Novemberpogrome 1938: Auch Synagoge in Trutnov fiel antisemitischen Ausschreitungen zum Opfer

Am Donnerstag sind die Novemberpogrome von 1938 genau 85 Jahre her. Auch in den Grenzgebieten der Tschechoslowakei, die durch das Münchner Abkommen an das Deutsche Reich angeschlossen worden waren, wurden in der Nacht vom 9. auf den 10. November jüdische Einrichtungen überfallen, Menschen misshandelt und Synagogen niedergebrannt. So etwa im nordböhmischen Trutnov.

Das Viertel um die vielbefahrene Straße Na Struze herum war einst ein prunkvoller Ort in Trutnov, das früher den deutschen Namen Trautenau trug. Etwas nach hinten versetzt stand dort auch die Synagoge der Stadt. Heute erinnert eine Treppe an den Eingang des stolzen Gebäudes aus weißem Sandstein, das am 9. November 1938 dem Erdboden gleichgemacht wurde. Tomáš Molnár, Pfarrer der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder in Trutnov, zeigt auf einige Mauerreste:

Tomáš Molnár | Foto: Miloš Šálek,  Tschechischer Rundfunk

„An dieser Stelle befand sich offenbar der Schrein mit der Tora. Trutnov war 1938 schon Teil des Deutschen Reiches. Die hiesige Synagoge fiel leider, so wie Hunderte andere auch, in die Hände der Bagage, die vom Nazi-Staat gelenkt wurde.“

Die Synagoge war 1885 im traditionellen maurischen Stil erbaut worden. Zeitgenössische Fotos zeigen ein stolzes Gebäude mit meterhohen Fenstern und einem Turm mit einer Kuppel. In der Pogromnacht wurde es angezündet. Das Gotteshaus habe mehrere Tage gebrannt, bis es schließlich niedergerissen wurde, berichtet der Historiker Ondřej Vašata:

„Es ist praktisch nichts übriggeblieben. Erhalten ist nur ein Teil des gusseisernen Geländers, und im Museum lagert ein Stück der Holzverkleidung des Altars. Zudem gibt es noch mehrere Lagepläne der Synagoge sowie einige Fotografien.“

Heute ist auf dem Hügel, auf dem die Synagoge stand, ein Gedenkort eingerichtet. Dort wird am Sonntag an die Schicksalsnacht von vor 85 Jahren erinnert. Anschließend werden sechs neue Stolpersteine in der Stadt verlegt. Diese Veranstaltung bildet den Abschluss des Multigenrefestivals tschechischer, deutscher und jüdischer Kultur „Devět bran“ (Neun Tore), das in Trutnov seit Dienstag wieder läuft. Jüdische und Romamusik, Vorträge, eine Fotoausstellung – das Programm sei in ökumenischer Zusammenarbeit mit der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche organisiert worden, erläutert Pfarrer Molnár:

„Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass Juden schon Tausende von Jahren mit uns zusammengelebt haben. Sie waren Bestandteil der hiesigen Kultur. Mit dem Festival wird an die Auslöschung der jüdischen Gemeinde von Trutnov während des Krieges erinnert und allgemein an die Schrecken des Holocausts. Natürlich wollen wir auch vor ähnlichen Vorgängen warnen, die es leider immer noch in der Welt gibt. Und ich befürchte, sie werden auch weitergehen.“

Foto: Miloš Šálek,  MěÚ Trutnov

Mit der Veranstaltung am Sonntag erhöht sich die Zahl der Stolpersteine in Trutnov auf zwölf. In der südmährischen Kreishauptstadt Brno / Brünn hingegen gibt es schon etwa 300. In Erinnerung an die Novemberpogrome von 1938 sind die Patronen der Steine, aber auch freiwillige Helfer in Brünn am Donnerstag dazu aufgerufen, die Messingblöcke zu putzen. Da sie zwischen Pflastersteinen in die Gehwege eingelassen sind, ist die Aufschrift mit Namen und Lebensdaten von Holocaustopfern mit der Zeit nicht mehr gut zu lesen. Um den Stolpersteinen wieder Glanz und Aufmerksamkeit zu verleihen, stellt die Organisation Paměť národa (Gedächtnis der Nation) kostenlose Putzbürsten zur Verfügung.

Autoren: Daniela Honigmann , Eliška Pilařová | Quelle: Český rozhlas
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