Pater Sládek, Seelsorger der Tschechen in Wien: Ich habe noch viel Arbeit vor mir
Pater Václav Sládek betreut seit drei Jahren die tschechische katholische Gemeinde in Wien. Im folgenden Interview spricht er über seine Arbeit, die Aufgaben und Aufforderungen.
„In Wien gibt es zwei Orte, an denen man eine tschechische Messe hören kann. Es ist Maria am Gestade und die Erlöserkirche am Rennweg“, sagt Václav Sládek.
Der Pater ist seit drei Jahren Seelsorger der tschechischen Gemeinde in der österreichischen Hauptstadt und verbindet durch seine Tätigkeit die dortigen tschechischen Katholiken.
„Die tschechischen Gottesdienste haben eine 200 Jahre lange Tradition. Die erste Messe für die Tschechen wurde um 1820 in der Kirche Maria am Gestade gefeiert. Es war die heilige Weihnachtsmesse. Kaiser Franz I. hat die Kirche und das Kloster den Redemptoristen gegeben, mit der Aufgabe, dass dieser Orden die tschechischen Messen für Tschechen in Wien feiern sollen. Die Erlöserkirche am Rennweg hat eine etwas kürzere Tradition. Die erste tschechische Messe wurde dort 1908 oder 1909 gefeiert“, so Sládek
Im Kloster der Redemptoristen erzählt der Pater von seinen Aufgaben und seinem Alltag in Wien:
„Im Dekret steht, dass ich Seelsorger für die Tschechen in der Erzdiözese Wien bin. Ich habe auch viele Schafe außerhalb der Stadt. Jeder Tag ist unterschiedlich: Ich habe viele Treffen, mache auch die Vorbereitungen für Erstkommunion und Firmung. Was wichtig ist und auch in der Corona-Zeit sehr wichtig war: Ich habe viele Beichten gehalten. Viele Leute kamen zu mir, die Beichten haben täglich drei bis vier Stunden Zeit in Anspruch genommen.“
200 Jahre tschechische Gottesdienste
Die tschechische Gemeinde in Wien sei nicht groß, sagt Pater Sládek Es gebe jetzt ungefähr 60 Mitglieder, die die Messen regelmäßig besuchten:
„Das Potential ist größer, aber viele Tschechen gehen zu deutschen Messen. Sie brauchen die tschechische Sprache, die tschechische Messe nicht für ihr Leben. Das ist schade, weil die Gemeinde dann zu klein ist. Wir sind jetzt eigentlich an der Grenze zwischen Leben und Tod. Wir brauchen mehr junge Familien, um in die Zukunft gehen zu können. Ich sage immer, dass wir eine Familie sind – damit meine ich die kleine Gemeinde in Maria am Gestade und die Gemeinde am Rennweg. Die Leute spüren das aber nicht so, das ist ein Problem. Ich habe also noch viel Arbeit vor mir.“
Eine Quelle dürfe man nicht vergessen, betont der Priester.
