Mit beginnendem Winter öffnen Notunterkünfte für Menschen ohne Obdach
Mit dem ersten Schneefall wurden in Tschechien auch wieder die Notunterkünfte für Menschen ohne Obdach geöffnet. In Prag stehen mehrere hundert Betten zur Verfügung. Sie reichen aber bei Weitem nicht aus für die geschätzte Zahl der Bedürftigen. Zudem erfordert die Corona-Pandemie immer noch besondere Vorkehrungen.
Nach der letzten Erhebung des Ministeriums für Arbeit und Soziales waren im Jahr 2019 knapp 24.000 Menschen in Tschechien ohne Obdach, darunter 2600 Kinder. In Prag leben aktuellen Schätzungen zufolge etwa 5000 Menschen auf der Straße. Für sie alle können die Winternächte lebensbedrohlich sein. Darum erweitern Hilfsorganisationen alljährlich am 1. Dezember ihr Angebot an Notübernachtungen. Der Magistrat der Hauptstadt bietet in Zusammenarbeit mit NGOs derzeit insgesamt etwa 540 Betten an.
Am bekanntesten ist wohl das Schiff „Hermes“, das am Flussufer direkt unter der Letná-Ebene ankert und ganzjährig geöffnet ist. Am meisten genutzt wird es aber im Winter, berichtet Martin Šimáček, der Leiter des Zentrums für soziale Dienste Prag:
„Der Service von ‚Hermes‘ ist wirklich sehr niederschwellig. Wir bieten Sofortunterkünfte an für Menschen, die zu erfrieren drohen, wenn sie draußen übernachten würden. Dies gilt auch für stark alkoholisierte Menschen. Nur wenn wir Bedenken haben und die Person ein Risiko für andere oder auch für sich selbst darstellt, schicken wir sie in die Ausnüchterungszelle.“
Auch in den anderen Regionen Tschechiens stehen die Notunterkünfte wieder zur Verfügung. In ländlichen Gebieten ist das Angebot allerdings oft nicht flächendeckend. Die Einrichtung der Caritas in Šternberk / Sternberg nördlich von Olomouc / Olmütz verfügt über sechs Betten. Dana Axmannová leitet das örtliche Caritas-Büro:
„Wir haben nun den Nachtbetrieb aufgenommen. In der gesamten Region Šternberk gibt es ansonsten keinen Unterkunftsdienst, der Menschen, die auf der Straße leben, Übernachtungsmöglichkeiten anbieten würde.“
Im zweiten Jahr der Corona-Pandemie sind weiterhin strenge hygienische Maßnahmen erforderlich. Neben Desinfektionsmitteln und Atemschutzmasken würden dazu auch abgetrennte Räumlichkeiten gehören, so Martin Šimáček:
„Bei Bedarf messen wir die Temperatur. Falls jemand Symptome hat, schläft derjenige getrennt von den anderen Klienten. Räume zur Isolation gibt es in allen unseren Einrichtungen. Zudem können wird jederzeit Selbsttests durchführen.“
Bei einem positiven Befund wird der Betreffende zum PCR-Test geschickt, für eine eventuell folgende Quarantäne sind gesonderte Unterkünfte vorgesehen. Schon im vergangenen Jahr wurden etwa auch Hostels für mehrtätige Aufenthalte genutzt.
Für eine bessere Kommunikation in Sachen Coronavirus sind sogenannte Interventionsteams in den Straßen von Prag unterwegs. Sie bieten Menschen ohne Obdach unter anderem Impfungen an. Nach Schätzungen der Stadträtin Milena Johnová (Praha sobě) sind etwa 500 von ihnen bereits immunisiert. Und Jan Desenský von der Heilsarmee führt aus:
„Wir sind in der Lage, innerhalb eines Tages ein Team mit Sozialarbeitern und Sanitätern zusammenzustellen und eine Impfstelle einzurichten. Diese ist auch für Menschen ohne Ausweis zugänglich.“
Kommunikationsangebote gibt es auch vermehrt online. Das Prager Zentrum für soziale Dienste etwa betreibt die Webseite bezdomova.eu, auf der Informationen zu finden sind sowohl für Personen, die eine Notunterkunft brauchen, als auch für Menschen, die helfen wollen. Die Heilsarmee wiederum bietet unter noclezenka.cz einen Spendendienst für sogenannte nocleženky an. Dies sind Gutscheine über 100 Kronen (4 Euro), die Bedürftigen eine Übernachtung in den Einrichtungen der Organisation ermöglichen.
Die Winterunterkünfte in Prag bleiben bis Ende März kommenden Jahres geöffnet, bei schlechter Wetterlage eventuell auch länger.