Haus zur steinernen Glocke: Willkommen bei den „Luxemburgern“

Mit dem Tod des Königs Wenzel III. im Jahre 1306 starben die Přemysliden in direkter Linie aus. Böhmen erlebte darauf einige unruhige Jahre. Der Adel und die Städte nahmen Kontakt mit König Heinrich VII. von Luxemburg auf, um die Vermählung der Přemysliden-Fürstin Eliška / Elisabeth von Böhmen mit Heinrichs Sohn Johann zu vereinbaren. 700 Jahre sind vergangen, seit am 1. September 1310 die beiden sich im Dom von Speyer das Ja-Wort gaben. Das Ereignis wirkte sich bedeutend nicht nur auf die Geschichte Böhmens, sondern ganz Europas aus. Anlässlich des Jubiläums werden in Prag einige Ausstellungen gezeigt. Eine davon in den historischen Räumlichkeiten, in denen das königliche Paar nach seiner Ankunft nach Prag wahrscheinlich gewohnt hat: im Haus zur steinernen Glocke am Altstädter Ring.

Haus „Zur steinernen Glocke“
Die Fassade des Hauses, das neben der Teynschule auf dem Altstädter Ring steht, gehörte den Chronisten zufolge in der Zeit von Karl IV. zu den schönsten Hausfassaden in Europa. Die Bezeichnung des Hauses „Zur steinernen Glocke“ oder auch „Zur weißen Glocke“ tauchte zum ersten Mal 1417 auf. Sie entstand nach der Glocke, deren Replik auf der Fassade erhalten blieb. Das Gebäude erlebte eine Art „späte Wiedergeburt“. Erst in den 1960er Jahren entdeckte man unter der Neobarock-Fassade die ursprüngliche gotische Fassade einschließlich plastischer Verzierungen. Der Fund galt als Sensation, die komplizierte künstlerische Komposition überraschte damals die Experten. Die reiche Ausschmückung des Hauses stammte aus der Zeit noch vor Peter Parler. Der Fund änderte die bis dahin herrschende Meinung über die böhmische Kunst der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Das gotische Haus bewies die Verbindung der böhmischen Hofkunst zur Kunst anderer europäischer Höfe schon um das Jahr 1300.

Heilige Ludmila
Die älteste Erwähnung über einen Besitzers des Hauses Zur steinernen Glocke stammt erst von 1332. Zu der Zeit gehörte das Haus dem reichen Prager Bürger Henslin Pesold von Eger. Die Forschungen, die vor der Instandsetzung des Hauses Ende des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurden, bewiesen, dass die Geschichte des Hauses älter als die erste schriftliche Erwähnung ist. In den Sagen aus dem alten Prag von Adolf Wenig wird behauptet, dass am Ort, wo das Haus steht, die heilige Ludmila gelebt haben soll. Unter der Erde soll es eine Kapelle gegeben haben, wo der Priester für Fürstin Ludmila geheim die Messe las, als die christliche Fürstin von ihrer Schwiegertochter Drahomíra verfolgt wurde. Die steinerne Glocke an der Ecke des Hauses erinnere, so die Sage, an den siegreichen Kampf gegen die Heiden, zu dem die Stimme der Glocke aufgerufen haben soll. Viel wahrscheinlicher ist aber nach Meinung einiger Historiker, dass die Glocke eher an ein historisches Ereignis im Dezember 1310 erinnert, als der Kaplan von Eliška Přemyslovna, der Berenger hieß, mit der Glocke Johann von Luxemburg ein Zeichen gab. Prag war damals von den Truppen Heinrichs von Kärnten besetzt. Johann von Luxemburg gelang es nach einer erfolglosen Belagerung in die Stadt einzudringen, nachdem er das vereinbarte Zeichen – die Glocke der Spitalkirche gehört hatte.

Johann von Luxemburg,  Eliška Přemyslovna und ihre Hochzeit in Speyr
Vor allem die Ausschmückung des Hauses Zur steinernen Glocke zeugt davon, dass es als Palast für die königliche Familie erbaut wurde. Es wird vermutet, dass das junge Herrscherpaar Eliška und Johann in diesem Haus nach ihrer Ankunft nach Böhmen lebten. Möglich, dass sie im Haus zur Glocke in den ersten zehn Jahren nach der Hochzeit wohnten. Denn die Prager Burg war nach dem Brand von 1303 wenig repräsentativ. In den Räumlichkeiten, in denen einst wahrscheinlich Eliška Přemyslovna und Johann von Luxemburg lebten, wurde eine große Ausstellung zum 700. Jahrestag ihrer Vermählung eröffnet. Klára Benešovská leitete das Team, das die Schau zusammenstellte. Über die Hochzeit in Speyr wisse man, so die Expertin, erstaunlicherweise sehr viel:

Klára Benešovská
„Die Hochzeit beschrieb Petr von Zittau / Petr Žitavský in seiner Chronik von Zbraslav / Königsal. Er hinterließ eine mehrseitige Reportage von der Hochzeit. Diese war sehr vornehm, denn man muss bedenken, dass Johann die Erbin des Königreichs Böhmen heiratete. Es nahmen daran viele Gäste teil. Eliškas Schwiegermutter stammte vom französischen Hof. Alles wurde nach der neuesten Mode vorbereitet. Eliška brachte viele Geschenke mit zu der Hochzeit. Geheiratet hatte sie in einem einfachen Gewand und mit aufgelöstem Haar, was der damaligen französischen Mode entsprach.“

