Pardubice: im Zeichen der Adelsfamilie Pernstein

Schloss Pardubice

Pardubice / Pardubitz liegt etwa 100 Kilometer östlich von Prag an der Mündung der Chrudimka in die Elbe. Mit ihren rund 92.000 Einwohnern ist es die neuntgrößte Stadt Tschechiens.

Schloss Pardubice | Foto: Tereza Brázdová,  Tschechischer Rundfunk

Pardubice wurde zum ersten Mal Ende des 13. Jahrhunderts erwähnt. Damals befand sich an der Stelle des heutigen Stadtzentrums nur eine kleine Siedlung nahe eines Klosters. Den größten Aufschwung erlebte Pardubice im 16. Jahrhundert unter den Pernsteins (Pernštejns). Die einflussreiche Adelsfamilie ließ ein prächtiges Renaissanceschloss an jenem Ort errichten, an dem zuvor eine Wasserfestung stand. Außer dem Schloss gibt es in Pardubice aber auch zahlreiche weitere historische Sehenswürdigkeiten, sie befinden sich vor allem im historischen Stadtzentrum. Dieses steht seit den 1960er Jahren unter Denkmalschutz.

Vom Bahnhof sind es mit dem Bus vier oder fünf Haltestellen bis in die Altstadt. Die Straße Třída Míru führt direkt zu einer der Dominanten des Zentrums, dem Grünen Tor. Helena Jaklová bietet Führungen auf Deutsch durch Pardubice an. Sie begleitet mich. Bevor wir durch das Tor gehen, erzählt sie:

Das Grüne Tor | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Hier, vor dem Turm, stehen wir sozusagen zwischen der Moderne und der Geschichte. Zur Moderne gehört beispielsweise das gegenüber dem Tor stehende Hotel Grand. Es wurde in der Ersten Republik erbaut. Das Gebäude an der Ecke ist das Palais Hybský. Dieses sollte ursprünglich an die Teilnehmer von Parforce-Jagden vermietet werden. Der Inhaber ist jedoch pleite gegangen und verkaufte das Haus an Familie Hybský. Diese richtete dort Büros und Geschäfte ein. Links vom Tor steht das Stadttheater, Anfang des 20. Jahrhunderts im Jugendstil erbaut. Die Fassade ist mit zwei Mosaiken geschmückt, sie stellen die Fürstin Libussa und den Heerführer Žižka dar. Um das Gebäude herum befinden sich Büsten von berühmten tschechischen Schriftstellern und Komponisten. Ganz oben auf dem Theaterhaus ist die Statue eines Geniuszu sehen. Vorbild für diese Plastik soll die berühmte tschechische Opernsängerin Ema Destinová gewesen sein.“

Helena Jaklová | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Bevor es weiter durch das Grüne Tor auf den Platz Pernštýnské náměstí (Pernstein-Platz) geht, macht Helena Jaklová noch auf ein Relief an der Fassade des Turms aufmerksam. Dieses beschreibe die Entstehung des Stadtwappens von Pardubice, sagt die Expertin und erzählt dazu die Legende:

„Der tapfere Ritter Jeschek von Pardubitz kämpfte im Heer von Friedrich Barbarossa vor Mailand. Unglücklicherweise fiel das Gittertor in Mailand plötzlich herab und halbierte Jescheks Pferd. Der Ritter brachte den vorderen Teil seines Pferds mit nach Pardubice, und seitdem hat die Stadt das halbe Pferd im Stadtwappen. Die Geschichte ist vermutlich anders gewesen. Das Heer war ausgehungert, und die Männer begaben sich in die Stadt, um etwas zu essen zu besorgen. Sie wurden ertappt und mussten Hals über Kopf fliehen, und so dürfte es zur Geschichte mit dem Pferd gekommen sein, das von dem fallenden Gitter erwischt wurde.“

Aufschwung der Stadt nach zwei Bränden

Pernstein-Platz | Foto: Anaïs Raimbault,  Radio Prague International

Durch das Grüne Tor und das Gässchen Zelenobranská, das nach dem Tor benannt wurde, geht es zum weitläufigen Marktplatz – dem Pernstein-Platz. Wilhelm von Pernstein war als der Obersthofmeister von Böhmen ein sehr einflussreicher Mann. 1491 erwarb er Pardubice. Damals bestand die Stadt nur aus Holzhäusern, die 1507 bei einem Brand vernichtet wurden…

„Nach dem Brand entschied sich Wilhelm von Pernstein, die Stadt neu aufzubauen. Dazu beauftragte er Meister Paul von der Pernsteinschen Bauhütte. Dieser entwarf den Platz in seiner heutigen Form und auch die Tore oder Türme. Der Grüne Turm war zuerst einstöckig. Das Tor erlaubte die Durchfahrt aus Richtung Prag.“

Pernstein-Platz | Foto: Anaïs Raimbault,  Radio Prague International

Den zweiten Aufschwung erlebte die Stadt unter Johann (Jan) von Pernstein. Er ließ die Stadt nach dem zweiten Brand von 1538 wieder aufbauen. Denn nur sieben Häuser seien damals vom Feuer verschont geblieben, sagt Helena Jaklová. Sie beschreibt den damals erbauten Teil des Marktplatzes:

