„Atemberaubende Dreistigkeit“ - Politologe Schuster über Korruption und Strafverfolgung in Tschechien
Das tschechische Justizsystem gilt seit Jahren als Problemfall. War früher die chronische Unterbesetzung von Gerichten und Staatsanwaltschaften das größte Problem, steht man heute vor einer ganz anderen Herausforderung, die sich nicht so leicht mit der Aufstockung von Planstellen oder höheren Gehältern lösen lässt: Es geht um die Wahrung der Unabhängigkeit der Justizbehörden, vor allem gegenüber der Politik. Über die Dauerkrise des tschechischen Justizapparats nun der Politologe und Radio-Prag-Mitarbeiter Robert Schuster.
„In der Öffentlichkeit hat er sich bisher eher zurückgehalten. Doch hinter den Kulissen soll es schon sehr weitreichende Veränderungsvorschläge für das Justizsystem geben, vor allem für die Staatsanwaltschaft. Er möchte beispielsweise die Unabhängigkeit des Oberstaatsanwalts dadurch sichern, dass dieser künftig nur noch eine Amtszeit lang seinen Posten innehaben darf. Damit wäre ausgeschlossen, dass er in Erwartung einer erneuten Aufstellung Fälle zugunsten der Politik entscheidet. Zeman hat außerdem vor, die mittlere Justizebene und die mittlere Staatsanwaltschaftsebene aufzulösen, um die Arbeit effizienter zu gestalten. Das betrifft die Oberstaatsanwaltschaften in Prag und in Olmütz. Allerdings sind bereits diese ersten Vorschläge auf erheblichen politischen Widerstand gestoßen, vor allem bei der größten Regierungspartei, der ODS von Premierminister Petr Nečas.“
Ende vergangener Woche wurde bekannt, dass Justizminister Jiří Pospíšil den umstrittenen Leiter der Prager Oberstaatsanwaltschaft, Vlastimil Rampula, des Amtes enthoben hat. Was sind die Hintergründe dieser Entscheidung?„Vlastimil Rampula wird schon seit vielen Jahren vorgeworfen, dass Fälle von Korruption und Amtsmissbrauch in seinem Wirkungsbereich, dem böhmischen Teil Tschechiens, plötzlich nicht mehr verfolgt werden. Große Fälle werden mit einem Mal auf Eis gelegt. Es wird angenommen, dass Vlastimil Rampula mit den betroffenen politischen Gruppierungen eng verbunden ist und verhindert, dass diese Fälle aufgedeckt werden. Seine Abberufung ist ein erster Schritt, um dieses fast mafia-artige Zusammenleben zwischen Politik und Justiz zu lösen. Doch eine einzige Schwalbe macht noch keinen Frühling, und die Abberufung eines einzigen Staatsanwaltes, wenn auch des Oberstaatsanwalts, kann noch keine Änderung des ganzen Systems verursachen. Das wird noch einige Zeit dauern.“