KAMBA-Kommandeur: Verhandlungen mit Taliban unter Todesgefahr
Um möglichst viele Afghanen, die für die Alliierten gearbeitet haben, vor den Taliban zu retten, braucht es mutige Menschen. Einer von ihnen ist der Hauptmann der Militärpolizei-Spezialeinheit KAMBA, die in Kabul die tschechische Botschaft bewachte. Er kam mit dem zweiten Evakuierungsflieger der Armee aus Kabul zurück – mit an Bord waren 130 Afghanen, die er vor dem Schlimmsten bewahrt hat. Im Tschechischen Rundfunk erzählte er die ganze Geschichte seiner ungewöhnlichen Rettungsmission.
„Sicher hatte ich Angst, denn dort wurde fortwährend geschossen“,
schildert der Kommandant des Schutzteams der Militärpolizei, der aus Sicherheitsgründen anonym bleibt. Bei der Evakuierung der tschechischen Botschaft mussten er und seine Einheit noch einmal hinter die Tore des Kabuler Flughafens zurückkehren, um afghanische Mitarbeiter zu retten. Am zweiten Tag wurden die Zugänge zum Flughafen bereits von Patrouillen der Taliban überwacht.
„Die Taliban haben wiederholt in die Luft geschossen, um die Einwohner Kabuls hinter ihrem Checkpoint zurückzuhalten. Doch sie schossen teilweise auch so, dass die Kugeln überall abprallten und jeden hätten treffen können. Die größte Angst aber hatte ich davor, dass dort jemand einfach losballert.“
Um seine Mitstreiter im Team nicht zu gefährden, ging der Hauptmann allein, die Hände hinterm Kopf verschränkt, zu einem Checkpoint der Taliban.
„Ich gab all meine Waffen beim Wachposten ab und ab dem Moment war ich der eine Wagemutige, der sich in das Reich der Taliban begibt und versucht, jemanden zum Verhandeln zu finden.“
Der Verhandlungsort, die erste Wache der Taliban, lag einen Kilometer vom Flughafen entfernt…
„Als ich im Checkpoint ankam, ging ich auf drei Leute mit Turban zu, die dort saßen. Ich schlussfolgerte, dass dies vermutlich ihre Befehlshaber sind. Andere Männer liefen mit schweren Waffen herum und schossen auf alles Mögliche. Dem Trio zeigte ich meinen Diplomatenpass und die tschechische Flagge. Sie haben alles überprüft. Ich sprach mit ihnen Englisch, doch sie reagierten nicht. Das hat mich nicht gewundert. Dann winkten sie einen Mann herbei, der sehr gut Englisch sprach, so wie ein Brite. Mit ihm habe ich dann kommuniziert, und er hat die Gespräche zwischen uns übersetzt.“
Dem Tschechen gelang es, die Taliban zu überzeugen, dass er ein hochgestellter Diplomat sei und er die Beschäftigten der Botschaft sicher zum Flughafen bringen wolle. Er durfte jedoch nicht zugeben, dass diese auch der tschechischen Armee geholfen haben. Die Taliban entsprachen seinem Ersuchen, letztlich vermittelten sie ihm sogar eine afghanische Familie, die an einem anderen Kontrollpunkt wartete.
„Zu meiner Überraschung muss ich sagen, dass ich nach vielen Stunden begonnen habe, meine Gegenüber in den Verhandlungen zu verstehen. Als ich ihnen dann die Liste mit den Botschaftsangestellten zeigte und nach den noch fehlenden Familien fragte, gingen die Taliban zu dem zweiten Checkpoint und riefen die Familie aus. Dann haben sie mir diese vorgestellt, ich habe genickt und so bestätigt, dass es sich um die betreffenden Personen handelt. Das ging solange, bis die Liste abgearbeitet war.“
Diese schwierigen Verhandlungen erstreckten sich nach Aussagen des Kommandanten über sechs Stunden, bei 50 Grad Hitze, ohne Wasser und Essen. Der Soldat aber hatte das Ziel, so viele Menschen wie möglich zu retten. Als die jeweiligen Afghanen den Kontrollpunkt passieren durften, wurden sie von anderen Mitgliedern der KAMBA-Einheit zum Flughafen gebracht. Während der gesamten Verhandlungen war der tschechische Hauptmann per Mobil oder Satellitentelefon mit einem Vertreter des Krisenstabs in Prag verbunden. Dort wurde die Evakuierung der afghanischen Hilfskräfte koordiniert.
Dem Kommandanten ist es gelungen, alle 130 Menschen auf der Liste vor den Taliban zu retten. Gemeinsam mit dem tschechischen Botschafter in Kabul, Jiří Baloun, und seinem KAMBA-Team wurden alle mit der zweiten Evakuierungsmaschine ausgeflogen. Tschechien hatte daraufhin noch ein drittes Flugzeug nach Kabul geschickt. Neben den tschechischen Bürgern und zwei Polinnen wurden bei allen drei Flügen insgesamt 170 Afghanen nach Prag gebracht.