Veraltete Sicherungssysteme: Ermittlungen zum tragischen Zugunglück in Westböhmen
Am Mittwoch kam es zu einem der schwersten Zugunglücke in Tschechien seit vielen Jahren. Bei Domažlice / Taus stießen der Express „Alex“ aus München und ein Regionalzug frontal aufeinander. Drei Menschen starben dabei, und Dutzende weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatte es hierzulande eine Serie von teils tragischen Zugunfällen gegeben. Erneut wird nun über die Sicherheit auf der Schiene diskutiert.
Es sei wie bei einer Bombenexplosion gewesen, sagt Eva Švambergová. Sie und ihr Mann hätten einen Knall gehört und seien sofort aus dem Haus auf den Bahnsteig gestürzt. Da hätten sie die Züge gesehen. Die Švambergs aus dem Ort Milavče halfen dann den Menschen, aus den Waggons herauszugelangen.
Kamila Plzáková saß in einem der Züge:
„Das war ein wahnsinniger Schock. Zum Glück saß ich mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Auf mich kamen die Sitze zu, die durch den Aufprall aus der Verankerung gerissen wurden. Die Leute jedoch, die in Fahrtrichtung saßen, wurden gegen die Sitze vor sich geschleudert. Sie haben vor allem Risswunden am Kopf erlitten, bluteten aus der Nase und ähnliches.“
Beide Lokführer sowie eine Reisende im Regionalzug starben bei dem Zusammenstoß. Fünf weitere Menschen wurden so schwer verletzt, dass sie zunächst in Lebensgefahr schwebten. Mittlerweile seien sie jedoch alle stabilisiert, hieß es am Donnerstag. Aber auch viele Weitere mussten behandelt werden.
„Sechs Menschen erlitten mittelschwere Verletzungen und wurden ebenfalls in Krankenhäuser gebracht. Weitere 50 Personen wurden leicht verletzt, sodass sie sich selbst aus den Waggons befreien konnten“, sagte die Sprecherin des Kreises Plzeň / Pilsen, Mária Svobodová.
Das Unglück geschah auf einer Strecke, die nicht mit einem Zugbeeinflussungssystem ausgestattet ist. Laut ersten Erkenntnissen der tschechischen Bahninspektion überfuhr der Expresszug aus München ein Haltesignal vor einem eingleisigen Abschnitt. Warum es dazu kam, wird jedoch erst ermittelt. Der Chef der Schienenwegverwaltung, Jiří Svoboda, kommt nach Voruntersuchungen zu dem Schluss, dass Weiche und Signal einwandfrei funktioniert haben dürften:
„Unsere Gebietsleitung in Pilsen hat den Abschnitt untersucht und keine Fehler gefunden.“
Die Bahninspektion hat dies zwar noch nicht bestätigt, doch übrig bleiben als mögliche Ursachen noch Fehler am Zug und menschliches Versagen. Jan Kučera ist Generaldirektor der Bahninspektion und sagte am Donnerstagmorgen in einem Interview für den Tschechischen Rundfunk:
„Morgen fährt einer unserer Mitarbeiter nach Deutschland, um mit den dortigen Kollegen die Daten des Geschwindigkeitsmessers der deutschen Lokomotive auszuwerten. Danach werden wir Videoaufzeichnungen sichten und die Sicherheitssysteme im Labor analysieren. Natürlich bietet sich als Erklärung auch menschliches Versagen an. Erst wenn wir aber ausschließen können, dass etwa am Zug die Bremsen versagt haben, können wir konkreter sein.“
Die Strecke, auf der es zum Unglück kam, ist seit Jahren praktisch die Schienen-Hauptverbindung zwischen Prag und München. Dennoch ist sie nur wie eine Regionalstrecke gesichert. Das heißt, es ist noch nicht einmal das tschechische Zugbeeinflussungssystem LS installiert. Und beim Ausbau des erwünschten europäischen Systems ETCS hinkt man hierzulande weit hinterher. Dies weiß auch Schienenwegverwaltungschef Svoboda. Er nennt zwei Gründe, warum es für die Strecke zwischen Pilsen und Furth im Wald bisher keine bessere Sicherung gibt. Zum einen ist es das geringe Zugaufkommen und zum anderen…
„Von deutscher Seite wurde dieser Strecke bisher keine größere Aufmerksamkeit geschenkt. Erst in den letzten drei Monaten konnte das hiesige Verkehrsministerium aushandeln, dass dieser Arm von Bayern nach Pilsen modernisiert wird. Denn auf deutscher Seite schließt sich ebenfalls ein eingleisiges Stück ohne Elektrifizierung an“, so Svoboda.
Der tschechische Verkehrsminister Karel Havlíček (parteilos) versicherte zudem im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, hierzulande werde seit vergangenem Jahr mit Hochdruck an der Einführung des europäischen Zugbeeinflussungssystems ETCS gearbeitet. Dies sei eine Reaktion auf die Zug-Unglücksserie in Tschechien vom vergangenen Sommer.