„Das ist die tschechische Schule. Dort gibt es tschechisch-österreichische Familien, die ab und zu die Kirche besuchen. Sie besuchen aber nur deutsche Messen, weil der Vater – meist ist der Vater ein Österreicher – nur Deutsch spricht und kein Tschechisch versteht. Deshalb habe ich jetzt die Idee – und sie wird von der Diözese unterstützt –, mehr Deutsch in die tschechische Messe hineinzubringen und die Messe und die Sakramente zweisprachig zu feiern. Erstkommunion, Firmung oder Begräbnisse mache ich schon jetzt zweisprachig.“
Gerade in der Zweisprachigkeit sieht der Priester auch die Zukunft seiner Gemeinde:
„In Wien gibt es viele Familien, die tschechische Wurzeln haben und in fünfter oder sechster Generation in der Stadt leben. Diese Leute reden aber meist Deutsch und fühlen sich selbst als Österreicher. Sie besuchen dann eine österreichische Gemeinde. Ich habe in meiner Gemeinde ein oder zwei solche Familien.“
Der frühere Arbeitsort des Priesters in Tschechien war Bor u Tachova / Haid, eine Kleinstadt im nordwestlichen Teil Böhmens:
„Vielleicht kann ich Gottseidank sagen, weil die Lage dort die gleiche ist. Bor u Tachova ist sehr schön, aber auch sehr klein. Die Gemeinde hat viele Probleme, sie kämpft ums Überleben. Als ich nach Wien gekommen bin, habe ich ebenfalls eine kleine Gemeinde vorgefunden. Und auch die Mentalität ist die gleiche. Denn es handelt sich meistens um Menschen, die nach 1989 nach Wien gekommen sind, nicht um Emigranten aus der Zeit vor der Wende oder um alte Wiener Familien.“
Du gehst nach Wien…
Václav Sládek kommt aus der nordböhmischen Stadt Chomutov / Komotau. Schon als Kind hat er sich mit der Idee beschäftigt, im Kloster zu leben. Die Idee, sein Leben Gott zu weihen, kehrte in den Jugendjahren immer wieder zurück. Zunächst ging Sládek aber aufs Gymnasium, später studierte er Bauwesen an der Tschechischen Technischen Universität. Nach seinem Studium wechselte der junge Wasserbauingenieur mehrere Stellen. Im Alter von 30 Jahren entschloss er sich für das Leben eines Geistlichen. Er trat dem Orden der Kreuzherren mit dem Roten Stern bei. Nach seiner Priesterweihe ging er in die Gemeinde von Bor u Tachova. Von dort wurde er dann nach Wien berufen. Aber eigentlich hatte Pater Sládek gar nicht geplant, Tschechien zu verlassen…
„2014/2015 war ich in Karlsruhe. Ich habe dort im Rahmen des Erasmus-Austauschprogrammes an der Technischen Universität studiert und meine Doktorarbeit gemacht. Nach einem Jahr kam ich zurück nach Tschechien und sagte zu mir: Nein, ich möchte nie mehr im Ausland leben. Ich bin Bauingenieur. Nach dem Studium habe ich sechs oder sieben Jahre lang gearbeitet. 2012 bin ich dem Orden der Kreuzherren mit dem Roten Stern beigetreten. Und gerade dieser Orden hat mich nach Wien geschickt. Man sagte: ‚Du gehst nach Wien. Bei der Karlskirche am Karlsplatz gibt es eine Kommende und eine Pfarrgemeinde, und du wirst die Tschechen am Rennweg betreuen‘.“
Václav Sládek ist aber nicht nur in Wien tätig. Er wurde auch zum nationalen Koordinator der tschechischen Seelsorge in Österreich ernannt. Der Pater möchte gerne die Priester wieder miteinander vernetzen, so wie dies bis 2011 noch gewesen war. Dafür will er ein neues Modell auf die einzelnen Diözesen übertragen, das er zunächst in Wien aufzubauen plant:
„Wichtig ist, mit einer lebendigen österreichischen Pfarre zusammenzuarbeiten. Diese sollte eine Ministranten- und eine Seniorengruppe haben sowie Firmungen und die Erstkommunion vorbereiten. Das ist sehr wichtig, weil ich keine Mitarbeiter habe. In der Erzdiözese Wien gibt es ein ‚Missbrauchskonzept‘. Demzufolge müssen bei der Erstkommunionvorbereitung neben dem Priester noch zwei Erwachsene dabei sein. Aber ich bin alleine, und die Eltern haben keine Zeit. Deshalb brauchen wir eine österreichische Gemeinde, die diesen Service hat und uns helfen kann.“
Und eine Hoffnung gibt es. Pater Sládek ist nämlich seit Oktober in St. Othmar im dritten Wiener Stadtbezirk tätig…
„Das war für mich eine große Überraschung. Bischofsvikar Darius Schutzki sagte, dass er mich als seinen Kaplan möchte. Und das ist genau eine lebendige Pfarre, eine Muster-Pfarrgemeinde, würde ich sagen. Dort gibt es alles, was wir brauchen. Vielleicht werden wir dort in der Zukunft wirklich diese Zusammenarbeit zwischen Tschechen und Österreichern knüpfen können.“