Moser-Kristall: Luxusgläser für die oberen Zehntausend

Moser-Kristall

Könige, Kaiser und Päpste – sie alle wussten und wissen die Qualität von Moser-Kristall zu schätzen. Firmengründer Ludwig Moser begann als kleiner Glasgraveur in einem bescheidenen Holzladen und brachte es innerhalb weniger Jahre an die Weltspitze. Dies klingt wie eine Tellerwäscher-Karriere in den USA – hat sich aber tatsächlich im böhmischen Karlsbad abgespielt.

Foto: Ondřej Tomšů,  Radio Prague International

Eine breite goldene Umrandung und ein klassisch-elegantes Design – dies sind die Attribute der „Splendid“-Reihe. Die Wein-, Wasser- oder auch Brandygläser mit diesem Namen bilden eine der ältesten und traditionsreichsten Kollektionen aus dem Hause Moser. Schon Edvard Beneš hat sie in seiner Funktion als Präsident der Tschechoslowakei der englischen Prinzessin und späteren Königin Elisabeth II. zur Hochzeit geschenkt. Dass die „Splendid“-Produkte auch zum Teuersten gehören, was mit der Marke Moser gekauft werden kann, muss kaum erwähnt werden. Petr Nový, Kurator des Museums für Glas und Bijouterie in Jablonec nad Nisou / Gablonz an der Neiße, hat vor einigen Jahren eine große Moser-Ausstellung im Prager Gemeindehaus zusammengestellt:

Petr Nový | Foto:  Tschechisches Fernsehen

„Kommt man zu jemandem in die Wohnung und sieht dort ein ‚Splendid‘-Produkt, dann weiß man, dass der Besitzer nicht am Hungertuch nagt. Als Ludwig Moser mit seiner Firma begann, gründete er sie als ein Handelsunternehmen. Er war ein Graveur und genialer Geschäftsmann. Dabei war um 1857 herum keine gute Zeit für tschechisches Glas, im Gegenteil.“

Ludwig Moser | Foto: Ondřej Tomšů,  Radio Prague International

Dafür florierte damals aber der Kurbetrieb in Karlovy Vary / Karlsbad, der Heimatstadt von eben jenem Ludwig Moser. Und genau dies machte sich der junge Firmengründer zunutze…

Aber der Reihe nach. Ludwig Löwi Moser wurde am 18. Juni 1833 in eine jüdische Familie geboren. Sein Vater Lazar betrieb eine Kantine mit rituellen Speisen, die unter anderem auch Mitglieder der Familie Rothschild bei ihren Kuraufenthalten regelmäßig besuchten. Angeblich war er der erste Jude, dem eine ganzjährige Arbeitserlaubnis in Karlsbad erteilt wurde.

Karlsbad im 19. Jahrhundert | Quelle: Gutmann,  Edward: Health resorts,   New York,  D. Appleton and company,  The Library of Congress,  Flickr,  public domain

Sein Sohn Ludwig besuchte die Schule nicht nur im heimatlichen Karlsbad, sondern auch in Wien und in Loket / Elbogen. Zur Lehre ging er bei Andreas Mattoni, der eine der angesehensten Werkstätten für Glasgravur in Karlsbad betrieb. Daneben lernte Moser beim Maler Ernst Anton zeichnen. Erste Berufserfahrungen sammelte der junge Graveur auf der anschließenden Wanderschaft, die ihn unter anderem für sieben Monate nach Berlin führte. 1855 kehrte Ludwig in die Heimat zurück und verdiente sich mit einem kleinen Souvenirladen am Ufer des Flüsschens Teplá sein erstes Kapital. Dieses investierte er, gerade einmal 24 Jahre alt, in seine eigene Gravurwerkstatt nebst Geschäft.

