Nah an der Grenze zu Tschechien: Honorarkonsulat in Fürth
Die Tschechische Republik wird durch mehr als 200 Honorarkonsulate in der ganzen Welt vertreten. Allein in Deutschland gibt es fünf davon, und zwar in Hamburg, Rostock, Stuttgart, Frankfurt am Main und Fürth. Das Letztgenannte wird von Paul Heinz Bruder geleitet.
Herr Bruder, Sie wurden im Januar vergangenen Jahres ins Amt als neuer tschechischer Honorarkonsul eingeführt. Wie ist es dazu gekommen? Welche Beziehung haben Sie zu Tschechien?
„Es kam dazu, weil ich Vizepräsident der Internationalen Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken bin. Ein früherer Präsident, Herr Schmidt, der bis dahin Honorarkonsul war, wollte in den Ruhestand gehen und suchte eine Nachfolge. Da fragte man mich, ob ich eine Beziehung zu Tschechien hätte, was ich bejaen konnte, denn wir haben ein Werk in Pilsen. Und durch die Zusage wurde der Prozess einer honorarkonsularischen Einführung gestattet.“
Wie Sie gerade erwähnten, hat das Spielzeugunternehmen Bruder eine Filiale in Plzeň / Pilsen. Wann haben Sie sich entschieden, diese zu gründen? Und wie ist Ihre Erfahrung in Tschechien?
„Wir produzieren in Pilsen Kunststoffspielsachen – die gleichen, wie auch bei uns in Fürth-Burgfarrnbach.“
„Die Entscheidung fiel 2014. Das Unternehmen Bruder war in Deutschland sehr erfolgreich und musste seine Produktion erweitern. Das war keine reine Kostenentscheidung, sondern eine Erweiterungsentscheidung. Wir haben im nahen Ausland gesucht, und Tschechien erschien uns durch die Nähe als sehr gutes Partnerland. So kam es letztendlich dazu, dass wir dort ein Grundstück mit Gebäude gefunden haben.“
Was wird in Pilsen produziert?
„Produziert werden dort Kunststoffspielsachen – die gleichen, wie wir sie auch bei uns in Fürth-Burgfarrnbach produzieren. Das hat sich sehr gut bewährt. Wir verpacken die Spielsachen dort auch, so dass sie das Zeichen ‚Made in CZ‘ tragen. Damit ist Tschechien als Herstellerland genannt.“
Kommen Sie auch persönlich öfters nach Tschechien?
„Natürlich, durch diese Geschäftstätigkeit ist es schon notwendig, als Geschäftsführer immer wieder das Pilsner Werk zu besuchen und mit unserem Geschäftsführer die Strategien für die nächsten Monate abzusprechen.“
Verbindet Sie noch etwas mehr als diese Wirtschaftsaktivitäten mit der Tschechischen Republik?
„Ja, durch diesen Kontakt hat sich das Ganze vertieft, auch in einer gewissen kulturellen Sicht. Pilsen war ja 2015 europäische Kulturhauptstadt. Mich hat sehr beeindruckt, wie sich Pilsen da entwickelt hat. Ich muss sagen, zehn Jahre später ist es eine hervorragende Stadt geworden. Und das ganze Umfeld sind sehr gut entwickelt. Da kann man in Pilsen stolz sein.“
Was hat Sie dazu motiviert, das Amt des Honorarkonsuls der Tschechischen Republik in Mittelfranken anzunehmen?
„Ich hätte kein Honorarkonsulat von einem weitentfernten Land angenommen. Für mich war die persönliche Beziehung zu dem Land ausschlaggebend.“
„Die Motivation kam eben aus diesen guten Kontakten, aus dieser erfolgreichen Ansiedlung. Ich habe mir gedacht, ich kann das auch von der IHK-Seite unterstützen. Ich hätte kein Honorarkonsulat von einem weitentfernten Land angenommen. Für mich war die persönliche Beziehung zu dem Land ausschlaggebend.“
Für das Konsulat in Fürth ist eben kennzeichnend, dass es so nah an der tschechischen Grenze liegt…
„Genau. Ich empfinde es als einen gewissen Vorteil. Denn man kann dazu auch kulturell ganz andere Beziehungen aufbauen, als wenn das ein weiter entferntes Land wäre. Dort hätte man zwar die Dienstleistungen, aber nicht so viel Verbindung mit dem Land.“
Welche Aufgaben haben Sie konkret als Honorarkonsul der Tschechischen Republik?
