In diplomatischer Krise gleich gefordert: Jakub Kulhánek ist neuer Außenminister Tschechiens
Die Tschechische Republik hat seit Mittwoch einen neuen Außenminister. Es ist der Sozialdemokrat Jakub Kulhánek, der zuletzt als Staatssekretär unter dem Vorsitzenden seiner Partei und Innenminister Jan Hamáček arbeitete. Kulhánek ersetzt Tomáš Petříček, der am Montag vergangener Woche auf Wunsch von Hamáček abberufen worden war.
Wie sein Vorgänger Petříček gehört Jakub Kulhánek mit seinen 36 Jahren zur jüngeren Garde der Berufspolitiker in Tschechien. Deren Vertreter zeichnen sich in der Regel durch gute Sprachkenntnisse aus, ein Nachteil liegt in den noch geringen Erfahrungen. Kulhánek aber muss in sein neues Amt schnell hineinwachsen, denn von ihm wird unter anderem erwartet, dass er die Wirtschaftsdiplomatie weiter vorantreibt. Dazu sagte Staatspräsident Miloš Zeman bei der Ernennung des Ministers am Mittwoch:
„Es wäre gut, unsere Exporteure zu unterstützen. Diesbezüglich begrüße ich ihr Versprechen, dass sie sich bei ihren Auslandsreisen auch von unseren Unternehmern begleiten lassen wollen.“
Nach der zehnminütigen Ernennungszeremonie ging Kulhánek schnurstracks zur Tagesordnung über. Bei der ersten Pressekonferenz an seiner neuen Arbeitsstätte, dem Czernin-Palais, nannte er noch weitere Prioritäten, die er als Außenminister im Auge habe:
„Ich will die nationalen Interessen Tschechiens im Ausland durchsetzen. Zudem will ich die aktuellen Themen anpacken, die mit der Corona-Pandemie und den Reiseregelungen zusammenhängen.“
Was die Durchsetzung der nationalen Interessen anbelangt, da hat Kulhánek gleich zum Auftakt eine harte Nuss zu knacken. Denn er muss die diplomatische Krise lösen, die in den Beziehungen zu Russland als Folge der Causa Vrbětice entstanden ist. Daher fügte er vor den Journalisten an:
„Das ist überhaupt keine leichte Zeit für die tschechische Diplomatie. Ich trete deshalb den Posten des Außenministers mit großer Demut und Verantwortung an.“
Und seine Fähigkeiten muss Kulhánek nun sofort unter Beweis stellen. Denn die Ermittlungen zu den zwei Explosionen im Munitionslager Vrbětice vom Herbst 2014 haben ergeben, dass mehrere Agenten des russischen Militärnachrichtendienstes GRU diese herbeigeführt haben sollen. Als Konsequenz hat Tschechien 18 Mitarbeiter der russischen Botschaft in Prag ausgewiesen, die Gegenseite reagierte mit der Ausweisung von 20 Angehörigen der tschechischen Botschaft in Moskau. Dies sei ein Missverhältnis, moniert die tschechische Seite. Und zwar deswegen, weil die Prager Botschaft jetzt noch 94 russische Mitarbeiter hat, in der Moskauer Botschaft aber nur noch 24 Personen beschäftigt sind. Aus diesem Grund hat Kulhánek bei einer Vorladung des russischen Botschafters in Tschechien, Alexander Smejewski, am Mittwoch ein Ultimatum gestellt:
„Wir fordern die russische Seite dazu auf, es den ausgewiesenen tschechischen Diplomaten, die nichts Schlechtes getan haben, zu ermöglichen, in die Moskauer Botschaft zurückzukehren. Sollte dies nicht geschehen, wird die tschechische Seite weitere Schritte unternehmen. Dann werden wir die Zahl der russischen Diplomaten und Mitarbeiter in der Prager Botschaft weiter reduzieren.“
Russland sollte auf diese Aufforderung bis zum Donnerstagmittag um 12 Uhr reagieren. Dies ist jedoch den Informationen nach nicht geschehen. Was nun konkret geschieht, war zunächst noch nicht klar.
Die Opposition in Tschechien hat allgemein jedoch kein großes Vertrauen in den neuen Chefdiplomaten. Vielmehr hat sie mehrfach kritisiert, dass Kulhánek politisch noch unerfahren und zu unbekannt sei, weshalb er sich erst ein Netzwerk an Kontakten aufbauen müsse. Mehrere Oppositionspolitiker glauben aber, dass Jakub Kulhánek in seiner Position ohnehin nicht eigenständig agieren werde. Markéta Pekarová Adamová ist Vorsitzende der Partei Top 09:
„Diese Personalentscheidung der Sozialdemokraten sehe ich so, dass Kulhánek nur der Schatten von Innenminister Jan Hamáček ist. Ich erwarte nicht, dass er besonders eigenständig handeln wird.“
Aller Voraussicht nach aber ist Jakub Kulhánek ohnehin nur ein halbes Jahr im Amt. Denn für Anfang Oktober stehen in Tschechien Parlamentswahlen an.