Böhmerwaldkirche St. Maurenzen: Vor 30 Jahren wiedergeweiht
Die Kirche St. Maurenzen gilt als das zweitälteste Gotteshaus im Böhmerwald. Am vergangenen Wochenende fand dort ein Fest statt. Denn vor 30 Jahren wurde die Kirche wiedergeweiht.
Wenn man am Fluss Otava durch das Tal wandert, ist auf dem Hügel oberhalb des Dorfs Annín nur eine Turmspitze zu sehen. Der Rest von „Mouřenec“, wie die Kirche auf Tschechisch genannt wird, ist hinter Bäumen versteckt. Von dem Dorf aus sind es durch den Wald etwa 20 Minuten zu Fuß bis zu St. Maurenzen. Seit mehr als zehn Jahren führt dorthin auch eine schmale Asphaltstraße. Am vergangenen Samstag wimmelte es vor der Kirche von Menschen. Sie sind alle gekommen, um an einem Festgottesdienst teilzunehmen. Es gab einen guten Grund, um zu feiern. Denn St. Maurenzen wurde vor 30 Jahren wiedergeweiht.
Die Kirche wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtet. Jahrhunderte lang blieb St. Maurenzen eine Pfarrkirche. Dies änderte sich erst nach Kriegsende, als die deutschsprachige Bevölkerung des Böhmerwaldes vertrieben wurde. Während der Zeit des Kommunismus wurden dort nur noch bis 1960 Gottesdienste gefeiert. Danach wurde die Kirche geschlossen und genauso wie der Friedhof dem Schicksal überlassen. Erst nach der Wende von 1989 konnte St. Maurenzen dank ehemaligen Bewohnern der Region wieder in Stand gesetzt werden. Der Architekt Karl Suchy stammt aus der nahe gelegenen Gemeinde Kundratice / Kundratitz. Er war einer der Hauptinitiatoren der Rettung von St. Maurenzen. Der heute 93-Jährige ist am Samstag aus München gekommen, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Nach dem Gottesdienst beantwortete er viele Fragen der Besucher, anschließend entstand das folgende Gespräch mit dem Zeitzeugen.
Herr Suchy, wann haben Sie zum ersten Mal während der kommunistischen Zeit St. Maurenzen besucht?
„Das war 1966. Die Grenze wurde damals geöffnet, aber nur zwischen Österreich und der Tschechoslowakei, nicht zwischen Bayern und der Tschechoslowakei. Wir sind damals über Österreich gekommen und haben die Kirche und auch mein Heimatdorf Kundratitz besucht. Ich bin hier also reinkommen, die Tür stand offen. Dort, wo wir jetzt stehen, befand sich ein zwei Meter hoher Schutthaufen. Diese Tabernakeltür haben wir aus dem Schutt gerettet und zehn Jahre lang bei einer befreundeten Familie in Kundratitz versteckt. Dann habe ich sie nach München mitgenommen. An der Grenze wurden wir kontrolliert und beinahe verhaftet. Eine ganze Stunde wurde ich von der Polizei verhört, die hat gesagt, ich hätte einen Diebstahl begangen. Doch ich habe mich herausgeredet und meinte: Im zerstörten Haus meiner Großeltern in Stepanitz, die einen landwirtschaftlichen Betrieb hatten, lag dieses Türchen. Die Beamten wollten mir das fast nicht glauben, das war alles sehr knapp.“
Wie alt waren Sie, als Sie Kundraditz verlassen mussten?
„Ich war 16 Jahre alt und hatte den Böhmerwald bis dahin noch richtig bewusst erlebt. Ins Gymnasium bin ich in Bergreichenstein (auf Tschechisch Kašperské Hory, Anm. d. Red.) gegangen. Dann musste ich die Schule abbrechen, denn deutsche Schulen waren geschlossen. Ich habe dann Architektur in München studiert und ein Architektenbüro gegründet. Dort war ich 45 Jahre lang erfolgreich tätig.“
1966 waren Sie zum ersten Mal wieder im Böhmerwald. Sind Sie danach öfter gekommen?
„Wir sind jedes Jahr gekommen. Es hat viel Geld gekostet, weil die Visa teuer waren, aber wir sind immer hierher gereist. Ich habe mit der Ahnenforschung angefangen, bin in Archiven in Klattau, Pilsen und in Prag gewesen. Im Zuge dessen war ich ständig hier, natürlich auch in St. Maurenzen.“
Nach der Wende von 1989 haben Sie mit der Instandsetzung der Kirche begonnen, was bestimmt nicht einfach war. Entstand damals schon der Förderkreis zur Erhaltung von St. Maurenzen?
