Tschechien bereitet Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine vor
Tschechien ist nach Aussagen von Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) vorbereitet auf eine mögliche Verschärfung der Lage an der ukrainisch-russischen Grenze. Am Montag hat dazu mehr als zwei Stunden lang der staatliche Sicherheitsrat getagt.
Sollte in der Ukraine ein kriegerischer Konflikt ausbrechen, könnten in Tschechien Geflüchtete aufgenommen werden. Und dies in verschiedenem Umfang, wie Premier Fiala vor Journalisten nach der außerordentlichen Sitzung des staatlichen Sicherheitsrates am Montag mitteilte:
„Sollte eine solche Situation eintreten – was sich allerdings niemand wünscht –, dann sind alle zuständigen Organe und Ministerien darauf vorbereitet, sie bewältigen zu können.“
In dem Gremium wurden Fiala zufolge unterschiedliche Szenarien einer verschärften Lage in der Ukraine besprochen. Tschechien könne etwa humanitäre Hilfe vor Ort leisten oder Soldaten in die Slowakei an die ukrainische Grenze schicken. Materielle Hilfe habe man schon bereitgestellt, erinnerte der Premier. Das hiesige Verteidigungsministerium hatte der Ukraine unlängst 4000 Stück Artilleriemunition zukommen lassen. Fiala dazu:
„Im Moment planen wir keinen weiteren solch konkreten Schritt. Wir werden aber auf weitere mögliche Anfragen von ukrainischer Seite reagieren können. Natürlich ziehen wir alle Varianten in Betracht.“
Genaueres war auf der Pressekonferenz am Montag nicht zu vernehmen. Und auch Martin Smolek, Staatssekretär im Außenministerium, gab nur wenig mehr Details bekannt bei einem Interview in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks am Dienstagmorgen. Gefragt nach der Flüchtlingshilfe sagte er:
„Dabei handelt es sich zunächst um Hilfsangebote für Menschen tschechischer Herkunft. Diese haben wir der Ukraine schon in der Vergangenheit zukommen lassen. Bisher betraf dies nur kleine Gruppen. Falls es demnächst größere Zahlen zu bewältigen gibt, wird dies umfassendere Mechanismen erfordern. Das ist dann vor allem die Angelegenheit des Innenministeriums, das Vorgaben für diese Fälle hat.“
Für Menschen, die nicht tschechischer Herkunft sind und hierzulande Asyl beantragen wollen, gibt es laut Smolek ausgearbeitete Logistikpläne, die etwa die Unterkunftsfrage regeln.
Premier Fiala glaubt nach eigenen Worten allerdings weiter daran, dass die Lage an der ukrainisch-russischen Grenze mit diplomatischen Mitteln beruhigt werden kann. Weltweit herrschen derzeit Bedenken wegen eines möglichen Einmarschs russischer Truppen. Diese sind mit einer Stärke von etwa 130.000 Personen vor der Ukraine stationiert. Das US-amerikanische Nachrichtenportal Politico schrieb mit Berufung auf drei offizielle Quellen in Washington und Europa, dass eine Invasion für den 16. Februar, also diesen Mittwoch zu erwarten sei.
Entsprechend wurden in den vergangenen Tagen auch in der tschechischen Botschaft in Kiew Vorbereitungen getroffen. Es gilt der Aufruf an alle tschechischen Staatsbürger, die sich momentan in der Ukraine aufhalten, das Land möglichst bald zu verlassen. Außenstaatssekretär Smolek:
„In unserem System haben sich bisher 150 Menschen freiwillig registriert. Dies ist ein deutlicher Anstieg seit Freitag, als es noch 69 waren. Etwa auf diesem Niveau wird sich unsere Kommunikation vermutlich weiter bewegen. Aber nur einige Dutzend dieser Menschen werden konkrete Hilfe brauchen.“
Weiter haben sowohl die Botschaft als auch das Konsulat in Lwiw Nottelefone eingerichtet, die 24 Stunden am Tag erreichbar sind.
Nach Angaben des Innenministeriums haben seit der Krimkrise 2014 bis heute 55 Menschen aus der Ukraine in Tschechien Asyl erhalten. Weiteren 404 Personen wurde ein vorübergehender Schutzstatus zugesprochen. Entsprechende Anträge gab es in der Zeit insgesamt 3806. Die Volkszählung im vergangenen Jahr hat ergeben, dass die Ukrainer inzwischen mit fast 30 Prozent die größte Ausländergruppe hierzulande bilden. Derzeit leben gut 150.000 Menschen ukrainischer Herkunft in Tschechien.