„In unserem Fall, weil es eben sehr grenznah ist und in Bayern über 50.000 tschechische Bürger leben, betreuen wir diese für Nordbayern, und zwar für Passverlängerungen, Geburtsurkunden und dergleichen. Sie müssen nicht zum Honorarkonsulat nach München fahren, sondern können uns besuchen und bekommen diese Dienstleistungen betätigt.“
Wieviel Zeit nimmt diese Arbeit für die Tschechische Republik in Anspruch?
„In Stunden kann ich es nicht bemessen. Ich habe noch eine Sekretärin, die diese hoheitlichen Aufgaben verwaltet. Sie ist Muttersprachlerin und übernimmt die Kommunikation. Ich übernehme die Aufgabe der Repräsentation. Nürnberg ist zum Beispiel Partnerstadt von Prag, und in dem Zusammenhang kümmere ich mich bei Veranstaltungen darum, die Tschechische Republik dort zu vertreten.“
Welche Bedeutung hat Tschechien für diese Region? Wo gibt es die intensivsten Kontakte oder das stärkste Netzwerk?
„Bayern hat eine der längsten Grenzen mit Tschechien. Durch den grenzüberschreitenden Verkehr ergeben sich sehr viele Kontakte. Nürnberg liegt da vielleicht nicht ganz im Zentrum, weil es doch immerhin 120 Kilometer von der Grenze entfernt ist. Aber durch die Metropolregion, die bis Neustadt-Coburg reicht und in der viele Grenzstädte beinhaltet sind, ergibt sich auch für das Honorarkonsulat eine gewisse Verbindung.“
Können Sie einige konkrete Beispiele nennen, wie Sie die bilateralen Beziehungen unterstützen?
„Die Wenzelsburg in Lauf war vor ein paar hundert Jahren ja Böhmen. Böhmen und Franken waren in der Vergangenheit verbunden. Wir wollen das als kulturellen Hintergrund aufleben lassen.“
„Es gibt etwa die Wenzelsburg in Lauf. Das war früher, vor ein paar hundert Jahren, ja Böhmen. Da sind noch historische Wappen an der Wand, die man wiedergefunden hat. Das ist ein gewisses Indiz, wie eng Böhmen und Franken in der Vergangenheit verbunden waren. Wir wollen das als kulturellen Hintergrund aufleben lassen, indem man etwa Konzerte in Lauf veranstaltet. Oder es gibt in Nürnberg Landsmannschaften, die ehemaligen Vertriebenen, die noch ihre Kultur pflegen. Da hat sich in den letzten Jahren ein ganz anderes Bild ergeben. Es ist nicht mehr so konfrontativ, sondern ein Miteinander. Ich habe diese Treffen auch schon besucht, um dort die tschechische Flagge zu zeigen und auszudrücken, dass man mit dabei ist und es wohlwollend begleitet.“
Sie engagieren sich also nicht nur in der Industrie und Wirtschaft, was eigentlich Ihr Wirkungsbereich ist, sondern auch in der Kultur und in den persönlichen Beziehungen?
„Ja natürlich. Es ist die Aufgabe eines Honorarkonsuls, die Tschechische Republik zu repräsentieren und auch positiv darzustellen. Ministerpräsident Marcus Söder (CSU, Anm. d. Red.) hat zum Beispiel die bayerisch-tschechische Freundschaft ausgerufen, die 2023 in Selb begangen wurde. Der tschechische Präsident war anwesend, und ich bin auch als Repräsentant hingefahren. Es ist schon ein wichtiges Anliegen, diese Gemeinschaft – aus der Geschichte heraus und auch für die Zukunft – kulturell zu begleiten.“
Die Berufsdiplomaten werden für vier Jahre in das jeweilige Land geschickt. Sie leben ständig vor Ort und vertreten Tschechien in Bayern. Haben sie ein Ziel, das Sie durch Ihre Tätigkeit einmal in den deutsch-tschechischen beziehungsweise bayerisch- tschechischen Beziehungen erreichen wollen?
„Ich möchte gerne langfristig wirken, was auch mit unserer Tätigkeit zu tun hat: Wir stellen Spielwaren her, und daher ist es für mich im Fokus, gerade im Bereich der Jugendlichen gewisse Ziele zu erreichen. Zum Beispiel, dass es über das Thema Sprache mehr Austausch gibt. Außerdem wollen wir gewisse Gruppen in Pilsen unterstützen, wie wir es jetzt schon in Deutschland tun. Damit wächst vor allem bei der jungen Generation etwas zusammen, was später ein wichtiger Bestandteil sein wird. Denn was man in der Jugend lernt, verliert man nicht mehr.“