Umstrittener Staatsanwalt geht - Frage nach der Unabhängigkeit der Justiz bleibt
Ein Aufatmen war vergangene Woche im tschechischen Justizapparat zu spüren. Das Oberste Verwaltungsgericht hatte im Fall der Besetzung der Oberstaatsanwaltschaft in Prag entschieden. Doch eine einzige Personalentscheidung allein wird wohl nicht reichen, um die in Verruf geratene tschechische Staatsanwaltschaft in eine wirklich unabhängige Institution zu verwandeln.
Bemerkenswert an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts war nicht zuletzt eine Passage in der Urteilsbegründung. Darin wurde nämlich unter anderem festgehalten, dass die Staatsanwälte nicht – Zitat – „eine Gruppe anonymer Beamter, sondern moralisch integrer und mutiger Menschen sein sollten“. Der Vorsitzende des Obersten Verwaltungsgerichts, Josef Baxa, erklärte gegenüber dem Tschechischen Rundfunk die Beweggründe für diese Entscheidung:
„Es war keine leichte Entscheidung, es hat sich um den ersten Fall dieser Art gehandelt. Bislang musste sich das Verwaltungsgericht nie mit der Frage befassen, ob die Verfehlungen eines Oberstaatsanwaltes tatsächlich seine Abberufung rechtfertigen. Es ging also nicht um formale, sondern um inhaltliche Fragen. Das war ziemlich kompliziert und insofern haben wir bei dem gesamten Verfahren auf einem Pfad bewegt, den vor uns noch niemand beschritten hat.“
Das Oberste Verwaltungsgericht hat nun den Fall wieder an das Prager Stadtgericht zurückgegeben. Dieses Gericht in der Hauptstadt hatte mit seiner Entscheidung von Anfang diesen Jahres die Rückkehr Vlastimil Rampulas ermöglicht und somit den bis dahin nur hinter den Kulissen tobenden so genannten „Krieg der Staatsanwälte“ offengelegt. Diesmal muss sich allerdings das Stadtgericht an die Intentionen des Verwaltungsgerichts halten. Das würde bedeuten, dass die Klage von Oberstaatsanwalt Rampula zurückgewiesen wird und er sein Amt endgültig verlassen muss. Josef Baxa erläutert die wichtigsten Verfehlungen Rampulas aus der Sicht des Obersten Verwaltungsgerichts:„Das war eine besondere Kombination von Fällen, in denen sein Amt ausgesprochen passiv war – obwohl der Stand der Dinge wohl eine andere Verhaltensweise erfordert hätte. In anderen Situationen ließ die Staatsanwaltschaft Verfahren zu den Akten legen, noch bevor überhaupt mit den Ermittlungen richtig begonnen werden konnte. Herrn Rampulas Aufgabe wäre es gewesen, hier mehr aufzupassen und stärker zu führen. Die Probleme in der Prager Oberstaatsanwaltschaft waren schon länger bekannt. Es gab ja sogar interne Untersuchungen, die in der Vergangenheit von der Obersten Staatsanwaltschaft angeordnet worden waren und auf Probleme in Rampulas Wirkungsbereich hinwiesen. Doch er unternahm nichts, um die Missstände zu beheben, obwohl er informiert war.“ Besonders markant waren die Verfehlungen in der so genannten Gripen-Affäre, wo es um vermeintliche Schmiergeldzahlungen an tschechische Politiker im Zusammenhang mit der Anschaffung neuer Kampfjets für die Armee ging. Hier gab es eine klare Anweisung der Obersten Staatsanwaltschaft in Schweden ein Rechtshilfeantrag zu stellen, was Rampula allerdings unterließ.Selten wurde eine Gerichtsentscheidung in Tschechien mit so viel Aufmerksamkeit verfolgt, wie jene im Fall Rampula. Die anschließenden Reaktionen waren dabei durchgehend positiv. Sogar die sozialdemokratische Opposition, die ansonsten gerade an der Politik des bürgerlichen Justizministers Pospíšil kein gutes Haar lässt, zeigte sich zufrieden. Der sozialdemokratische Senator und Justizexperte Jiří Dienstbier:
„Ich hätte genau so verfahren. Ich denke, die Entscheidung Rampula abzuberufen, war richtig. Entscheidend ist, dass es während seiner Amtszeit zu schweren Verfehlungen gekommen ist, und die Oberstaatsanwaltschaft alle großen und politisch brisanten Fälle unter den Teppich gekehrt hat. Es geht also nicht konkret um die Person dieses einen Staatsanwalts, sondern um das Vertrauen der breiten Öffentlichkeit in eine Staatsanwaltschaft, die in allen Fällen gleich agieren sollte.“Nun müsse sichergestellt werden, so Dienstbier weiter, dass jemand an die Spitze der Oberstaatsanwaltschaft in Prag nominiert wird, der tatsächlich auch nach außen hin die politische Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft verkörpern kann.
„Die Veränderung sollte darin bestehen, an die Spitze der Oberstaatsanwaltschaft jemanden kompetenten zu berufen, der in allen Fällen mit politischem Hintergrund völlig unparteiisch ermittelt - und nicht nur dann, wenn es ihm geeignet erscheint“, so Jiří Dienstbier.In diesem Sinne äußert sich seit langem auch der Oberste Staatsanwalt Tschechiens, Pavel Zeman. Er hat vor geraumer Zeit eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet mit dem Ziel, die Staatsanwaltschaft in eine wirklich unabhängige Institution umzuwandeln. Das soll sich bereits in der neuen Ernennungspraxis der führenden Staatsanwälte zeigen. Bisher konnte der Oberste Staatsanwalt genauso wie die Oberen Staatsanwälte von der Regierung beziehungsweise vom Justizminister abberufen werden. Nach der Vorstellung Zemans würden die Staatsanwälte aber künftig für eine festgeschriebene Amtszeit ernannt und könnten während dieses Zeitraums von den Politikern nicht entlassen werden, wie er gegenüber dem Tschechischen Rundfunk erklärte:
„Die Frage ist, welche Staatsanwaltschaft wir haben wollen? Wie effizient soll sie arbeiten? Wie soll sie gegen Kriminalität und Korruption vorgehen? Das sind alles Fragen, die wir uns stellen müssen. Ich bin der Meinung, dass dies alles nur möglich ist, wenn wir den Politikern die Möglichkeit nehmen, über das Führungspersonal zu bestimmen. Ich denke, dass eine solche Lösung sogar für die Politiker selbst von Nutzen wäre. Wenn ein Staatsanwalt für eine Amtszeit von sieben oder zehn Jahren ernannt würde, dann könnte er mehrere Regierungswechsel überstehen und ungeachtet der aktuellen politischen Kräfteverhältnisse weiterarbeiten.“