Festival bringt die Leipziger Buchmesse nach Brünn
Ende September hat die Mährische Landesbibliothek in Brno / Brünn ein zweimonatiges Festival gestartet. Es nennt sich „Ahoj Brno! Echo Leipzig“. Sein Programm gilt als der Widerhall der Leipziger Buchmesse 2019, bei der Tschechien das Gastland war.
Allerdings war von vornherein geplant, dieses Ereignis in ein „Tschechisches Kulturjahr“ einzubinden. Dieses wurde dank einer guten Zusammenarbeit der Mährischen Landesbibliothek, der Städte Brno und Leipzig, des Goethe Instituts und der Leipziger Buchmesse bereits im Herbst vergangenen Jahres gestartet. Im Mittelpunkt steht zwar die tschechische Gegenwartsliteratur, aber genauso Film, Fotografie, Comic, Design und Architektur. Klára Přibylová ist PR-Mitarbeiterin der Mährischen Landesbibliothek:
„Entgegen der Tradition dauert das tschechische Kulturjahr knapp 14 Monate lang. Und es läuft nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich und der Schweiz. So haben wir zum Beispiel für Bremen, München, Wien, Zürich oder Basel jeweils ein Programm unter dem Motto ‚Echo Leipzig‘ vorbereitet. Zu den Gastauftritten ist ein Teil der Literaten und der weiteren Künstler gekommen, die sich zuvor in Leipzig vorgestellt hatten. Von den rund 130 Veranstaltungen des tschechischen Kulturjahres konnten wir zudem Verschiedenes auch den einheimischen Kunstfans zeigen. Zum Beispiel in Pilsen, Ostrau, Olmütz oder Jeseník. Und last not least haben die MZK-Organisatoren bei der Planung beschlossen, dass der Widerhall von der Leipziger Buchmesse auch nicht an unserer Stadt vorbeigehen soll.“Tschechisches Kulturjahr
Das Festival „Ahoj Brno! Echo Leipzig“ läuft derzeit auf Hochtouren. Eröffnet wurde es mit einer großen Ausstellung. Sie zeigt auf drei Etagen der Landesbibliothek die wesentlichen Momente der Leipziger Buchmesse in Form von Fotografien. Es sind Aufnahmen von den Autorenlesungen, Diskussionsrunden, Performances und Workshops in Leipzig.„Auf der Buchmesse haben sich 54 tschechische Autoren und Autorinnen vorgestellt. Die Präsentation tschechischer Autoren haben wir zum Anlass genommen, eine für Tschechien bislang ungewöhnlich hohe Zahl von Neuübersetzungen zu fördern. Insgesamt waren es rund 70 Buchtitel. Ohne die Zusammenarbeit mit Verlagen und Übersetzern sowie ohne die finanzielle Hilfe durch das tschechische Kulturministerium und den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds wäre dies nicht möglich gewesen. Bisher sind in der Regel nur fünf bis sechs Bücher pro Jahr ins Deutsche übersetzt worden“, so Přibylová.
Interessant ist auch der Vergleich zum Jahr 1995, als die damalige Tschechoslowakei Gastland der Leipziger Buchmesse war. Denn die Zahl der Neuübersetzungen hat sich beinahe versechsfacht.Beim Festival „Echo Leipzig“ zielen bestimmte Veranstaltungen in der Mährischen Landesbibliothek besonders auf Studierende:
„Im Hinblick auf die Leipziger Buchmesse haben wir insbesondere mit dem Institut für Germanistik an der Masaryk-Universität zusammengearbeitet. Vor allem der Literaturwissenschaftler Zdeněk Mareček schafft es immer wieder, das Interesse seiner Studierenden für unser Programm zu wecken. Daher gab es viel positive Resonanz zum Beispiel auf ein Treffen mit Übersetzern, die bei der Leipziger Buchmesse zu Gast gewesen waren. Konkret war dies der in Wien lebende Autor und Übersetzer Ondřej Cikán und die in Hamburg lebende prominente Übersetzerin Eva Profousová.“
Nicht nur für Studierende interessant war auch die Lesung sowie die Gesprächsrunde zur jüngsten Anthologie aus der Reihe „Europa erlesen“ des Wieser Verlags. Diese stellt nämlich die Stadt Brünn in den Mittelpunkt. Zugegen waren die Autoren des Bandes, Beppo Beyerl und Thomas Kohlwein.