Das zentrale Exponat der Ausstellung ist der böhmische königliche Schatz aus der Stadt Środa Śląska – zu Deutsch hieß die Stadt Neumarkt. Es handele sich nur um einen Teil des Schatzes der böhmischen Könige, erzählt Klára Benešovská:

Siegel von Johann von Luxemburg
„Der Schatz wurde wahrscheinlich in den 1340er Jahren verpfändet, als Karl IV. finanzielle Mittel für seine Reise nach Aachen brauchte. Der Schatz wurde bei jüdischen Bankiers in Breslau oder im etwa 30 Kilometer von Breslau entfernten Neumarkt aufbewahrt. Bald hatte eine Pestepidemie ganz Europa heimgesucht. In Schlesien kam es danach zu mehreren Pogromen gegen die Juden. Der Schatz hatte ein sehr bewegtes Schicksal. Er wurde erst in den 1980er Jahren in Neumarkt gefunden. Der Schatz enthält zahlreiche Münzen – von den Prager Groschen von Wenzel II. bis zu den Groschen von Johann von Luxemburg. Zudem gehören zu dem Schatz eine Frauenkrone, Ohrringe, ein Armband, ein goldener Gürtel sowie einige Ringe. Es ist aber nur ein Bruchteil davon, was bereits Eliškas Urgroßmütter hatten.“

Frauenkrone vom Neumarkter Schatz  (Foto: Barbora Kmentová)
Wie das Leben in Prag in der Zeit von Johann von Luxemburg aussah, davon kann man sich in der zweiten Etage des Hauses zur steinernen Glocke eine Vorstellung machen.

„Es gibt hier mehrere Gegenstände, die bei den jüngsten archäologischen Ausgrabungen gefunden wurden. Gezeigt wird, wie groß Prag zu der Zeit war und wie die damaligen Häuser aussahen. Diesen Teil der Schau haben die Mitarbeiter des Museums der Hauptstadt Prag, des Stadtarchivs sowie die Prager Archäologen zusammengestellt.“

Foto: Barbora Kmentová
Unter den Exponaten sind des Weiteren illuminierte Handschriften, Reliquienschreine oder Kunstgegenstände, die von den Prager Goldschmieden hergestellt wurden. Ausführliches über die Geschichte von Johann von Luxemburg und seiner Familie kann man dann in der Chronik erfahren, die der Erzbischof von Trier, Balduin von Luxemburg, zusammenstellen ließ. Die Ausstellung im Haus zur steinernen Glocke auf dem Altstädter Ring ist bis zum 6. Februar 2011 zu sehen.

Lapidarium des Nationalmuseums
Die Ausstellung im gotischen Haus zur steinernen Glocke ist nicht die einzige Schau zur Zeitepoche der Luxemburger in Böhmen. Die Bildhauer- und Steinmetzkunst dieser Zeit ist das Thema einer Ausstellung im Lapidarium des Nationalmuseums auf dem Prager Ausstellungsgelände. Zu sehen sind hier etwa 30 Fragmente gotischer Architektur, die in Prag und Umgebung gefunden wurden. Sie stammen von Bauten von denen nur ein paar Steine erhalten blieben, erzählt die Kuratorin der Ausstellung, Dana Stehlíková.

„Am bedeutendsten sind hier die Fragmente aus dem Kloster der Kreuzherren vom Heiligen Grab in der heutigen Straße Na Zderaze. Das war ein großer Gebäudekomplex, von dem fast nichts erhalten blieb. Das Areal verschwand erst um Jahr 1900. Durch die Mitte des ehemaligen Klostergeländes führt heutzutage die Straße Resslova. Ausgestellt ist hier der Gründungsschrein aus der Klosterkirche, in den eine Reliquie und die Gründungsurkunde gelegt wurden. Das Ganze wurde unter dem Hauptaltar eingemauert. Von keiner anderen Kirche ist ein solcher Schrein erhalten geblieben. Zu sehen ist dort außerdem das älteste jüdische Grabmal aus Prag. Es stammt aus dem Jahr 1340.“

Ausstellung im Lapidarium
Die Mehrheit der Fragmente wurde um das Jahr 1900 gefunden, also in der Zeit der so genannten „Assanierung“, als Prag grundlegend umgebaut wurde. Mehr als 100 Jahre lang wurden diese Funde im Museumsdepot aufbewahrt, aber man wusste nicht genau, woher sie stammen, erzählt die Expertin. Erst heutzutage werden sie systematisch erforscht – wie auch das gotische Sanktuarium, das im Lapidarium ausgestellt ist.

„Die Sanktuarien sind in den frühgotischen Kirchen nur selten erhalten geblieben. Meist wurden sie während des Umbaus der Kirche auch umgestaltet. Hier haben wir ein Sanktuarium aus dem Kloster in Stribrna Skalice, das inzwischen nicht mehr existiert. Vom Kloster ist sonst nur noch ein einziges Fragment einer Säule erhalten geblieben.“

Ausstellung im Lapidarium
Im Begleittext zur Ausstellung im Lapidarium wird der Weg der Luxemburger zum kaiserlichen Titel beschrieben, den Johanns Vater Heinrich erreichte. In einem Ausschnitt aus der italienischen Chronik von Giovanni Villani kann man erfahren, wie Johanns Sohn, Karl IV., schon mit 15 Jahren für die Krone kämpfte, und wie es ihm gelang, Kaiser zu werden.

Die Ausstellung über die Steinmetzenarbeit und die Architektur aus der Luxemburger Zeit ist im Lapidarium des Nationalmuseums auf dem Prager Ausstellungsgelände bis zum 5. Dezember zu sehen.