Religiöse Motive und Natur der Heimatregion - Dichter und Graphiker Bohuslav Reynek

Bohuslav Reynek: „Pietà“

Eine Ausstellung im gotischen Haus zur Steinernen Glocke auf dem Altstädter Ring stellt zurzeit den tschechischen Graphiker und Dichter Bohuslav Reynek vor. Sie findet genau 40 Jahre nach dem Tode des Künstlers sowie 20 Jahre nach der ersten Exposition über ihn in der Nachwendezeit statt. In der dunklen Periode der kommunistischen Normalisierung war es nämlich verboten, Reyneks Werke auszustellen. Bohuslav Reynek war im Bereich der bildenden Kunst ein Autodidakt, trotzdem ist er schon zu Lebzeiten das begehrte Objekt eines Kults geworden, der im tschechischen Milieu seinesgleichen sucht. Mehr über die Person und das Schaffen Reyneks erfahren Sie im folgenden Kultursalon. Radio Prag sprach mit dem Kunsthistoriker und Autor der Ausstellung, Pavel Chalupa.

Bohuslav Reynek wurde 1892 in Petrkov geboren, einem Dorf in der Region der Böhmisch-Mährischen Höhe. Er nahm zwar ein Studium mit technischer Ausrichtung auf, aber schon nach ein paar Wochen verließ er die Universität und wandte sich der Literatur und Malerei zu. Sein Leben hat er überwiegend auf dem Bauernhof seines Vaters im Heimatort Petrkov verbracht.

„Bohuslav Reynek war nicht nur ein Dichter und Grafiker, als der er allgemein wahrgenommen wird, sondern vor allem ein Intellektueller. Manchmal wird Reynek als ein Außenseiter betrachtet, der auf dem Land, abseits des gesellschaftlichen Lebens gelebt hat. Er wurde durch das Prisma eines Autodidakten gesehen, der außerhalb der Zentren der bildenden Kunst und des literarischen Lebens für sich selbst etwas versucht hat. Reynek stand aber mit den Zentren in Kontakt, er war mit Josef Čapek und weiteren Vertretern seiner Generation befreundet. Dem entsprechen auch seine grafischen und literarischen Werke aus jener Zeit. Er war damals aber vor allem als Übersetzter tätig. Reynek verstand es als seine Mission, die französische und die deutsche Literatur, die er liebte, zu verbreiten. Er sah darin eine neue Hoffnung nach dem grausamen Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1918.“

Die bedeutendste Leistung Reyneks in diesem Bereich waren seine Übersetzungen der Gedichte von Georg Trakl, die die tschechische Poesie wesentlich beeinflusst haben. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg begann Reynek eigene Verse zu schreiben und auch zu malen. Von großer Bedeutung für sein literarisches Schaffen war die Freundschaft mit Josef Florian, dem Besitzer eines katholischen Verlags in der Gegend der Böhmisch-Mährischen Höhe:

„Reynek trat zunächst als Dichter vor die Öffentlichkeit. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs knüpfte er Beziehungen zu Josef Florian, dem der Verlag ´Dobré dílo´ (Gutes Werk) in Stará Říše gehörte. Dieses literarische Umfeld prägte fortan sein Schaffen, sowohl als Dichter als auch als Übersetzer. Er begann sich als Dichter und Übersetzer an einem ´guten Werk´ zu beteiligen, und zwar an der Rettung der Welt, wie es Josef Florian verstanden hatte. Reynek schickte seine Gedichte an Zeitschriftenverlage und bot seine Gedichtesammlungen zur Herausgabe an. Er fand allerdings nur bei seinem Freund Josef Florian die nötige Anerkennung, dieser brachte Reyneks auch erste Werke heraus. Später gründete Bohuslav Reynek seinen eigenen Verlag. Die Illustrationen zu seinen Büchern lieferte sein Freund Josef Čapek. Es waren wunderschöne Bücher, die in einer sehr kleinen Auflage von nur 120 Exemplaren erschienen sind. Bis heute zählen sie zu den schönsten tschechischen Bibliophilien. Sie entstanden in einem Landhaus und sind auch hinsichtlich der Verlagspraxis und der Kultur einzigartig. Es gab eigentlich keinen richtigen Verlag, sondern es war Reynek, der hinter allem stand.“

Bohuslav Reynek: „Fasan im Winter“
Reynek wird häufig den katholischen Dichtern zugeordnet. Nach Meinung von Pavel Chalupa ist das aber eine ziemlich vereinfachte Darstellung:

„Reynek war katholisch, das ist allgemein bekannt. Allerdings würde er sich sehr dagegen wehren, zu den so genannten katholischen Dichtern gezählt zu werden. Er hat sich von der Generation der katholischen Dichter gewissermaßen distanziert. Er selbst betrachtete sich vor allem als einen Dichter, der unter bestimmten Umständen Katholik ist. Er lehnte die äußere Welt, also die Welt der Politik ab. Er lebte durch sein Schaffen, in seinen Werken, und er lebte mit seinen Tieren.“

Den Sinn der Kunst suchte Reynek in der Harmonie von seinem Glauben und der natürlichen Weltordnung einschließlich der Ästhetik der Natur. Die Motive seiner Poesie und seiner Bilder fand er in seiner näheren Umgebung – in der Natur seiner Heimatregion sowie in biblischen und religiösen Themen. Dabei ist wichtig, dass er biblische Szenen wie die Kreuzigung Christi in die Umgebung seines Bauernhofs in Petrkov übersiedelt hat.

