Der Nato-Gipfel und Tschechien: Russland, Verteidigungsausgaben und Truppenabzug
Für ihren Gipfel in Brüssel hatte sich die Nato viel vorgenommen. Es ging um eine Neuausrichtung der Allianz bis 2030, was vor allem das Verhältnis zu China und Russland betraf. Aber auch die Rüstungsausgaben und der Truppenabzug aus Afghanistan gehörten zu den Themen.
Aus tschechischer Sicht bot der Nato-Gipfel am Montag mehrere wichtige Aspekte. Zuvorderst war dies sozusagen die Rückkehr der USA. Der neue amerikanische Präsident Joe Biden bekannte sich zur Bündnispflicht, die sein Vorgänger Donald Trump noch bezweifelt hatte. Außenminister Jakub Kulhánek nahm dies mit Erleichterung zur Kenntnis. Die Sprache von Biden habe ganz anders geklungen als die von Trump, sagte der Sozialdemokrat.
In der abschließenden Erklärung bekundete die Nato gegenüber Tschechien und weiteren Ländern ihre Solidarität im Konflikt mit Russland. Das quittierten sowohl Außenminister Kulhánek als auch Verteidigungsminister Lubomír Metnar (parteilos). Letzterer sagte am Montag im Tschechischen Fernsehen:
„Ich habe dies bereits vor Ort getan und nutze die jetzige Gelegenheit auch noch einmal dafür, den Verbündeten für den Ausdruck ihrer Solidarität zu danken.“
Denn die Beziehungen zwischen Prag und Moskau sind derzeit auf einem historischen Tiefpunkt. Beide Seiten befinden sich in einer diplomatischen Krise. Hintergrund ist die Affäre um zwei Explosionen im mährischen Munitionslager Vrbětice. Nach Erkenntnissen der tschechischen Nachrichtendienste soll der russische Militärgeheimdienst GRU die beiden Explosionen zu verantworten haben. Bei diesen war im Herbst 2014 nicht nur das Munitionslager zerstört worden, sondern auch zwei Menschen ums Leben gekommen.
Auf solche und weitere Aggressionen des Kremls aber auch vonseiten Chinas will die Nato zukünftig besser reagieren. Deswegen soll bis kommendes Jahr eine neue Strategie formuliert werden.
Ein weiteres Thema war der Truppenabzug aus Afghanistan. Staatspräsident Miloš Zeman, der die tschechische Delegation beim Gipfeltreffen leitete, äußerte sich kritisch dazu. Diese Sicht wird allgemein in Prag geteilt. Verteidigungsminister Metnar:
„Nach meiner Ansicht und der von Kollegen aus weiteren Mitgliedsländern ist der Zeitpunkt des Abzugs nicht gut gewählt. Außerdem wurde bei der Entscheidung nicht das Prinzip des politischen Konsenses eingehalten. Wir wurden praktisch vor vollendete Tatsachen gestellt.“
Donald Trump hatte vor mehr als einem Jahr mit den Taliban vereinbart, dass alle Truppen der USA und der Nato aus Afghanistan abgezogen werden. Sein Nachfolger Biden verschob zwar die Umsetzung zeitlich nach hinten, hielt jedoch an dem Beschluss als solchem fest.
Des Weiteren waren die Rüstungsausgaben ein Thema. Dabei lobte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die allgemeine Tendenz in den Bündnisstaaten.
„Dieses Jahr ist das siebte in Folge, in dem die europäischen Alliierten und Kanada ihre Verteidigungsausgaben erhöht haben. Das sind mehr als 260 Milliarden US-Dollar mehr als noch 2014“, so Stoltenberg.
Auch Tschechien hat seine Ausgaben zu Verteidigungszwecken in den vergangenen Jahren nach oben gefahren. Doch das selbstgesteckte Ziel, bis 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben, ist bisher nicht in Sicht. Lubomír Metnar wünscht sich daher vom ganzen Kabinett mehr Anstrengungen:
„Das ist nicht nur eine Angelegenheit des Verteidigungs- und des Finanzministeriums, sondern der ganzen Regierung. Zumindest von meiner Seite sind weitere Schritte und Verhandlungen zu erwarten, um den Etat zu erhöhen.“
Nicht zuletzt wurde in Brüssel über die mögliche Nachfolge von Nato-Generalsekretär Stoltenberg diskutiert. Angeblich werden bereits einige Kandidaten gehandelt.
„Als tschechischer Außenminister wünsche ich mir einen tschechischen Kandidaten. Aber wir sollten nicht vorgreifen. Jetzt irgendwelche Namen zu verraten wäre nicht gut. Ich möchte auf diese Weise sicher niemandem den Todeskuss geben“, so Jakub Kulhánek.