Bewohner der Großstädte leben in Tschechien am längsten
Die Lebenserwartung unterscheidet sich in Tschechien stark nach den Regionen. Datenjournalisten des öffentlich-rechtlichen Tschechischen Rundfunks haben nun nach den Gründen gesucht.
Am längsten leben in Tschechien die Bewohner der Großstädte, am kürzesten die Bewohner einiger Grenzregionen. Dies geht aus den Daten über die Sterblichkeitsrate und die Lebenserwartung hervor, die vom Nachrichtenportal iRozhlas.cz veröffentlicht wurden. Es bestehen dabei regionale Unterschiede in den Ursachen, die das Leben verkürzen. Datenjournalist Jan Boček nannte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks die Haupttrends:
„Unerfreulich ist die Lage in Nord- und Nordwestböhmen sowie in Nordmähren. Wir haben den Stand in den Jahren 2018 bis 2020 untersucht. Die Daten waren damals noch nicht so stark von der Corona-Pandemie beeinflusst. Die Bezirke mit den höchsten Sterblichkeitsraten bei Frauen sowie Männern waren Louny, Most, Sokolov, Chomutov, Teplice, Bruntál und Jeseník.“
Dies sind laut Boček gerade jene Regionen, in denen der Bildungsstand am niedrigsten liegt, die soziale Ausgrenzung hingegen hoch ist und auch zum Beispiel die Zahl der Zwangsvollstreckungen.
„Bildung und die wirtschaftliche Lage haben einen großen Einfluss auf die Lebenserwartung und die Lebensqualität. Bei Herz- und Kreislauferkrankungen ist der Lebensstil wichtiger als die medizinische Versorgung.“
Entgegengesetzt zu einigen Grenzregionen bestehe die niedrigste Sterblichkeitsrate in den Großstädten und ihrer Umgebung, sagte Boček:
„Dazu gehören Prag, Brünn, Hradec Králové, Pardubice und Pilsen. Dort leben besser situierte Menschen mit einer höheren Bildung. Zudem befinden sich dort gut ausgestattete Krankenhäuser, die einfach zu erreichen sind. Was die Lebenserwartung betrifft, sind neben den Großstadtbewohnern auch Männer in Süd- und Ostböhmen und Frauen in Süd- und Ostmähren gut dran.“
Aus der Analyse geht zudem hervor, dass 40 Prozent der Todesfälle durch Herz- und Kreislauferkrankungen verursacht wurden. In 20 Prozent der Todesfälle waren bösartige Tumore die Ursache. Jan Boček hält zudem die Daten aus einigen Regionen Ostmährens für interessant. Die Bewohner sterben dort öfter an Erkrankungen des Verdauungssystems und durch äußere Ursachen.
„Dahinter könnte der Alkoholkonsum stehen. Oft spielte er dort eine Rolle bei tragischen Verkehrsunfällen, gewaltsamem Tod und bei Selbstmorden, genauso wie bei Lebererkrankungen.“
Die Lebenserwartung liegt selbst 34 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Tschechien immer noch niedriger als in den Ländern Westeuropas, auch wenn sie inzwischen hierzulande gestiegen ist. Petr Šonka ist Vorsitzender des Verbandes der Hausärzte. Er merkte dazu an:
„Was jedoch schlimmer ist und was uns als Ärzte beunruhigt, ist der Stand bei der gesunden Lebenserwartung. Es geht nicht nur um die Länge des Lebens, sondern um die Jahre, während derer der Mensch ein aktives Leben führen kann, das eine bestimmte Qualität hat. In diesem Bereich ist die tschechische Bevölkerung wesentlich schlechter daran als die Bewohner Westeuropas.“
Zu den Daten über die Unterschiede zwischen den tschechischen Regionen, was die Lebenserwartung anbelangt, äußerte sich in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks auch Tomáš Kostelecký. Er leitet das Institut für Soziologie der Tschechischen Akademie der Wissenschaften. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Lage der Menschen und ihrer Gesundheit sowie der Lebenserwartung? Der Soziologe:
„Die ökonomische Situation spielt schon eine Rolle. Die Ärzte sagen allgemein, dass sich Stress, der beispielsweise durch eine unsichere finanzielle Lage verursacht wird, auf die Gesundheit auswirken kann. Aber der Lebensstil spielt eine bedeutend größere Rolle. Und dieser hängt mit der Bildung zusammen. Menschen mit einer höheren Bildung essen eher gesünder und rauchen weniger. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie länger leben.“
Wie erklärt sich der Soziologe die höchste Sterblichkeitsrate in Bezirken wie Sokolov / Falkenau, Most / Brüx, Chomutov / Komotau und Bruntál / Freudenthal?
„Dies wird durch einige Faktoren verursacht. Erstens leben dort weniger Menschen mit höherer Bildung. Zweitens spielt dort die Umwelt eine Rolle. In Nordböhmen oder Nordmähren ist die Luft stärker verschmutzt als anderswo. Aber wichtig sind auch die Arbeitsbedingungen. Menschen, die in einem Chemiebetrieb arbeiten, sind schlechter daran als diejenigen, die in einem Büro sitzen. Und schließlich ist die Möglichkeit einer schnellen ärztlichen Versorgung vor allem bei Herzerkrankungen von Bedeutung. Die Sterblichkeitsrate ist in der Regel dort niedriger, wo ein Krankenhaus in der Nähe ist.“