„Es handelt sich um zwei prächtige zweistöckige Renaissancehäuser. Baumeister Jiřík von Olmütz war damals mit den Plänen zu ihrer Errichtung betraut. Auffällig ist, dass die Fenster komplett regelmäßig gestaltet sind. Die prächtigen Fassaden sind in den letzten Jahrzehnten restauriert worden. An der östlichen Seite kann man die in Stand gesetzten Barockfassaden bewundern. Zudem stehen hier am Pernstein-Platz auch Häuser im klassizistischen Stil.“

Eine Dominante des Pernstein-Platzes ist eine Marien-Pestsäule.

„Eigentlich sollte man nur Mariensäule sagten, weil die Stadt das Glück hatte, von der Pestepidemie verschont zu bleiben. Trotzdem ließ man 1689 zum Dank die Pest- oder Mariensäule errichten. Sie ist 16 Meter hoch, oben thront eine Plastik der Jungfrau Maria. Etwa 100 Jahre später wurde eine Barockbalustrade um die Säule herum gebaut. Sie ist mit Plastiken der böhmischen Landespatronen verziert.“

Mariensäule | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International
Rathaus | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Das vermutlich auffälligste Gebäude am Pernstein-Platz ist das Rathaus. Dieses stammt vom Ende des 19. Jahrhunderts. Damals entschieden sich die Bürger der Stadt für den Bau eines neuen Rathauses und ließen daher drei Barockhäuser abreißen. Eines davon war das alte Rathaus. Die Fassade des neuen Rathausgebäudes ist mit Sgraffiti geschmückt. Auf dem Gebäude befindet sich eine Ritterstatue. Sie soll von Vojtěch Pernstein inspiriert sein. Auf der Ostseite des Pernstein-Platzes macht Helena Jaklová auf ein Barockhaus mit speziell geschmückter Fassade aufmerksam.

„Es wird Haus zum Jonas genannt und wurde im Barockstil umgebaut. An der Fassade befindet sich ein Relief mit dem biblischen Motiv, wie Jonas vom Walfisch geschluckt wird. Nicht nur die Fassade ist künstlerisch wertvoll, sondern auch im Haus selbst sind Wandmalereien mit Pflanzenmotiven erhalten, die für die Frührenaissance typisch waren.“

Haus zum Jonas | Foto: Kristýna  Maková,  Radio Prague International

An der Südseite des Pernstein-Platzes steht das Europäische Vereinshaus. Früher war in dem Gebäude die Bürgerliche Sparkasse untergebracht.

„In den 1990er Jahren wurde entschieden, das Gebäude in ein Europäisches Vereinshaus umzuwandeln. Mittlerweile ist dort ein Kulturzentrum entstanden mit verschiedenen Institutionen wie dem Goethe-Institut, dem British Council und der Alliance Francaise. Zum Vereinshaus gehört auch das sogenannte Žižka-Haus. An der Fassade befindet sich eine Reiterplastik des Heerführers.“

Europäisches Vereinshaus | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Arnošt von Pardubice und Kirche Mariä Verkündigung

Kirche Mariä Verkündigung | Foto: Klára Stejskalová,  Radio Prague International

Vom Pernstein-Platz geht es durch die Straße Klášterní weiter zu einem der ältesten Bauwerke in Pardubice. Die Kirche Mariä Verkündigung stammt von 1349.

„Diese Kirche wurde von einer berühmten Persönlichkeit gegründet – von Arnošt von Pardubice. Er stammte aus der Adelsfamilie der Herren von Pardubitz. Sein Vater Arnošt von Hostýně ließ ihn in Padua und Bologna Jura und Theologie studieren. Arnošt von Pardubice machte eine große Karriere am Hof von Karl IV.: 1343 wurde er Bischof in Prag und ein Jahr später erster Erzbischof der Stadt. Er begleitete Karl IV. auch zur Kaiserkrönung. Arnošt von Pardubice legte zudem den Grundstein für den späteren Veitsdom. Seine Anfänge sind mit Pardubice verbunden, er wurde darum zum Patron der Stadt ernannt.“

Biertrinker | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Zurück über den Pernstein-Platz geht es in die Pernstein-Gasse. Helena Jaklová bleibt vor einem alten Haus  stehen, dessen Fassade mit großen Malereien verziert ist.

„Die Pernstein-Gasse ist eine der ältesten Gassen in der Altstadt von Pardubice. Wir stehen vor dem Haus Nr. 11, es stammt von 1510. Bei der Instandsetzung wurden Malereien an der Fassade entdeckt, die das damalige Leben dokumentieren. Ganz oben ist der König zu sehen, der alles beobachtet. Auf den Bildern unter ihm befinden sich ein Adeliger, eine Dame mit einem Schwert, und in der Mitte sitzt ein Mann an einem Bierfass. Er hält einen Bierkrug in der Hand und trinkt. Über seinem Kopf hängt eine kleine Tafel, auf der fünf Striche zu sehen sind. Diese verraten, wieviel Bier er schon getrunken hat.“

Haus Nr. 11 in der Pernstein-Gasse | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Das „Pardubitzer Venedig“

Werner-Ufer | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Durch eine Passage im historischen Haus kommt man an einigen restaurierten gotischen Häuschen vorbei in eine malerische Ecke: zum Werner-Ufer.

