Tschechoslowakische und tschechische First Ladies – Mode und Stil
Mit der Gründung der Tschechoslowakischen Republik im Jahr 1918 erhielt das Land nicht nur den ersten Staatspräsidenten. An seiner Seite stand auch die erste First Lady, also die Präsidentengattin. Die Ausstellung „First Ladies – Mode und Stil“ im Nationalmuseum in Prag präsentiert den Modestil der Ehefrauen aller tschechischen und tschechoslowakischen Präsidenten von Charlotte Masaryk bis Eva Pavlová.
Die Ausstellung „First Ladies – Mode und Stil“ führt durch einen Zeitraum von über einhundert Jahren und präsentiert den Wandel der Gesellschaft anhand des Stils der Präsidentengattinnen. Sie zeigt auch die unterschiedliche Einstellung der zwölf First Ladies zur Mode: von Charlotte Masaryk und der Eleganz-Ikone der Ersten Republik, Hana Benešová, über die Gattinnen der kommunistischen Präsidenten in der Zeit nach 1948 bis zu ihren Nachfolgerinnen nach der Wende von 1989. Die Ausstellung wurde von Miroslava Burianová kuratiert:
„Die Besucher können hier alle zwölf First Ladies sehen. Dennoch ist die Ausstellung nicht chronologisch geordnet. Wir haben uns entschieden, ihren Stil in verschiedenen Rollen zu präsentieren, die sie an der Seite des Staatspräsidenten gespielt haben. Das heißt, wir zeigen die Frauen bei unterschiedlichen Gelegenheiten – von den hochoffiziellen bis zum Einblick in die Privatsphäre.“
Die Einstellung der jeweiligen Frauen zur Mode sei mannigfaltig gewesen, sagt die Mode-Historikerin:
„Es waren sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, die zu verschiedenen Zeiten sowie unter unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Umständen lebten. Das hat auch ihre Beziehung zur Mode beeinflusst. Als großes Modevorbild gilt Hana Benešová, als sehr elegant wird auch Dagmar Havlová bezeichnet. Aber auch weitere Damen haben sich sehr ehrlich bemüht, dem vom Protokoll der Präsidialkanzlei vorgeschriebenen Dresscode zu folgen. Sehr interessant ist, wie sich in dem Modestil ihre persönlichen Vorlieben widerspiegeln. Hana Benešová liebte Kostüme. Dagmar Havlová brachte Hüte in die Mode zurück. Livie Klausová hatte eine Vorliebe für orientalische Seidenstoffe. Charlotte Masaryk hingegen rezipierte zwar die aktuelle Mode, ihr Kleid zeigt aber ebenso ihre zurückhaltende Art und weit sehr konservative Modeelemente auf.“
Rolle der First Lady
Der persönliche Stil war einerseits stark von der Zeit geprägt, aber andererseits auch davon, wie die jeweilige Dame von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden wollte…
„Hana Benešová wollte eine perfekte Partnerin ihres Mannes sein und repräsentieren. Nach 1989 hat sich die Rolle der Präsidentengattin wesentlich verändert, unter anderem unter dem Einfluss von Olga Havlová. Sie füllte diese Rolle mit einem viel aktiveren Inhalt und fand Selbstverwirklichung in der Wohltätigkeit. Unter ihrem Einfluss gingen auch ihre Nachfolgerinnen mit einem größeren Verantwortungsbewusstsein an ihre Rolle heran.“
Die First Ladies seien sich bei der Wahl der Kleidung bewusst gewesen, dass sie im Fokus der Öffentlichkeit stünden, sagt Burianová:
„Das lässt sich am persönlichen Stil von Dagmar Havlová gut verfolgen. Sie war zuvor eine bekannte Schauspielerin, für die ein eher ausgelassener Stil kennzeichnend war. Nachdem sie zur First Lady wurde, begann sie sich sehr konservativ zu kleiden, manchmal sogar im Widerspruch zu ihrer jugendlichen Natur. Im Laufe der Amtszeit von Václav Havel war ihr Stil immer stärker von ihrem persönlichen Geschmack geprägt. Eine ähnliche Entwicklung gab es auch bei Hana Benešová. Je älter und selbstbewusster sie in ihrer Rolle wurde, desto mehr griff sie nach Kleidern, die nicht mit der neuesten Mode, sondern mit ihrer Persönlichkeit im Einklang standen.“
Die Kleidung von Prominenten wird heutzutage immer wieder in den Zeitschriften des Boulevards und in Social Media angesprochen und bewertet. Nach öffentlichen Auftritten kommen auch die Kommentare zum Outfit der First Lady. Hat aber auch früher schon die Öffentlichkeit darauf geachtet, wie sich die Präsidentengattin anzog?