Lukáš Jabůrek | Foto:  Tschechisches Fernsehen

Lukáš Jabůrek ist Glasdesigner und hat das Erbe Ludwig Mosers für einige Jahre als künstlerischer Leiter der Firma weitergeführt. 2012 berichtete er im Tschechischen Rundfunk:

„Es sind Skizzenbücher erhalten geblieben, die die gesamte Produktion seit 1857 bis heute umfassen. Dort finden sich tausende verschiedene Formen, Ideen und Entwürfe. Sie bieten zum einen eine tolle Inspiration für neue Designs. Aber wir haben natürlich auch Kunden, die sich Repliken von historischen Stücken wünschen, etwa aus der Zeit des Jugendstils oder Art Déco. Dann greifen wir darauf zurück. Manchmal ist es eine echte Herausforderung herauszufinden, wie und mit welchen Materialien damals gearbeitet wurde.“

Erfolge auf der Weltausstellung

Foto: Ondřej Tomšů,  Radio Prague International

In seinen Anfangstagen handelte Ludwig Moser mit Glaswaren, aber vor allem mit Spiegeln. Ein Inserat im zeitgenössischen „Karlsbader Wochenblatt“ preist einen modernen Toilettenspiegel an, der nicht nur praktisch sei und jedes Zimmer verschönere, sondern vor allem wegen seines günstigen Preises empfohlen werden könne. Sein Geschäftssinn verhalf Moser zu einem guten Absatz seiner Waren in den Kurhäusern Karlsbads. Diese wurden zu dieser Zeit in großer Zahl neu gebaut und mussten schließlich ausgestattet werden. Bald konnte er ein zweites Geschäft an der gut frequentierten Kurpromenade eröffnen.

Foto: Ondřej Tomšů,  Radio Prague International

Ebenso eifrig präsentierte Ludwig Moser seine Produkte im Ausland. Inzwischen hatte er sich auf dekoratives Luxusglas spezialisiert. Dazu bezog er aus dem Böhmerwald und aus Harrachov / Harrachsdorf im Riesengebirge erstklassiges Rohmaterial, das in seiner Werkstatt von Hand geschliffen und graviert wurde. 1873 feierte Moser damit Erfolge auf der Weltausstellung in Wien. 1889 in Paris hatte er dann bereits einen Platz in der Ausstellungsjury inne.

Glashütte im Karlsbader Stadtteil Dvory | Quelle:  Moser

Zu dieser Zeit machte sich der Unternehmer in seiner Produktion gänzlich unabhängig. Im Karlsbader Stadtteil Dvory gründete er, gemeinsam mit seinen Söhnen Rudolf und Friedrich, eine Glashütte und stellte fortan sein eigenes Kristallglas her. 24 Schmelzpfannen und 350 Mitarbeiter zählte die Hütte. Gearbeitet wurde mit Holzformen in tausendfacher Gestaltung. Einige davon sind heute noch im Moser-Besucherzentrum in Karlsbad zu sehen. Dessen Leiterin Jitka Svobodová verweist auf ein weiteres Ausstellungsstück und die Körperkraft, die das Glasbläsergewerbe erfordert:

Glashütte Moser | Foto: Filip Jandourek,  Tschechischer Rundfunk

„Wie schwer ein Blasrohr ist, hängt davon ab, was mit ihm gerade hergestellt wird. Bei einem kleinen Becher oder einer Vase sind das meist ein bis zwei Kilogramm. In unserem Besucherzentrum stellen wir aber auch ein Blasrohr aus, das 16,5 Kilogramm Material trägt. Dies entspricht dem Rohmaterial einer großen Vase. Unsere Blasgläser halten das Rohr also in waagerechter Stellung, müssen gleichzeitig blasen und es von einer in die andere Hand bewegen. Man kann sich vorstellen, wie anstrengend diese Arbeit ist.“

Foto: Ondřej Tomšů,  Radio Prague International

Die Firma Moser legt noch heute Wert auf ihre handwerkliche Tradition. Der Aufwand spiegelt sich entsprechend in den Preisen wider. Schon Ludwig Moser zielte auf die höchsten gesellschaftlichen Schichten ab. Mit diversen Titeln als Hoflieferant für Kaiser Franz Josef I. oder den englischen König Edward VII. erlangte er hohes internationales Prestige. Der persische Schah verlieh Moser gar den „Orden der Aufgehenden Sonne“.

