noch vor den Abgeordnetenhauswahlen im Oktober vorgenommen werden. Eben das wird von einigen Politikern und Politologen kritisiert. Verfassungsrichter Jan Filip wies diesen Vorwurf auf einer Pressekonferenz am Mittwoch zurück. Wenn es ein Verfassungsproblem gebe, sei das Verfassungsgericht verpflichtet, dieses zu lösen, sagte er:
„Wir sind der Meinung, dass die Frist von mehr als acht Monaten kein Problem darstellt. Ich will aus meinen Erfahrungen nur darauf verweisen, dass ich im Jahr 1990 – am Samstag, dem 6. Januar – von der Leitung der damaligen Föderalversammlung beauftragt wurde, das Konzept eines neuen Wahlgesetzes auszuarbeiten. Drei Tage später habe ich ihn in Prag vorgelegt. Der Entwurf wurde dann eine Woche lang behandelt und war fertig.“