„Suche nach einheitlichen Maßnahmen als Hauptaufgabe“ – Premier Fiala im Europäischen Parlament
Am 1. Juli hat Tschechien die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) hat am Mittwoch seine erste Rede im Europäischen Parlament gehalten.
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola leitete die Ansprache des tschechischen Premierministers ein. Sie betonte, Tschechien habe die Ratspräsidentschaft in einem Wendemoment übernommen. Die Politikerin erinnerte daran, dass Petr Fiala gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Slowenien und Polen schon Mitte März die damals von Russland belagerte ukrainische Metropole Kiew besuchte. Metsola versprach dem tschechischen Ministerpräsidenten Unterstützung in den nächsten Monaten.
Fiala eröffnete seine Rede vor den Europaabgeordneten auf Englisch. Die Schwerpunkte der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft stellte er aber in seiner Muttersprache vor. Monatelang sei an den Themen gearbeitet worden, der 24. Februar habe jedoch den Großteil der Pläne geändert, so der Politiker.
„Unsere Prioritäten spiegeln die neue Situation wider. Wir leben in einer Zeit, in der nahe der EU-Grenze ein Krieg verläuft. Es ist ein klassischer, konventioneller Konflikt, über den viele von uns meinten, dass er in Europa schon in die Vergangenheit gehört. Neben diesem konventionellen Krieg führt Russland jedoch auch einen hybriden Krieg. Russland ruft absichtlich eine Flüchtlingswelle hervor, nutzt Energierohstoffe als seine Waffe und ruft mit gezielten Angriffen auf die Infrastruktur eine Lebensmittelkrise hervor.“
Fiala erwähnte seinen Besuch in Kiew am 15. März. Damals habe er das Heldentum der Ukrainer gesehen, so der Premier. Sie kämpften und kämpfen seinen Worten zufolge weiterhin für das Recht auf Existenz sowie das Recht, zu den westlichen, demokratischen Ländern zählen zu können.
„Dies hat mich daran erinnert, dass unsere Werte nicht selbstverständlich sind, und dass es notwendig ist, sie täglich zu verteidigen. Die Werte, für die die Menschen in der Ukraine heute sterben, sind Werte, die auch einer der Begründer des modernen tschechischen Staates, Präsident Václav Havel, verteidigt hat. Sein inspirierendes Essay von 1996 führte uns zum Motto unserer Ratspräsidentschaft ,Europa als Aufgabe‘.“
Als die Hauptaufgabe für die nächste Zeit bezeichnete Fiala die Suche nach starken und einheitlichen Maßnahmen, die die negativen Auswirkungen der gegenwärtigen Krisen auf die Bürger möglichst lindern würden. Denn die Inflation, die Probleme mit der Energie sowie die Lebensmittelkrise seien, so der Premier, Drohungen, denen Europa am besten gemeinsam entgegenwirken müsse. Fiala betonte, Tschechien werde sich bemühen, alle Meinungen, die in den Diskussionen erklingen, zu respektieren, und merkte an:
„Wir müssen immer nach einer möglichst breiten Übereinstimmung suchen. Wir müssen die Haltungen der anderen berücksichtigen, auch wenn wir ihnen nicht zustimmen. Havels Worte über Europa als Aufgabe entstanden in einer anderen Zeit. Aber ihr Inhalt ist weiterhin stark. Wir sehen das Motto ,rethink, rebuild, repower‘ als unsere Aufgabe. Das Motto zeigt die Herausforderungen des heutigen Europas und unsere Reaktion darauf.“
Der tschechische Premier beschrieb die Prioritäten der EU-Ratspräsidentschaft, die sein Regierungskabinett schon zuvor präsentiert hatte. Die erste Priorität sei die Bewältigung der Flüchtlingskrise und der Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg. Zu den direkten Folgen der russischen Aggression gehört laut Fiala die massivste Flüchtlingswelle seit dem Zweiten Weltkrieg. Tschechien sei eines der Länder mit der höchsten Zahl ukrainischer Geflüchteter pro Kopf, merkte der Premier an und fügte hinzu:
„Mit der russischen imperialen Politik haben auch wir unsere bitteren Erfahrungen gemacht. Wir wissen, wozu die aggressive Politik Russlands führen kann. Die Tschechische Republik ist deshalb davon überzeugt, dass eine politische und militärische Unterstützung der Ukraine durch die EU im Interesse der gesamten Union ist und sich auf die Zukunft des Kontinents auswirken wird.“
Die EU muss Fialas Worten zufolge die Hauptrolle beim Wiederaufbau der Ukraine spielen. Dies sei am Montag auf der Konferenz in Lugano bestätigt worden.
Der Premier ging auch auf die weiteren Prioritäten ein. Dazu gehört etwa die Energiesicherheit.
„Die jetzige Krise hat gezeigt, in wieweit für die EU wichtig ist, von Ländern unabhängig zu werden, die unsere Sicherheit gefährden. Die Rede ist natürlich von Gas, Erdöl und Kohle aus Russland. Wir möchten an gemeinsamen Projekten arbeiten, um die Abhängigkeit von Russland hinter uns zu lassen.“
Als weitere Schwerpunkte nannte der Premier die Erhöhung der europäischen Verteidigungskapazitäten, die Cyber-Sicherheit, die strategische Widerstandsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und die Widerstandsfähigkeit demokratischer Institutionen.
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