„Die Gesellschaft der Ersten Republik war toleranter. In der Zwischenkriegszeit war es üblich, dass alle Damen aus den höheren und mittleren Schichten wussten, wie sie sich kleiden sollen. Und die Presse beschäftigte sich nicht damit, was welche Dame wo getragen hat. Gleichzeitig tauchten aber Ehefrauen von bedeutenden Persönlichkeiten – darunter auch Unternehmern – als Modevorbilder in Zeitschriften auf. Sie ließen sich in Modellen aus Modehäusern fotografieren. Dies war Werbung für die Modehäuser, und den Zeitschriften dienten diese Damen als Vorführdamen, noch bevor sich die Rolle der Mannequins etabliert hatte.“
Eleganz-Ikone Hana Benešová
Im Oktober 1936 besuchte der rumänische König Karl II. die Tschechoslowakei. Bei dieser Gelegenheit sei sie auf einen Medienbericht gestoßen, der sich mit den Nachrichten der heutigen Modepolizei vergleichen lasse, sagt die Historikerin:
„Auf der Prager Burg fand damals ein feierlicher Empfang statt, von dem es noch heute viele Fotos gibt. Dank diesen wissen wir, dass die Damen damals in großen Abendtoiletten kamen, mit Diamanten, Perlen, Pelzen und Federn. Zudem fand sich in der Presse auch ein Bericht darüber, wie viele Modelle für den Empfang im Modehaus Podolská angefertigt wurden. Möglicherweise hat Firmeneigentümerin Podolská selbst diesen Artikel initiiert, sie war eine fähige Unternehmerin und kannte sich gut mit Marketing aus. Der Text beschrieb aber auch die Kleidung von Hana Benešová. Sie wurde sehr gelobt, und ihr Modell aus weiß-goldenem Brokat mit Nerz am Umhang ist dort als Höhepunkt des Abends bezeichnet.“
Ein Trend der heutigen Zeit ist es auch, sich von einem Stylisten beraten zu lassen. In der Vergangenheit hätten Modedesigner und Besitzer von Modehäusern diese Rolle erfüllt, so die Expertin.
„Wenn die Frau in ein Modehaus wie Podolská, Rosenbaum oder Roubíčková kam, war es selbstverständlich, dass sie dort vom Kopf bis Fuß eingekleidet wurde – und zwar im Einklang mit ihrem Lebensstil. Die Bekleidung einer aktiven Dame musste auch ihrer Rolle in der Gesellschaft entsprechen. Frau Podolská wusste sehr gut, was welcher Dame passt, was ihrer Figur, ihrer Natur, ihrer Persönlichkeit und ihrem Lebensstil am besten entspricht.“
Hana Benešová war zwar eine Kundin des luxuriösen Modehauses Podolská, doch auch in ihrer Garderobe finden sich schlichtere Stücke…
„Wir haben ihre Kleidungsstücke untersucht und festgestellt, dass die meisten nicht aus einem prestigeträchtigen Modehaus stammen. Die Bearbeitung und Ausführung der Nähte hat nicht das Niveau, das in den besten Modesalons selbstverständlich war. Allgemein lässt sich sagen, dass sie ein nüchterner Typ Mensch war – das verrät auch ihre Korrespondenz mit Edvard Beneš – und nicht viel Geld für Mode ausgeben wollte. Aufwändige Toiletten hat sie sich nur für besondere Gelegenheiten beschafft. Nach 1948 bemühte sich Marta Gottwaldová, ihre Vorgängerin nachzuahmen und wurde Kundin des Modehauses Podolská. Die nachfolgenden First Ladies fanden die Mode dann nicht mehr so wichtig. Für Marie Zápotocká und Růžena Novotná war Hana Benešová also kein Vorbild mehr. Trotzdem war Novotná noch Kundin des prestigeträchtigen Modesalons Styl und Eva, die Nachfolger der Modehäuser aus der Ersten Republik waren. Die nächste Präsidentengattin, Irena Svobodová, ließ ihre Kleider aber in der viel billigeren Genossenschaft Moděva nähen.“
Mode in der kommunistischen Ära
Die Ausstellung „First Ladies – Mode und Stil“ ist in zwei Sälen im Neuen Gebäude des Nationalmuseums zu sehen. Im ersten Saal geht es um das offizielle Leben an der Seite des Präsidenten. Dort sind vor allem Festkleider und Abendtoiletten ausgestellt:
„Die Gattinnen begleiten den Präsidenten bei Staatsbesuchen und stehen neben ihm als Partnerinnen bei den Treffen mit bedeutenden Persönlichkeiten, Mitgliedern von Königsfamilien oder Staatsmännern. Es gibt aber auch Rollen, die für die Erste Dame allein, ohne ihren Mann typisch sind. Schon seit der Ersten Republik wird die Tradition gepflegt, Teekränzchen zu veranstalten. Bereits Hana Benešová als Ehefrau des Außenministers lud dazu ein, und auch die heutigen Präsidentengattinnen treffen sich mit den Ehefrauen von Diplomaten.“
Die jeweiligen Präsidentengattinnen verstanden ihre Rolle unterschiedlich. Manche von ihren bevorzugten ihre Privatsphäre. Das gilt besonders für die ersten Damen der kommunistischen Ära wie Marie Zápotocká und Božena Novotná:
„Das bedeutet aber nicht, dass etwa Novotná ihre repräsentative Funktion nicht erfüllen musste. Sie war nach langer Zeit die erste Präsidentengattin, die mit ihrem Mann in den Westen reiste. 1967 nahmen sie an der Expo-Ausstellung in Montreal teil. Dazu haben sich Dokumente im Archiv der Präsidialkanzlei erhalten. Das Protokoll der Präsidialkanzlei arbeitete damals in Kooperation mit der kanadischen Botschaft Unterlagen zum Dresscode aus. Božena Novotná folgte diesem Dresscode, Präsident Novotný allerdings nicht.“
Pulli als Symbol für wohltätiges Engagement
Sozusagen als Pflicht der Präsidentengattinnen gilt heute wohltätiges Engagement. Auch darauf wird in der Ausstellung hingewiesen:
„Alle verbinden diese Tätigkeit mit Olga Havlová, aber diese Tradition wurde schon von Alice Masaryková begründet, der Tochter des ersten Staatspräsidenten. Sie wurde erste Vorsitzende des tschechoslowakischen Roten Kreuzes. Und die nachfolgenden Damen knüpften an sie an, auch jene nach 1948. Olga Havlová war dann aber nicht mehr nur Ehrenvorsitzende, sondern kümmerte sich sehr intensiv und aktiv um die Hilfe für andere Menschen. Wir zeigen hier ihren Pullover, den sie bei der Arbeit in dem von ihr gegründeten Ausschuss des guten Willens oft trug. Die zweite Vitrine ist Hana Benešová gewidmet, es sind Sachen aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie hielt sich damals mit Edvard Beneš in England auf und beteiligte sich an der Unterstützung des Roten Kreuzes und der Hilfe für Kinder tschechoslowakischer Emigranten. Sie besuchte Soldaten und war sehr aktiv.“
Der zweite Saal der Ausstellung konzentriert sich vor allem auf das Privatleben der Präsidentengattinnen.
„Als ich mit ihren Nachkommen und Familienangehörigen gesprochen habe, erinnerten sich alle ohne Ausnahme, dass sich die Damen auch zu Hause sehr formal gekleidet haben. Irena Svobodová trug ein Seidenkleid, Hana Benešová hatte sogar bei der Gartenarbeit in ihrem Alpinum ein Kleid an. Apropos Gartenarbeit: Die Hobbys der ersten Damen waren sich sehr ähnlich. Die meisten von ihnen mochten die Berge, sei es zum Skifahren im Winter oder zu Wanderungen im Sommer. Und die meisten liebten Pflanzen. Hana Benešová war für ihr Alpinum begeistert, Irena Svobodová wiederum liebte Kaktusse.“
Die First Ladies wären keine First Ladies, wenn es ihre Ehemänner, die Staatsoberhäupter, nicht gegeben hätte, betont Miroslava Burianová. Eine ganze Wand in der Ausstellung ist daher den Präsidenten gewidmet.
„Da die Herrenmode aber etwas langweilig ist, denn die Männer trugen von Mitte des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts allgemein Anzüge, haben wir für unsere Präsentation Mode-Accessoires gewählt. Für jeden Präsidenten haben wir ein Accessoire ausgesucht, das ihn kennzeichnet. Am Anfang steht Präsident Masaryk mit seinem sehr formalen harten abnehmbaren Kragen, gefolgt von einem Hut hoher Qualität von Edvard Beneš. Und es geht weiter bis zur Freizeitkleidung wie etwa einer Kaschmirweste von Präsident Václav Havel. Als Letztes zeigen wir das Symbol der letzten Präsidentenwahl: das Flanellhemd von Petr Pavel.“
Die Ausstellung „First Ladies – Mode und Stil“ ist im Neuen Gebäude des Nationalmuseums auf dem Wenzelsplatz in Prag zu sehen, sie läuft noch bis 3. Dezember dieses Jahres. Ergänzt wird sie durch einen Katalog in tschechischer und englischer Sprache.