„Am Anfang waren wir nur zwei – Robert Tausch und ich. Wir sind Schulfreunde gewesen, wir saßen in der gleichen Bank in Bergreichenstein. Dann kamen sechs weitere Menschen dazu. Vor kurzem habe ich eine Aufstellung über die ersten Leute gemacht, die dabei waren. Denn dies ist nirgends festgehalten.“
Vor 20 Jahren fand hier die Glockenweihe statt. Erinnern Sie sich daran?
„Ja, da war ich auch dabei. Der damalige Bischof von Budweis, Antonín Liška, hat die Rede gehalten und ich habe ein Grußwort gesprochen. Das war damals eine großartige Feier. Was ich dazu besonders spannend finde: Es gab damals schon die Möglichkeit, digital zu läuten. Wir haben uns entschlossen, läuten zu lassen, haben uns aber die Frage gestellt, was die Bevölkerung dazu sagen wird. Auch der damalige hiesige Pfarrer war unsicher. Dann haben die Glocken geläutet, als die Feier war. Und wir haben alle gestaunt, dass die Bevölkerung das akzeptiert hat. Das war alles andere als selbstverständlich. Denn in Deutschland ist mancherorts das Läuten verboten.“
Verfolgen Sie weiterhin die Arbeit des Förderkreises, auch wenn Sie nicht mehr so oft nach St. Maurenzen kommen?
„Ja, natürlich. Ich bin mit allen in Verbindung. Aber es ist ein kleiner Kreis geworden. Viele sind gestorben. Von unserem ursprünglichen Kern lebe nur ich und noch eine Dame, die auch 93 Jahre alt ist.“
War nicht am Anfang bei der Rettung der Kirche auch der Architekt Karl Prinz dabei?
„Ja, er war mein guter Freund. Wir haben damals zusammen die wertvollen Fresken im St. Maurenzen entdeckt. Unsere Namen wurden in diesem Zusammenhang jedoch jahrelang nicht genannt. Es hieß, der Förderkreis habe die Fresken gefunden.“
Wie waren damals die Reaktionen der Kunsthistoriker?
„Sie waren begeistert – vor allem Professor Jan Muk. Er hat die Fresken als erster analysiert. Er hat uns auch gesagt: Diese Decke muss so und so repariert werden. Denn sie war baufällig und wäre sonst heruntergefallen.“
Seit der Wiederweihe der Kirche sind 30 Jahre vergangen. Daran wurde während des Gottesdienstes einige Mal erinnert. Was für ein Erlebnis ist das für Sie?
„Mir sind fast die Tränen gekommen, als ich dort gestanden bin, wo ich vor 93 Jahren getauft worden bin, und die Hostie von Monsignore Pintíř bekommen habe, den ich auch schon 30 Jahre kenne.“
Verdienste um die Wiederbelebung von St. Maurenzen hat vor allem der Rundfunkjournalist Lukáš Milota. Er stammt aus Annín und die Kirche über dem Dorf bezeichnet er als eine Herzensangelegenheit. Mit der Zeit gelang es ihm, das Gotteshaus für die Öffentlichkeit zu öffnen. Milota organisiert Konzerte, Vorlesungen und vor allem Führungen durch den Sakralbau. Der von ihm gegründete tschechische Verein der Freunde von St. Maurenzen arbeitet eng mit dem deutschen Förderkreis zusammen. In Annín wurde am Samstag eine Fotoausstellung eröffnet, die die Rettung der Kirche und die Zusammenarbeit der beiden Vereine dokumentiert. Die Vorsitzende des deutschen Förderkreises, ist Margrit Kaiser. Die Böhmerwaldkirche habe ihr vor Jahren eine ältere Dame empfohlen, erzählt sie…
„Ich bin dann mit meinem Mann unter der Woche hierhin gewandert. Und natürlich war geschlossen. Da kam eine junge Frau, ich habe sie gefragt, ob sie deutsch kann, und das konnte sie nicht. Ich wollte nur wissen, wann ich die Kirche besichtigen könnte. Sie hat mir ein Datum aufgeschrieben. An diesem Tag sind wir wieder hergekommen, und da wurde eine Messe gelesen, was ich vorher nicht wusste. Das hat uns sehr gut gefallen. Seitdem haben wir die Kirche als Wanderziel stets fest im Programm gehabt, eine der drei Böhmerwald-Wanderungen führte immer nach Maurenzen. So habe ich Herrn Suchy kennengelernt und oft mit ihm telefoniert. Irgendwann hat er mich dann einmal angerufen und gefragt, ob ich nicht seine Nachfolgerin im Förderkreis werden will. Und ich habe zugesagt.“
In den letzten Jahren haben viele Tschechen aus der Umgebung und auch weithergereiste Touristen bei ihren Wanderungen durch den Böhmerwald St. Maurenzen für sich entdeckt. Ein Großteil von ihnen kehrt an diesen einzigartigen Ort wieder zurück.