Lesungen, Networking und der Blick nach Frankfurt: Tschechien auf der Leipziger Buchmesse 2024
Die Leipziger Buchmesse 2024 ist in vollem Gange. Auch unsere Redakteurin Markéta Kachlíková ist vor Ort. Sie hat bei der feierlichen Eröffnung mit dem Leiter des Tschechischen Literaturzentrums, Martin Krafl, gesprochen, der den Messeauftritt Tschechiens koordiniert.
Herr Krafl, wir treffen uns in Leipzig, bei der Leipziger Buchmesse, und zwar fünf Jahre nach dem Gastlandauftritt Tschechiens im Jahr 2019. Hat dieser Gastlandauftritt etwas verändert? Ist die Stellung der tschechischen Literatur auf dem deutschsprachigen Buchmarkt heute eine andere als davor?
„Ich glaube, ja. Wenn man sich den tschechischen Stand auf der Leipziger Buchmesse heute anschaut, sieht man viel mehr Besucher. Wir haben mit dem Programm in der Messe-Woche bereits am Montag im Literaturhaus in Leipzig angefangen. Da war ein in den deutschsprachigen Ländern bisher unbekannter tschechischer Autor zu Gast – Matěj Hořava mit seinem Roman ‚Pálenka‘ (‚Pálenka – Fieberträume aus Maulbeeren‘). Ich musste selbst staunen, dass wir 90 zahlende Gäste hatten. Unser Gastlandauftritt hat mindestens in den deutschsprachigen Ländern sehr viel gebracht. Und er war eine Eintrittskarte in den Wettbewerb für den Gastlandauftritt auf der Frankfurter Buchmesse. Im Oktober 2023 wurde der entsprechende Vertrag unterschrieben und es freut mich sehr, dass sich Tschechien im Oktober 2026 als Czechia in Frankfurt am Main vorstellen wird.“
Bedeutet der Wechsel von Tschechien zu „Czechia“, dass die Leipziger Buchmesse eher auf den deutschsprachigen Buchmarkt zielt, während die Frankfurter Messe die ganze Welt in den Blick nimmt?
„So ist es. Frankfurt ist international. Unsere Pläne sind, dass wir nicht mehr nur über die Übersetzungen ins Deutsche sprechen, sondern auch die ins Englische, Spanische und Französische. Wobei natürlich die deutschen Übersetzungen die absolute Priorität sind. Wir werden uns auf allen internationalen Buchmessen unter dem Titel ‚Czechia‘ präsentieren. Czechia kann für manch einen überraschend sein, einige Kollegen dachten, es sei nur ein Spiel mit dem Namen unseres Landes. Es ist allerdings auch ein offizieller Titel der Tschechischen Republik. Diese Umbenennung war eine strategische Entscheidung der tschechischen Regierung, und ich denke, sie war richtig.“
Kommen wir auf Leipzig zurück. Vor welchen Gesichtspunkten haben Sie das Programm für die Buchmesse gestaltet? Wie präsentiert sich Tschechien oder Czechia hier?
„Von uns wird immer am meisten Belletristik und Kinderliteratur erwartet. Dora Kaprálová ist mit einer gruseligen Geschichte über ‚Herrn Niemand und die weiße Finsternis‘ vertreten. Marek Toman stellt eine Geschichte über Piraten vor. Zum Belletristik-Programm sind noch Namen zu nennen wie Radka Denemarková, Vratislav Maňák, Matěj Hořava, David Böhm oder Zdena Salivarová-Škvorecká. Es ist ein Mix aus unterschiedlichen Themen, viele der Bücher reagieren auf die aktuelle Situation in unserem Alltag in Europa, und einige der Titel sind auch autobiographisch. Wir hoffen, dass die 15 Veranstaltungen, die wir im Rahmen von ‚Leipzig liest‘ anbieten, auf Interesse stoßen.“
Ein Kind des Gastlandauftritts vor fünf Jahren sind Residenzaufenthalte für Autorinnen und Autoren in Brno / Brünn und Leipzig. Wie ist es derzeit um das Programm bestellt?
„Sehr gut. 2018 und 2019, als wir mit der Idee kamen, gab es ein riesiges Interesse. Verschiedene Menschen haben uns damals aufgefordert, das Programm zu streichen, da es schon viele derartige Angebote gebe. Wir haben uns aber gedacht, das dies zwar stimmt, die Aufenthalte aber zumeist nur in den europäischen Hauptstädten angeboten werden. Unsere Idee war aber, dass eine regionale Residenz in Brünn oder Leipzig durchaus spannend sein könnte. Und wir hatten Recht damit. Schon damals boten wir jeweils fünf Residenzaufenthalte an, und wir hatten auf der deutschen Seite mehr als 60 und auf der tschechischen 50 Bewerber. Das hat uns gezeigt, dass wir auch nach dem Gastlandauftritt damit weitermachen können. Mindestens bis 2026 werden wir weiterhin jeweils einen Autor aus Tschechien nach Leipzig und einen aus Sachsen nach Brünn einladen.“
Ein Programmpunkt auf der Leipziger Buchmesse ist auch eine Networking-Veranstaltung. Was kann man sich genau darunter vorstellen?
„Einen Austausch zwischen Verlegern und Verlegerinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie aus Tschechien. Dazu hat das Tschechische Literaturzentrum etwa 15 wunderbare Übersetzerinnen und Übersetzer eingeladen. Wir hoffen, dass es zu einem Austausch kommt, bei dem die neuesten Bücher angeboten werden. Denn dieses Jahr ist das wichtigste Jahr, um Bücher vorzuschlagen, weil das tschechische Kulturministerium das Förderprogramm für Übersetzungen in den nächsten drei Jahren um 30 Millionen Kronen erhöhen wird. Das ist eine wunderbare Gelegenheit, ein Buch herauszugeben. All die Übersetzungen werden im Rahmen des tschechischen Kulturjahres in Deutschland 2026 beworben und hauptsächlich natürlich während des Gastlandauftritts auf der Frankfurter Buchmesse im Mittelpunkt stehen.“