Leipzig und Brünn im Vergleich
Im Vorfeld der Buchmesse waren fünf tschechische Autoren in Leipzig und fünf deutsche Literaten in Brünn jeweils zu einem einmonatigen Residenzaufenthalt. Zu den tschechischen Residenten gehörte im Herbst 2018 auch die Bestseller-Autorin Kateřina Tučková. Die 39-jährige studierte Kunsthistorikerin hat bereits einige wichtige tschechische Preise erhalten. Ihren Aufenthalt in Leipzig habe sie sehr genossen, sagte die Schriftstellerin gegenüber Radio Prag International:„Zum einen hatte ich genug Zeit, mich auf das Schreiben eines neuen Buches zu konzentrieren. Außerdem konnte ich mich auch mit dem Leipziger Kulturleben vertraut machen. Und die Parkanlagen in der Nähe meiner Wohnung haben zum Joggen eingeladen. Leipzig und Brünn haben bestimmte Ähnlichkeiten wie zum Beispiel die architektonische Struktur. Das und vieles mehr, nicht zuletzt auch die Atmosphäre der Stadt, haben dazu beigetragen, dass ich mich dort wie zu Hause gefühlt habe. Erwähnt sei auch, dass Leipzig in der Vergangenheit ebenso wie Brünn ein bedeutendes Zentrum der Textilindustrie war. Für mich war interessant zu vergleichen, wie beide Städte mit ihrer Geschichte umgehen. Im Hinblick auf bedeutende Gebäude, Gedenkstätten, das faszinierende Holocaust-Denkmal, historische Industriebauten, darunter die ehemalige Spinnerei, die für die gesellschaftlichen Bedürfnisse heutiger Menschen revitalisiert wurde, geht Leipzig eindeutig als Gewinner hervor. Das war für mich wahrscheinlich einer der stärksten Eindrücke, die ich mit nach Hause genommen habe. Als Inspiration, wie man es besser machen kann als bei uns.“
Die Bücher von Kateřina Tučková sind bislang in 13 Sprachen übersetzt worden. Einige ihrer Themen beschäftigen sich mit der Geschichte ihrer Heimatstadt Brünn, in der sie bis heute neben Prag eine Wohnung hat. Auf dem Programm von „Ahoj Brno! Echo Leipzig“ stand kürzlich eine Stadtführung mit der Autorin. Die Teilnehmer begaben sich auf die Spuren der Textilmagnaten, die der Stadt einst den Ruf als „Mährisches Manchester“ gaben. Tučková hat in ihrem Roman „Fabrika“ das Leben dieser Unternehmerfamilien in fünf Generationen geschildert.Leser treffen Zeitzeugen
Und natürlich war die Schriftstellerin auch Gast auf der Leipziger Buchmesse. Sie stellte dort die Übersetzung ihres Romans „Gerta. Das deutsche Mädchen“ vor, darin geht es um die Kriegs- und Nachkriegszeit. Im Mittelpunkt steht der sogenannte „Brünner Todesmarsch“, bei dem 27.000 deutschsprachige Bewohner der Stadt nach Pohořelice / Pohrlitz getrieben wurden:
Das Festival „Ahoj Brno! Echo Leipzig“ läuft noch bis zum 30. November. Das Tschechische Kulturjahr wird allerdings bereits am 8. November offiziell beendet. Den Schlusspunkt bildet „Jenůfa“, das wohl berühmtesten Opernwerk von Leoš Janáček. Sie wird vom Nationaltheater Brünn in der Oper Leipzig aufgeführt.
„Ich bin vorher schon wiederholt in Deutschland bei Lesungen, Podiumsdiskussionen oder Vorträgen gewesen. Diesmal kamen aber Menschen, die mein Buch gelesen haben. Unter ihnen waren auch Zeitzeugen der Vertreibung, denen ich schon früher begegnet bin. Das Treffen in Leipzig war für mich sozusagen die erste Begegnung mit Zeitzeugen beziehungsweise ihren Nachkommen vor einem Publikum, das in meinem Buch erstmalig über den Brünner Todesmarsch lesen konnte. Also über das Geschichtskapitel, das mit dieser Stadt verbunden ist. Und das war wichtig sowohl für mich als auch für die Zeitzeugen.“
Kateřina Tučková schreibt allerdings nicht nur Romane, Erzählungen oder Theaterstücke. Sie hat auch mehrere Ausstellungen kuratiert. So geht etwa das Kulturfestival „Meeting Brno“ auf ihre Initiative zurück.