Neujahrsansprache: Premier Fiala stellt Tschechen auf schwieriges Jahr ein
Premier Petr Fiala hat seine erste Neujahrsansprache gehalten. Er machte auf drei ernsthaften Probleme aufmerksam, mit denen sich Tschechien in den kommenden Monaten auseinandersetzen muss: die Inflation, die steigenden Energiepreise sowie die Corona-Pandemie.
35 Tage nach seiner Ernennung zum tschechischen Ministerpräsidenten wandte sich Petr Fiala (Bürgerdemokraten) am Samstag in einer Neujahrsansprache an die Bürger:
„Dieses Jahr wird vermutlich eines der schwierigsten Jahre seit Entstehen der selbständigen Tschechischen Republik. Wir werden Probleme lösen müssen, die von außen kommen. Aber es gibt auch Probleme, die wir selbst verursacht haben. Diese sind dadurch entstanden, dass das vorherige Regierungskabinett nicht an die Zukunft gedacht hat. Es hat wortwörtlich von einem Tag auf den anderen gelebt.“
Ex-Premier und Oligarch Andrej Babiš (Partei Ano) wies diese Kritik im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen zurück:
„Ich weiß nicht, warum Premier Fiala sagt, dass wir die Zukunft nicht berücksichtigt hätten. Wir haben sehr wohl darauf geachtet und unter anderem einen nationalen Investitionsplan zusammengestellt.“
In seiner Neujahrsrede sprach Petr Fiala des Weiteren über die Inflation und die steigenden Energiepreise. Der Weg aus der Energiekrise führe seiner Ansicht nach über die Kernenergie sowie über Investitionen in erneuerbare Energiequellen. Der Premier fügte zudem eine Warnung hinzu:
„Es ist notwendig, vor verschiedenen politischen Erlösern und Populisten zu warnen, die die Lage zu missbrauchen versuchen. Sie behaupten, es gebe einfache Lösungen und dass es reiche, einfach etwas abzulehnen oder aus einem Bündnis auszutreten. Das stimmt nicht. Für komplizierte Probleme gibt es nie einfache Lösungen.“
Er sei überzeugt, dass Tschechiens anstehende EU-Ratspräsidentschaft dem Land bei der Bewältigung der Wirtschafts- und der Energiekrise helfen könne, fuhr der Premier fort. Er sehe in dem EU-Vorsitz eine Chance, mehr gesehen und gehört zu werden. Der vergangenen Regierung Babiš warf Fiala vor, dass sie nicht genügend für die Vorbereitungen auf die Ratspräsidentschaft unternommen habe.
Nach Meinung der Vorsitzenden der Koalitionsparteien ist es Petr Fiala mit seiner Rede gelungen, die Hauptprobleme des Landes sowie Lösungen aufzuzeigen. Der Vorsitzende der Christdemokraten und Arbeitsminister Marian Jurečka dazu:
„Der Premier hat die brennendsten Probleme benannt. Ich meine, er hat sachlich und zum Hauptthema gesprochen. Zudem hat er an die Humanität und die Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen appelliert. In der Ansprache wurde alles Wesentliche beschrieben, was beschrieben werden konnte.“
Unzufrieden mit der Neujahrsansprache war der Vorsitzende der oppositionellen Rechtsaußenpartei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD), Tomio Okamura:
„Mich hat die Ansprache enttäuscht, weil sie allzu oberflächlich war. Sie hat keine Lösung angeboten.“
Andere Kommentatoren lobten Fialas Ansprache in den tschechischen Medien als inhaltsreich und würdigten den Appell an Einheit und persönliche Verantwortung. Es sei ein angenehmer Wechsel, hieß es, nach all den Jahren, in denen die Menschen vor allem Selbstlob, Vorwürfe und auf Marketing abzielende Erklärungen gehört haben.
Weiter in der Geschichte zurück ging der Kommentator des Tschechischen Rundfunks, Ondřej Konrád. Im Zusammenhang mit dem Begriff „Neujahrsansprache“ würden sich viele Tschechen an die berühmte Rede von Präsident Václav Havel von 1990 erinnern. Diese habe im krassen Widerspruch gestanden zu den Ansprachen seines Amtsvorgängers, des kommunistischen Staatsoberhaupts Gustáv Husák, der wiederum laut Konrád immer nur eine „rosarote Wirklichkeit“ geschildert habe. Fiala ähnele Havel ein wenig darin, dass er offen über den Stand der Dinge spreche, so Konrád weiter. In seiner Überzeugung, dass die Probleme auch zu lösen seien, wirke Fiala glaubwürdig, zivilisiert und würdevoll, merkte der Kommentator an.