Foto: Ondřej Tomšů,  Radio Prague International

Graveur, Maler und Bildhauer in Einem

Foto: Naďa Krásná,  Tschechischer Rundfunk

Heute werden auch anderen Mitarbeitern des Unternehmens internationale Ehrungen zuteil. Garvurmeister Tomáš Lesser etwa erhielt 2020 den französischen Orden für Kunst und Literatur. Er erläutert, dass durch das Übereinanderlegen verschiedener Farbschichten ein Kristallprodukt mit einem bunten Motiv verziert werden kann. Und Lesser bestätigt die Feststellung, dass dies der Malerkunst gleichkomme:

Tomáš Lesser | Foto: ČT24

„Das kann man tatsächlich so sagen. Das Gravieren von Glas ist ein Stück weit auch Bildhauerarbeit. Man hat es ja mit einer Plastik zu tun und muss die Anatomie der Figuren kennen. Ebenso nötig sind Kenntnisse zu Farben und ihren Abstufungen.“

Lessers eigentliches Handwerk aber ist das Schleifen und Gravieren:

Foto: Filip Jandourek,  Tschechischer Rundfunk

„Jeder Graveur hat zwei Geräte. Das größere ist eine verkleinerte Schleifmaschine mit zwei abgedeckten Karbon-Scheiben, die mit Wasser gekühlt werden. Zur Gravur einer Vase wird zunächst das Motiv aufgemalt, und mit den Karbon-Scheiben wird der Großteil des Glases abgeschliffen. Dann kommen immer kleinere Scheiben zum Einsatz. Für die Details wechselt man an das leichtere Gerät. Dies ist mit kleinen Diamant- und Kupferscheiben ausgestattet, mit denen die kleinsten Details ganz fein bearbeitet werden.“

Glashütte Moser | Foto: Filip Jandourek,  Tschechischer Rundfunk

Als Ludwig Moser 1916 im Alter von 83 Jahren starb, übernahm sein Sohn Leo die technische und künstlerische Leitung. Nach den Krisenzeiten des Ersten Weltkriegs richtete er das Unternehmen verstärkt auf den Export aus und pflegte weiter die Kontakte zu höchsten internationalen Würdenträger. Papst Pius XI. überbrachte Leo Moser persönlich eine Glaskollektion mit dem eingravierten päpstlichen Emblem.

Glashütte Moser | Foto: Naďa Krásná,  Tschechischer Rundfunk

Zu Beginn der 1920er Jahre war die Fabrik im Karlsbader Stadtteil Dvory eine der modernsten Glashütten in der Tschechoslowakei und das größte Glasunternehmen des Landes. Die Weltwirtschaftskrise aber überstand es nicht. 1933 verkauften die Moser-Nachkommen fast alle ihre Aktien an die Tschechische Unionbank. Damit endete die Geschichte der Firma Moser als Familienunternehmen.

Foto: Filip Jandourek,  Tschechischer Rundfunk

Aber auch in den folgenden Jahrzehnten als Staatsunternehmen behielt der Name Moser seinen guten internationalen Ruf. Als die tschechische Glasindustrie nach 1989 in die nächste Krise rutschte, schaffte es die Firma Moser nicht nur zu überleben, sondern neu zu florieren. Und das gilt bis heute. Durch die Ausrichtung auf anspruchsvollste Kundengruppen stellen Billigprodukte aus asiatischen Ländern keine Konkurrenz für das Unternehmen in Karlsbad dar. Zudem hat sich die Verbindung von Tradition und neuesten Trends als erfolgreich erwiesen. Jana Zielinsky ist die Leiterin der „Designblok“-Messe:

Jana Zielinski | Foto: Ian Willoughby,  Radio Prague International

„Moser ist eines unserer hervorragenden Beispiele. Auch wenn 90 Prozent der Firmenproduktion weiterhin eher traditionell ist, arbeitet man in Karlsbad auch mit neuen Designern zusammen. Mit Boda Horák gibt Moser zum Beispiel wunderschöne Original-Stücke heraus.“

Schon Leo Moser hatte die Kooperation mit Nachwuchskünstlern gesucht und die Studenten der Prager Kunstakademie eine Reihe seiner Produkte entwerfen lassen. Nachdem er das Familienunternehmen aufgeben musste, arbeitete Leo Moser als technischer und künstlerischer Direktor der Glaswerke in Poděbrady / Podiebrad. Kurz vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht emigrierte er nach Paris und floh 1941 weiter in die USA. Dort leben noch heute die Moser-Nachfahren.

10
50.232215000000
12.871304600000
default
50.232215000000
12.871304600000
Autoren: Daniela Honigmann , Jitka Škápíková , Magdalena Šorelová
schlüsselwörter:

Verbunden