Ehrenamt mit Talar: Den tschechischen Gerichten fehlt es an Schöffen
In Tschechien nennt man sie auch „soudci z lidu“, also die „Richter aus dem Volk“. Schöffen helfen ehrenamtlich bei der Rechtsprechung mit. Aber den hiesigen Gerichten fehlt es an diesen engagierten Laien.
Eine Reihe von Gerichten in Tschechien klagt über einen Mangel an Schöffen. Dabei ist die Teilnahme dieser ehrenamtlichen Richter bei einem Großteil der Strafverfahren und auch zur Fällung von arbeitsrechtlichen Urteilen hierzulande gesetzlich vorgeschrieben. Miloš Růžička jedenfalls macht diese Nebentätigkeit viel Spaß…
„Mein erster Fall war gleich ein Mord. Ich hatte gar nicht erwartet, dass ich von Anfang an bei so etwas urteilen würde. Das war für mich alles noch ganz neu. Ich habe zwar keine entsprechende Ausbildung, aber mich interessiert alles, was mit Gerichten und Anwälten zu tun hat. Ich habe dazu schon viele Filme gesehen, sowohl aus westlicher Produktion, als auch aus tschechischer.“
Růžička verkauft im normalen Leben Computer. Seit 2019 hilft er aber auch am Kreisgericht in Prag aus. Etwa sieben- oder achtmal im Jahr, so schätzt er selbst, ziehe er sich als Schöffe den Talar über.
Laienrichter wie Růžička sitzen in der Verhandlung an der Seite des vorsitzenden Richters. Sie haben das Recht, Akten einzusehen, befragen Zeugen und beteiligen sich am Ende an der Entscheidung über das Strafmaß.
Die vergangene Regierung unter Andrej Babiš (Ano) wollte die Schöffen für die meisten Strafverfahren schon abschaffen. Die obere Parlamentskammer hat dies aber abgewehrt. Damit benötigen die Gerichte des Landes eine hohe Zahl an ehrenamtlichen Talarträgern. So etwa das Kreisgericht in Plzeň / Pilsen:
„Im Idealfall müsste jeder Senat unseres Gerichts mit drei bis vier Schöffen aufgestockt werden. Dies würde bedeuten, ihre Zahl bei uns um etwa 20 Personen zu erhöhen“,
so Gerichtssprecherin Jana Rubášová. Derzeit arbeite die Einrichtung mit 69 ehrenamtlichen Richtern. Dies sei zu wenig, und bei einer Vertagung würden sich Verfahren wegen der schwierigen Terminfindung deswegen in die Länge ziehen, beschreibt Rubášová das Problem.
Für ein Strafverfahren brauchten die Bezirksgerichte in Tschechien 2020 durchschnittlich fast sieben Monate. Zivilverfahren dauerten sogar mehr als neun Monate. Zeitliche Verzögerungen würde man gern auch beim Bezirksgericht in Liberec / Reichenberg beheben, aber dort gibt es mit 55 Schöffen nur halb so viele wie nötig. Dabei sind die Anforderungen nicht hoch. Ein Bewerber muss mindestens 30 Jahre alt sein und darf keine Vorstrafen haben. Jiří Wažik, Richter am Kreisgericht in Prag, beschreibt die Arbeit mit den Laienrichtern:
„Ich wiederhole immer wieder gern, dass ich die Entscheidungsfindung mit ihnen in meinem Senat sehr mag. Zum einen sitze ich bei komplizierten Fällen dann nicht alleine vor den beiden Verfahrensseiten. Zum anderen haben die Ehrenamtlichen manchmal andere Auffassung oder weisen auf etwas hin, das mir ansonsten entgangen wäre.“
60 Prozent aller Schöffen in Tschechien waren im vergangenen Jahre bereits im Rentenalter, so die Daten des Justizministeriums. Im Kreisgericht Ostrava / Ostrau würden vor allem Menschen mit Berufserfahrungen in der Verwaltung dieses Ehrenamt ausüben, beschreibt der dortige Richter Igor Krajdl:
„Es gibt bei uns einige Polizisten, viele Beamte und auch ehemalige Beschäftigte der Gefängnisverwaltung. Natürlich finden sich aber ebenso Unternehmer, die sich ihre Zeit entsprechend einteilen können. Zudem helfen uns einige Lehrer sowie ein Schuldirektor. Es ist also ganz verschieden.“
Schöffen werden von der Gemeinde- oder Kreisvertretung auf eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. Neben Gehalts- und Kostenerstattungen werden den sogenannten „Richtern aus dem Volk“ 150 Kronen (etwa sechs Euro) pro Verhandlungstag ausgezahlt. Dieser Tarif wurde seit 25 Jahren nicht erhöht.