Prager Burg beherbergt wertvolle Textilien aus dem Mittelalter und der Renaissance

Rekonstruktion der Grabbeigaben und des Totenkleids Karls IV.

Mehr als tausend Jahre alt sind einige der Textilien in der Sammlung der Prager Burg. So gibt es dort zum Beispiel Grabgewänder der Heiligen Ludmilla und des Kaisers Karls IV. oder Festgewänder tschechischer Bischöfe. Nun wurde nach mehreren Jahrzehnten eine Untersuchung der Textilstücke abgeschlossen.

Kissenstoff aus der Grabausstattung von Ladislav Pohrobek | Foto: J. Gloc,  Verwaltung der Prager Burg

In einem Spezialdepot auf der Prager Burg werden rund 270 größere oder kleinere Stücke von kostbaren Stoffen aus dem frühen Mittelalter bis zur Renaissance aufbewahrt. Milena Bravermanová vom Archäologischen Institut der tschechischen Akademie der Wissenschaften befasst sich seit über dreißig Jahren mit der Erforschung dieser Textilien. Sie weist auf ein Stück aus dem 10. Jahrhundert hin:

Teil der Grabbeigabe einer der Ehefrauen Karls IV. | Foto:  J. Gloc,  Verwaltung der Prager Burg

„Eine der ältesten Textilien stammt aus dem Grab von Boleslav II. Es ist das Schnürband der Strümpfe. Es wurde in Byzanz, in Konstantinopel gewoben und hat ein Muster mit Adlern.“

Ihre Kollegin Helena Březinová ergänzt anhand des braun gefärbten Bandes:

„So sieht ein typisches archäologisches Textilstück aus. Die häufigste Farbe ist Braun, sie ist aber nicht ursprünglich, sondern wurde von der Umgebung angenommen. Denn andere Farben, wie Grün oder Gelb, sind ziemlich unstabil und verschwinden schnell.“

Teil der Grabbeigabe einer der Ehefrauen Karls IV. | Foto: J. Gloc,  Verwaltung der Prager Burg

Am vielfältigsten in der Sammlung der Prager Burg sind die Stücke aus der Zeit von Johann von Luxemburg und Karl IV. Milena Bravermanová:

„Es sind recht wertvolle Stoffe, die in allen Gebieten der damaligen Seidenindustrie produziert wurden: in China, dem Nahen Osten, Sizilien, Spanien und Norditalien. Für mich war sehr überraschend, dass mindestens die Hälfte aus Asien stammt, und sogar Stücke aus China und Mittelasien darunter sind. Das waren die wertvollsten Stoffe, die es damals gab.“

Helena Březinová und Milena Bravermanová | Foto: Martina Kutková,  Radio Prague International

Die meisten der erhaltenen Textilien sind Grabgewänder. Diese wurden für Herrscher oder Bischöfe angefertigt, beziehungsweise wurden die Gebeine von Heiligen damit bekleidet. Milena Bravermanová beschreibt sie:

Taufkleidung | Foto: Martina Kutková,  Radio Prague International

„Die Grabgewänder wurden aus luxuriösen und teuren Stoffen hergestellt, aber ziemlich schlampig vernäht. In manchen Fällen ist uns aufgefallen, dass die Teile umgekehrt zusammengenäht wurden. Man hat also die luxuriösen Stoffe mit goldenen Fäden arrangiert, wobei es hauptsächlich um den äußeren Effekt ging.“

Textilien im Grab der Heiligen Ludmilla | Foto: Martina Kutková,  Radio Prague International

Den Luxus der meisten Seidenstoffe unterstreicht eine breite Palette von Mustern. Milena Bravermanová zeigt ein besonderes technisches Merkmal am Grabgewand der Heiligen Ludmila:

Löwen auf einer Leinwand im Grab von Přemysl Otakar II. | Foto: Martina Kutková,  Radio Prague International

„Die Dalmatik wurde aus einem sehr komplizierten und seltenen Gewebe angefertigt. Auf dem Stoff findet man sogar zwei Muster, was ganz einzigartig ist. Die Forscher nehmen heute an, dass man damals in der Lage war, beim Weben das Muster zu ändern. Unser Stoffstreifen ist das einzige erhaltene Stück, das dies belegt.“

Die einzigartigen Stücke litten in der Vergangenheit unter schlechten Lagerungsumständen. Heute werden sie lichtdicht unter stets gleichbleibenden Bedingungen aufbewahrt. Nur einige der kostbaren Gewänder können ausgestellt werden.

Die Forschungsarbeit der Expertinnen aus dem Archäologischen Institut an der Textilsammlung dauerte über dreißig Jahre. Sie umfasste die Restaurierung, textiltechnologische Untersuchungen, die Suche nach ähnlichen Funden aus Sammlungen in aller Welt sowie die Interpretation von Mustern, Schnitten und Verwendungszwecken. Zudem haben sie bestimmt, welche historische Persönlichkeit das jeweilige Kleidungstück getragen hat. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit werden nun in einer zweisprachigen, tschechisch-englischen Publikation namens „Textiles from Archaeological Research at Prague Castle“ (auf Deutsch: Textilien aus den archäologischen Erforschungen der Prager Burg) zusammengefasst.

„Textiles from Archaeological Research at Prague Castle“  | Foto: Martina Kutková,  Radio Prague International
Autoren: Markéta Kachlíková , Martin Srb
schlüsselwort:
abspielen