„Dieser Teil der Altstadt wird das ,Pardubitzer Venedig‘ genannt, weil sich hier die alte Kaiserrinne befindet. Der Bau des Wassersystems gehörte zu den Prioritäten der Familie Pernstein. Auch dieser Stadtkanal ist ihr Werk. Dem Ort gab der berühmte Bürgermeister Werner den Namen, der hier eine Gerberei betrieb. Erhalten geblieben ist zudem das hiesige Gebäude der alten Kaisermühle. Früher befanden sich hier auch einige Metzgereien. Am Eingang zum Pardubitzer Venedig steht eine Reihe kleiner Häuser, die aus der Zeit der Gotik stammen und zu den ältesten Baudenkmälern der Stadt gehören.“

Pardubitzer Venedig | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Vom Pardubitzer Venedig führt die Straße Kostelní zur Bartholomäus-Kirche. Ursprünglich befand sich der Eingang zur Kirche an der Nordseite des Sakralbaus. Am Portal über dem Eingang schildert ein steinernes Relief die Entstehungsgeschichte des Wappens der Familie Pernstein. Mit dem Bau der Kirche sei Anfang des 16. Jahrhunderts begonnen worden, erzählt Helena Jaklová:

Bartholomäus-Kirche | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Die Kirche wurde erbaut, um dort eine Gruft der Familie Pernstein zu errichten. Das Wertvollste an der Gruft ist der Marmorgrabstein von Vojtěch von Pernstein. Der aktuelle Eingang in die Kirche befindet sich jedoch an der westlichen Seite. Der Vorsaal stammt von 1912, er wurde nach dem Entwurf von Bóža Dvořák erbaut.“

An der Nordseite der Bartholomäus-Kirche vorbei geht es bei der Führung zurück durch die Straße Kostelní bis zur Kreuzung, dort biegt Helena Jaklová nach links in die Zámecká ab – also in die Schlossgasse. Nach ein paar Schritten eröffnet sich ein dreieckiger kleiner Platz, der Bestandteil der alten Stadtbefestigung ist.

„In der Mitte steht ein Empire-Brunnen. Um uns herum befinden sich Gebäude, die früher zu wirtschaftlichen Zwecken oder als Unterkünfte für Soldaten dienten. Hinter dem Turm, der zur Schlossbefestigung gehört, befand sich früher eine Holzbrücke. Hier eröffnet sich schon ein schöner Blick auf das Schloss. Der Weg zum Schloss führt über den sogenannten ,Hungerdamm‘.“

Bartholomäus-Kirche | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Man weiß, was der Lebkuchen in Pardubice kostet

Příhrádek | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Wie Helena Jaklová weiter erzählt, wurde die Holzbrücke 1804 bei einem Hochwasser zerstört. Allgemein richtete die Flut damals relativ große Schäden in der Stadt an. Der Schlossverwalter forderte daher die Menschen auf, Erde hierher zu bringen und einen festen Damm zu bauen. Deswegen hätten die Bewohner von Pardubice das Hochwasser gut überstanden, erzählt Helena Jaklová vor dem Eingang ins Schlossareal und macht auf den Park aufmerksam.

„Um das Schloss herum befindet sich ein prächtiger Schlosspark. Von dieser Seite aus vor dem Eingang in die Residenz ist der hintere Teil des Pernstein-Platzes zu sehen. Dieser wird das ,Pardubitzer Nürnberg‘ genannt.“

Pardubitzer Nürnberg | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Pardubice hat ansonsten unterschiedliche Attribute. Am häufigsten wird es als die Stadt des Lebkuchens bezeichnet. Gibt es dafür eine Erklärung oder eine Legende?

„Die erste Erwähnung der Lebkuchenproduktion in der Stadt stammt von 1515, aus der Zeit von Wilhelm von Pernstein. Bekannt ist die Redewendung ,Man weiß, was der Lebkuchen in Pardubice kostet‘. Die Redewendung ist Anfang des 19. Jahrhunderts entstanden, als ein Jäger nach Pardubice kam, um ein von ihm erlegtes Tier zu verkaufen. Dann jedoch ging er in der Stadt feiern, trank etwas, hatte eine schöne Zeit. Als er einige Tage später nach Hause zurückkehrte, brachte er seiner Frau nichts als ein hartes Stück Pardubitzer Lebkuchen mit. Die Frau war sehr sauer und fragte ihn: ,Hast du nur das für das ganze Geld gekauft?‘ und er antwortete: ,Ja. Du hast keine Ahnung, was der Lebkuchen in Pardubice kostet‘.“

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