Tschechien hat neuen Regierungsbevollmächtigten für den Wiederaufbau der Ukraine
Die tschechische Regierung hat das Amt eines Regierungsbevollmächtigten für den Wiederaufbau der Ukraine eingeführt. Mit der Rolle wurde vergangene Woche der bisherige Staatssekretär im Verteidigungsministerium Tomáš Kopečný betraut. Der Regierungsbevollmächtigte soll Ministerien, Firmen und NGOs verknüpfen, die der Ukraine helfen wollen.
Tschechien hat seit Neuestem einen Regierungsbevollmächtigten für den Wiederaufbau der Ukraine. Außenminister Jan Lipavský (Piraten) erläuterte bei der Pressekonferenz nach der Regierungssitzung vergangene Woche, warum dieser Posten geschaffen wurde:
„Weil es in Tschechien eine Vielzahl von Aktivitäten gibt – vonseiten der Regierung, Unternehmen oder NGOs –, haben wir das Amt ins Leben gerufen. Dadurch soll die Zusammenarbeit effektiver werden.“
Das Amt des Regierungsbevollmächtigten wird ab sofort Tomáš Kopečný bekleiden. Zu seinen Aufgaben sagt Außenminister Lipavský:
„Die Agenda von Herrn Kopečný wird auf die Koordination der tschechischen Unterstützung für die Ukraine ausgerichtet sein, dabei geht es um humanitäre Hilfe, Wiederaufbau, Verteidigung und Wirtschaft. Die Aufgaben sind nicht an ein Ministerium gebunden, deshalb handelt es sich auch um einen Regierungsbevollmächtigten. Er soll die einzelnen Ressorts verknüpfen und Tschechien mit geeinter Stimme nach außen vertreten. Das ist vor allem wichtig, wenn es um Beratungen auf internationaler Ebene geht.“
Hilfe im Bereich Energie steht im Fokus
Tomáš Kopečný arbeitete zuvor fast zehn Jahre beim tschechischen Verteidigungsministerium. Seit 2020 war er Staatssekretär, und in dieser Funktion organisierte er nach der russischen Invasion vor einem Jahr die tschechischen Waffenlieferungen in die Ukraine. Kopečný hat die Ukraine auch selbst besucht. Vom ukrainischen Präsidenten, Wolodymyr Selenskyj, wurde er für sein Engagement mit dem Verdienstorden dritter Klasse ausgezeichnet.
Was Kopečný als Regierungsbevollmächtigter nun als erstes angehen wolle, erläuterte er in der vergangenen Woche in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Sicherlich die Hilfe im Bereich Energie. Denn Russland will durch seine Angriffe auf die Energieinfrastruktur der Ukraine den Winter ausnutzen. Wir wollen außerdem unsere Hilfe besser koordinieren – das heißt die Unterstützung von Staat, Firmen und NGOs. Eine Schlüsselaufgabe wird es sein, die Gelder für die Vorhaben aufzutreiben.“
Kopečný wird nach seiner Ernennung nun auch den tschechischen Teil der Tschechisch-Ukrainischen Interparlamentarischen Kommission für die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Technik leiten.
Tschechische Unternehmen können helfen
Zur Ukraine-Hilfe sagt Kopečný, dass derzeit vor allem Generatoren und Stromtransformatoren geliefert werden müssten. Die Hilfe aus Tschechien sei für das ganze Land bestimmt, eine Region habe die Regierung nach wie vor aber besonders im Fokus, fügt Kopečný an:
„Die Oblast Dnipropetrowsk hat für die tschechische Regierung Priorität. Das Kabinett hat sich darauf mit der ukrainischen Regierung geeinigt. Wir konzentrieren uns auf dieses Gebiet, da die Gegend relativ nah an der Front liegt – die Schäden dort sind also verheerender als anderswo. Außerdem ist die Oblast eines der Handelszentren der Ukraine. Es gibt auch einige tschechische Unternehmen, die seit langem mit Firmen dort zusammenarbeiten – etwa im Bereich der Luftfahrtindustrie.“
Tschechische Unternehmen spielen auch bei der Hilfe für das Kriegsland eine große Rolle. Der Regierungsbevollmächtigte ist dabei für die Koordination verantwortlich. Kopečný verweist die eingehenden Anfragen und Angebote dabei an die jeweils zuständigen Ministerien, oder diese wenden sich direkt an ihn…
„Alles wird dann in einer neuen Koordinierungsgruppe besprochen. Dort wird zusammengefasst, welche Dinge Tschechien an die Ukraine liefern kann – sei es als Geschenk oder auf kommerzieller Basis. Letzteres kommt häufiger vor. Es ist dann meine Aufgabe, gemeinsam mit meinen Kollegen von den Ministerien – besonders aus dem für Verkehr oder dem für Industrie sowie dem Außenministerium, aber auch aus weiteren Ressorts – zu helfen, die Finanzierung zu klären. Das Geld kann entweder aus der Ukraine kommen oder etwa von reichen Staaten wie den G7.“
Teurer Wiederaufbau
Obwohl Tschechien die Ukraine seit der russischen Invasion massiv unterstütze, sei für den Wiederaufbau noch viel mehr Geld nötig, sagt Tomáš Kopečný:
„Die Schätzungen der Weltbank und der besten Wirtschaftswissenschaftler der Welt gehen von 600 bis 800 Milliarden Euro aus. Tschechien schickt 20 Millionen Euro in die Ukraine. Das ist also eine Zahl mit vier Stellen weniger als der Gesamtbedarf.“
Auf die Summe von 20 Millionen Euro für die Ukraine hat sich die tschechische Regierung im Oktober geeinigt. Der genannte Betrag soll jährlich von 2023 bis 2025 bereitgestellt werden. Durch die Summe sollen etwa Projekte in den Bereichen humanitäre Hilfe und Wiederaufbau sowie Stabilisierungsmaßnahmen ermöglicht werden.
Trotz der vergleichsweise kleinen Summe könne man beim Wiederaufbau mitreden, betont Regierungsbevollmächtigter Kopečný:
„Wir müssen uns auf Projekte konzentrieren, die für uns wie ein Sprungbrett funktionieren. Auch wenn wir nur wenig investieren können, entsteht für uns daraus vielleicht die Möglichkeit, sich an größeren Vorhaben zu beteiligen, die nicht mehr von Tschechien finanziert werden. Da wir dann gute Referenzen haben werden, weil Tschechien viel Geld aus der eigenen Staatskasse in die Ukraine geschickt hat, besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass tschechische Unternehmen und Institutionen größere Aufträge bekommen.“
Kopečný sieht dabei bereits konkrete Bereiche, in denen Tschechien helfen könne:
„Wir werden uns auf den Verkehrs- und den Energiesektor konzentrieren, denn das wird derzeit am meisten gebraucht. Aber auch das Gesundheitswesen kommt in Frage. So könnte Tschechien einen Beitrag dazu leisten, Krankenhäuser wiederaufzubauen. Ebenso ist die Bildung ein wichtiger Bereich. Die Kinder müssen wieder in die Schule gehen können. Acht Millionen Menschen sind innerhalb der Ukraine auf der Flucht. Das ist eine riesige Zahl. Den Menschen soll immerhin in Teilen ein normales Leben ermöglicht werden.“
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