„Reynek hat die beiden Welten, die bildende Kunst und die Literatur, sehr streng getrennt. Ihm zu Folge gab es keinerlei Zusammenhang zwischen beiden. Dabei hat er sich aber geirrt. Die beiden Bereiche sind thematisch miteinander verknüpft. Wir haben versucht, sein bildendes und literarisches Werk zu verbinden.“

Wie bereits erwähnt, sein Heimatdorf Petrkov war der zentrale Punkt in Reyneks Leben. Aber auch dort, unter den Dorfbewohnern, war er ein Außenseiter, betont Chalupa:

Suzanne Renaud
„Reynek war alles andere als ein Bauer. Er war zwar der Besitzer des Bauernhofes, aber nur deshalb, weil er den Hof von seinem Vater geerbt hat. Er arbeitete zwar auf dem Hof, war aber kein Landwirt, sondern ein Intellektueller, im besten Sinne des Wortes. Die Bauern aus seiner Umgebung haben ihn daher als Außenseiter angesehen. Seine Lage war nicht einfach. Reynek löste sie dadurch, dass er eine Schafherde kaufte und seine Zeit in der Gesellschaft der Schafe verbrachte. Man sagt sogar, dass er in den 60er Jahren überhaupt nicht ins Dorf ging, sondern nur in dessen Umgebung spazierte. Er nahm auch nicht an der Bestattung seiner Frau, Suzanne Renaud teil, weil er dort seine Nachbarn getroffen hätte.“

Sein geliebtes Petrkov hat Reynek nur ein einziges Mal für längere Zeit verlassen – in der Zwischenkriegszeit, als er für zehn Jahre ins französische Grenoble ging. Aus gutem Grund, denn dorthin ist er seiner Ehefrau, der französischen Dichterin Suzanne Renaud gefolgt.

Bohuslav Reynek: „Pietà“
„Diese zwei Menschen haben sich durch die Poesie getroffen. Es ist eine sehr romantische Geschichte. Reynek las 1924 den Erstlingsgedichtband Suzanne Renauds und verliebte sich dabei in die Dichterin, ohne sie gesehen zu haben. Er fuhr nach Grenoble, spürte sie auf, und zwei Jahre später heiratete er sie.“

Zehn Jahre lang, zwischen 1926 und 1936 lebte die Familie abwechselnd in Petrkov und in Grenoble. In dieser Zeit begann der Dichter damit, intensiv zu zeichnen, da er sich im fremdsprachigen Ausland der Poesie kaum widmen konnte.

„Er konnte gut zeichnen, das wusste er schon aus seiner Realschulzeit. Er zeichnete in der Umgebung von Grenoble, er fuhr in die Provence und zeichnete sehr intensiv. Unweit des Hauses, in dem die Familie Reynek damals lebte, hatte der Kunstsammler Jules Lafoge eine Buchhandlung und Galerie. Er war begeistert von Reyneks Zeichnungen und hat alljährlich eine Reynek-Ausstellung veranstaltet. Jedes Jahr wurden alle Zeichnungen verkauft. Bis heute müssen Hunderte Zeichnungen in den Haushalten in Dauphiné und der Umgebung noch vorhanden sein.“

Bohuslav Reynek: „Weißer Schmetterling
Mit Ausnahme seines Aufenthalts in Frankreich hat Reynek allerdings seine Bilder für sich selbst gemalt. Er bemühte sich nie, sie öffentlich zu präsentieren. Trotzdem ist in den 60er Jahren ein Kult um seine Person und sein Schaffen entstanden. Dieser Kult überlebte sogar das Verbot durch die Kommunisten, und damit die Zeit, in der Reynek weder ausstellen noch publizieren durfte.

„Der Kult begann bereits vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Ehe des Dichters mit der französischen Dichterin Suzanne Renaud war etwas Besonderes, und zwar nicht nur für die Provinzbewohner in Petrkov, sondern auch für die Welt der tschechischen Intellektuellen, obwohl die Beziehungen zwischen der Tschechoslowakei und Frankreich vor dem Zweiten Weltkrieg hervorragend waren. Der Kult vertiefte sich in den 60er Jahren: Dank dem politischen Tauwetter kamen damals erste Besucher und Bewunderer Reyneks nach Petrkov. Es waren meistens junge Kunsthistoriker, die sich für sein Werk interessierten. Sie waren sich bewusst, dass sie für Reynek etwas tun müssen. Die erste Ausstellung fand 1965 in Ústí nad Labem statt. Ein Jahr später folgte eine Ausstellung in Prag, die wie eine Entdeckung wirkte, da man bis dahin über Reynek überhaupt nichts wusste. Diese Generation hat demnach einen Kult geschaffen, der gewissermaßen bis heute andauert.“

Haus zur Steinernen Glocke
Zu einer Wiederbelebung des Kults kann auch die aktuelle Ausstellung im Haus zur Steinernen Glocke auf dem Altstädter Ring in Prag beitragen. Bis 29. Januar zeigt sie etwa 200 Werke, darunter auch Arbeiten, die noch nie ausgestellt wurden. Zu Sehen sind Reyneks Natur-Zyklen, Bilder mit biblischen Motiven wie zum Beispiel sein Passionszyklus, aber auch kleinere Werke, frühe Zeichnungen, Handschriften. Von großer Bedeutung sind die Bilder, die mit der Technik des Glasklischeedrucks, eines Hybriden aus Photographie und Handzeichnung, geschaffen wurden. Die Besucher können sich aber auch Reyneks Werkstatt, seinen Drucker, Druckplatten sowie Stichinstrumente ansehen.