Bei Regen aus einem Pfadfinderzelt: Der Beginn des Rundfunks in der Tschechoslowakei
Der Tschechische Rundfunk feiert genau 100 Jahre. Am 18. Mai 1923 begannen die regelmäßigen Radiosendungen in der damaligen Tschechoslowakei.
Radio war 1923 noch eine Sache für Technikpioniere. Zu ihnen gehörte Miloš Čtrnáctý, der in Prag als Journalist arbeitete. Zusammen mit anderen Begeisterten gründete er das Unternehmen Radiojournal.
„Damals gab es noch keine gesetzliche Regelung für Rundfunksendungen. Deswegen haben wir am 18. Mai 1923 aus einem geliehenen Zelt im Prager Vorort Kbely sozusagen schwarz gesendet“, so erinnerte sich Čtrnáctý rund zwei Monate vor seinem Tod im Jahr 1970. Mit Beginn der regelmäßigen Radiosendungen in der Tschechoslowakei wurde er damals für drei Jahre der erste Programmdirektor des Rundfunks.
Das besagte Zelt hatten die Betreiber bei den Pfadfindern geliehen. Im Innern standen einige Stühle und ein Klavier.
„Hallo, hallo, hier ist die Sendestation des Radiojournals in Kbely bei Prag“ – das erklang bei der ersten Übertragung aus dem Zelt. Leider gibt es keine Aufzeichnung der Sendung, deswegen hat der spätere Tschechoslowakische Rundfunk sie für ein Hörspiel nachgestellt. Die Tonqualität ist deutlich besser, als sie damals gewesen sein muss. Denn 1923 wurde bei der Technik improvisiert. Als Mikrofon diente etwa der untere Teil eines Telefonhörers. Dass es zudem draußen stürmte und regnete, machte die Sache nicht einfacher. Der sicher sehr verrauschten Sendung lauschten nur mehrere Dutzend Begeisterte.
Ab Juni 1923 veranstaltete das Radiojournal dann öffentliche Rundfunkübertragungen. Tomáš Pánek ist Archivar des Tschechischen Rundfunks:
„Zum Beispiel wurden auf dem Prager Wenzelsplatz Lautsprecher aufgebaut. Und die vorbeigehenden Menschen blieben erstaunt stehen.“
Zu Beginn übertrug der Rundfunk vor allem Musik. Dann kamen Börsenmeldungen und die Wettervorhersage hinzu, es gab erste Versuche von Sportreportagen, und man produzierte Hörspiele. Aber natürlich begannen auch Politiker, das neue Medium zu nutzen. Auf der ältesten erhaltenen Aufnahme ist Staatspräsident Tomáš Garrigue Masaryk zu hören. Masaryk sprach am 27. Oktober 1928, also am Vorabend der Feiern zum zehnjährigen Bestehen der Tschechoslowakischen Republik, zu den Kindern im Land.
„Diese Rede hat eine wichtige Bedeutung, weil sie direkt für das Rundfunkarchiv aufgezeichnet wurde“, sagt Pánek.
1933 zog der Rundfunk an seinen heutigen Sitz im Prager Stadtteil Vinohrady. Damals hatte man schon fast 600.000 sogenannte Konzessionäre. Denn jeder Hörer musste sein Radiogerät registrieren lassen und Rundfunkgebühren entrichten. Im Herbst 1937 wurde die neue Rekordzahl von einer Million Hörern erreicht. Dazu schrieb das Radiojournal einen Wettbewerb aus und loste unter 24.000 neuen Konzessionären einen Sieger aus. Die Überraschung dabei: Der Millionste Hörer war deutschsprachig. Er hieß Julius Richter und war Angestellter bei den Elektrizitätswerke in Bohosudov / Mariaschein am Rande des Erzgebirges. Richter entpuppte sich im Interview für das Radiojournal als radiobegeistert:
„Schon als der Rundfunk noch in den Anfängen war, ist es mein sehnlichster Wunsch gewesen, einen Empfänger zu besitzen. Aber die hohen Preise derselben und mein kleines Einkommen waren miteinander nicht in Einklang zu bringen. Mit zunehmender Vervollkommnung und der dadurch bedingten bedeutenden Verbilligung der Apparate entschloss ich mich, angeregt durch die Werbeaktion des Radiojournals in Prag ‚Der Millionste Rundfunkhörer der Tschechoslowakischen Republik‘, an dieser Aktion teilzunehmen. Ich bestellte mir einen Apparat, mit dem ich vollkommen zufrieden den Ereignissen lauschte, die in der Welt passierten.“
Julius Richter bekam 5000 Kronen als Siegergeld sowie zahlreiche Geschenke.