Widerstand tschechischer und slowakischer Juden 1938-45: Zeitzeugen berichten

Rund 360.000 Menschen aus der Tschechoslowakei sind zwischen 1938 und 1945 Opfer des Nationalsozialismus geworden. Die meisten von ihnen waren jüdischen Glaubens. Aber auch sie haben Widerstand geleistet und das auch im Ghetto von Theresienstadt. Bisher ist das Thema von der Forschung jedoch nicht sehr beachtet worden. Ein deutschsprachiger Sammelband will erste Lücken füllen. Der Sammelband wurde vor kurzem im Prager Goethe-Institut vorgestellt

Goethe Institut Prag | Foto: Kristýna Maková,  Radio Prague International
Das Attentat tschechischer Widerstandskämpfer auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich ist auch über die Fachöffentlichkeit hinaus ein Begriff. Doch der Widerstand tschechischer und slowakischer Juden wurde bisher weitestgehend ausgeblendet, sagt Jiří Kosta:

„Das hat einmal seine Ursache darin gehabt, dass aus der Tschechoslowakei nichts bekannt war in der Art des Warschauer Ghetto-Aufstandes“, so der 87-Jährige, der einer Prager jüdischen Familie entstammt und das Ghetto Theresienstadt und Auschwitz überlebt hat.

Zum anderen aber liege das Unwissen am Unwillen der kommunistischen Machthaber, den jüdischen Widerstand vom Widerstand von links zu unterscheiden. Jiří Kosta, der 1968 aus der Tschechoslowakei nach Deutschland emigrierte, ist Mitherausgeber des neuen Sammelbandes mit dem Titel „Tschechische und slowakische Juden im Widerstand gegen den Nationalsozialismus“.

Es gab viele Formen der Auflehnung. Dies begann unmittelbar nach dem Einmarsch Hitlers in die restliche Tschechoslowakei 1939, also im so genannten Protektorat Böhmen und Mähren. Und Widerstand wurde auch im Ghetto von Theresienstadt und sogar in den Vernichtungslagern in Polen betrieben. In Theresienstadt zum Beispiel operierten drei Gruppen: die Zionisten, die tschechisch-nationalen Juden und die Kommunisten. Zu letzteren gehörte Jiří Kosta:

Jiří Kosta
„Es gab Untergrundarbeit, indem man Schulungen organisiert hat in kleinen Zellen. Man hat in der Freizeit versucht, mit Worten durch die Blume die Leute aufzurütteln, sie wach zu halten und zu zeigen, wie die Kriegsfront verläuft. Wir hatten die Möglichkeiten, illegal Radio zu hören und Zeitungen in das Ghetto zu schmuggeln. Aber die Vorbereitung auf eine Revolte, die hat nicht geklappt, weil die meist jungen Leute in die Lager nach Polen deportiert wurden – zu früh, bevor alles vorbereitet war, und das immer wieder.“

Das Geschehen in Theresienstadt mitgerechnet zählt das Buch fünf unterschiedliche Zeitabschnitte des Widerstands auf. Für jeden Abschnitt konnten einer oder mehrere Zeitzeugen als Autoren gewonnen werden – außer für den Widerstand tschechischer und slowakischer Juden in den Lagern außerhalb des Protektorats. Alle Beteiligten wurden von den Nazis umgebracht oder sind heute nicht mehr am Leben. Die meist tschechischen oder slowakischen Texte wurden übersetzt, und als deutscher Herausgeber wurde der Metropol Verlag gewonnen. Das Fritz-Bauer-Institut, das sich mit der Geschichte des Holocaust beschäftigt, hat den Verlag vermittelt. Friedrich Veitl leitet den Verlag mit Sitz Berlin:

„Unser Verlag ist spezialisiert auf Holocaust, Antisemitismus und Zeitgeschichte. Wir haben Kontakt zum Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt am Main. Und von dort ist man an uns herangetreten, ob wir Interesse haben, dieses Buch zu veröffentlichen, was wir sehr gerne gemacht haben.“

Die Finanzierung des Buches hat im Übrigen der Deutsch-tschechische Zukunftsfonds übernommen.


Literatur zum Beitrag:

Jiří Kosta, Jaroslava Milotová, Zlatica Zudová-Lešková (Hgg.): „Tschechische und slowakische Juden im Widerstand 1938-45“, Metropol Verlag 2008 (Schriftenreihe des Fritz Bauer Instituts, Band 22)

Jiří Kosta: „Nie aufgegeben. Ein Leben zwischen Bangen und Hoffen“ (Autobiografie), Berlin 2004