Tschechische Autoren in Leipzig – trotz Absage der Buchmesse
Die Leipziger Buchmesse findet nicht statt. Die Entscheidung wurde am Dienstag wegen der Ausbreitung des Coronavirus in Europa getroffen. Doch die Messestadt wird nicht ganz ohne tschechische Literatur bleiben. Dies verrät der Hauptkoordinator der tschechischen Präsentation auf der Buchmesse 2020, Martin Krafl, im Interview.
Herr Krafl, die Leipziger Buchmesse wurde wie andere Großveranstaltungen relativ kurzfristig abgesagt. Sie sind der Hauptkoordinator der tschechischen Teilnahme daran. Was bedeutet das für Sie? Wie haben Sie im ersten Moment reagiert?
„Eigentlich mit Schock und Traurigkeit. Auch für mein Team war es nicht leicht. Aber man muss schon sagen, dass wir das nachvollziehen können. Ich habe das nach den Ereignissen in den letzten Tagen auch erwartet.“
Was folgte nach der Entscheidung? Bedeutet das, dass wirklich alle Veranstaltungen wegfallen? Oder denken Sie daran, zumindest etwas in Leipzig zu zeigen?
„Innerhalb der ersten fünf Minuten gab es Stille und eigentlich auch das Gefühl, das war’s. Es schien, dass für dieses Jahr ‚Leipzig und Tschechien‘ nicht machbar ist. Doch nach ein paar Minuten beziehungsweise Stunden erhielten wir Anrufe von unseren Kooperationspartnern. Es machte mir Freude, dass sich auch die Kollegen aus Leipzig gemeldet haben. Ich wurde mehrmals informiert, dass die Großveranstaltungen abgesagt werden, in diesem Fall also die Buchmesse, aber bei den kleineren Veranstaltungen immer noch alles in Ordnung ist. Das gilt für Sachsen genauso wie für Prag, Brünn oder Wien. Deswegen gab es die Frage: Sollen wir jetzt doch noch etwas anbieten?“
Sie haben sich entschieden, mindestens vier Veranstaltungen durchzuführen...
„Wir fangen am Montag, dem 9. März, im Haus des Buches in Leipzig an. Markéta Pilátová stellt ‚Mit Baťa im Dschungel‘ vor, und Marek Toman kommt mit dem Roman ‚Der Prager Golem‘. Am Samstag, dem 14. März, bieten wir eine literarische Kollage mit drei Schriftstellern an, moderiert vom Kulturjournalisten Mirko Schwanitz. Die Gäste sind Viktorie Hanišová, Marek Toman und Marek Šindelka. Sie werden unter anderem versuchen, die Frage zu beantworten, wie die gegenwärtige tschechische Literatur ist und was für eine Rolle tschechische Autoren und Autorinnen auf dem heimischen und auf dem europäischen Buchmarkt spielen. Außerdem haben wir in der Schaubühne Lindenfels am Samstag, 14. März, einen Abend mit dem Übersetzer Ondřej Cikán. Dabei werden auch Gedichte von Ondřej Hložek vorgestellt. Und einen Tag vorher, am Freitag, werden in der Lyrik-Buchhandlung Gedichte von Adam Borzič und von dessen Übersetzerin Martina Lisa gelesen.“
Außerdem wollen Sie die geplante Debatte über den Gastlandauftritt der Tschechischen Republik auf der Leipziger Buchmesse 2019 aus Leipzig nach Frankfurt verschieben…
„Wir haben vor, im Rahmen des offiziellen tschechischen Programms auf der Frankfurter Buchmesse im Herbst über die Ziele, über die Erwartungen und auch über die Folgen dieses Gastlandauftritts zu sprechen. Das Tschechische Literaturzentrum will dann besonders im Sommer und Herbst versuchen, alle Autoren, die nach Leipzig kommen sollten sowie ihre Neuerscheinungen in deutscher Sprache zu bewerben und bei verschiedenen Veranstaltungen, Festivals und Buchmessen zu präsentieren.“
Sie haben gerade erwähnt, dass Tschechien im Jahr 2019 Gastland bei der Leipziger Buchmesse war. Wenn Sie jetzt auf das zurückliegende Jahr zurückblicken: Hat es sich gelohnt?
„Auf jeden Fall. Das Echo des Gastlandauftritts war riesig. Ich war das ganze Jahr praktisch unterwegs. Wir haben die Autoren an verschiedenen Orten in Österreich, der Schweiz sowie Deutschland vorgestellt. Ich habe jetzt das Gefühl, dass wir auf dem Markt sehr stark präsent sind. Nur geht es auch um die Nachhaltigkeit. Wir spüren alle, dass wir jetzt kämpfen müssen. Denn es geht auch darum, dass die Verlage die Autoren in ihren Programmen behalten. Und es ist wichtig, dass die deutschsprachigen Leser diese Bücher finden und lesen. Deswegen wollen wir weiterhin sehr eng mit den Verlagen kommunizieren und die Autoren in die deutschsprachigen Länder einladen.“
Sie haben die tschechischen Autorinnen und Autoren genannt, die trotz der Absage der Messe nach Leipzig kommen, um dort zu lesen und zu diskutieren. Wie haben die Schriftstellerinnen und Schriftsteller auf das Angebot reagiert? Waren sie ängstlich, mussten sie überzeugt werden?
„Eigentlich nicht. Bisher herrscht eine gute Laune. Sie sind immer noch bereit, nach Leipzig beziehungsweise nach Sachsen zu fahren. Das freut mich sehr. Aber natürlich werden wir die Lage sehr sorgfältig beobachten. Falls es in den nächsten Tagen schlimmer werden sollte, werden wir die Autorinnen und Autoren erneut fragen. Falls sich dann jemand von ihnen gegen die Reise entscheidet, werden wir das respektieren.“
Anlässlich der Buchmesse wurde auch eine Zeitung oder ein Newsletter mit Informationen über die tschechische Literatur erstellt. Die Auflage beträgt 5000 Stück. Versuchen Sie, diese Zeitung irgendwie doch an das Lesepublikum zu bringen?
„Das würden wir sehr gerne machen. Denn diese 5000 Stück lagern derzeit bei der Mährischen Landesbibliothek in Brünn. Wir wollen sie aber im Laufe des Jahres distribuieren. So sollen sie zum Beispiel an allen Orten in Deutschland, Österreich und der Schweiz ausliegen, an denen tschechische Autorinnen und Autoren auftreten werden. Auf der ersten Seite der Zeitung gibt es unter anderem ein Gespräch mit dem Kulturminister der Tschechischen Republik über die Gegenwartsliteratur unseres Landes. Dazu kommen Umfragen unter den Schriftstellerinnen und Schriftstellern sowie Übersetzerinnen und Übersetzern. Die Letztgenanten sprechen darüber, wie sie zur tschechischen Literatur gekommen sind, ob sie ein Lieblingsbuch haben und was ein Traum für sie als Übersetzer ist. Und wir stellen auch die aktuellen Neuerscheinungen in deutscher Sprache vor. Falls jemand von Ihren Zuhörern diese Zeitung möchte, sollte er sich an die Mährische Landesbibliothek in Brünn wenden.“