Thomas Zwiefelhofer: Was es bedeutet, Tschechiens Honorarkonsul in Liechtenstein zu sein

Thomas Zwiefelhofer

Die diplomatischen Beziehungen zwischen der Tschechischen Republik und dem Fürstentum Liechtenstein wurden erst 2009 aufgenommen. Seit 2018 gibt es ein Honorarkonsulat in Vaduz. Geleitet wird es von Thomas Zwiefelhofer, einem ehemaligen Regierungschef-Stellvertreter Liechtensteins mit Zuständigkeit für das Ministerium für Inneres, Justiz und Wirtschaft.

Herr Zwiefelhofer, Sie sind Honorarkonsul der Tschechischen Republik in Vaduz. Was ist Ihre persönliche Beziehung zu Tschechien?

„Meine Familie hat Wurzeln in Südböhmen. Zwiefelhofer gab es 300 oder 400 Jahre lang in der Region von Český Krumlov.“

„Meine Familie war mehrere hundert Jahre in Südböhmen. Zwiefelhofer gab es 300 oder 400 Jahre lang in der Region von Český Krumlov. Ich habe vor ein paar Jahren meinen Stammbaum erforscht, war in Třeboň im Archiv und habe viel Arbeit in diese Familiengeschichte gesteckt. Ich habe auch ein paar spannende Beispiele gefunden, zum Beispiel war ein Zwiefelhofer in Český Krumlov Mitgründer und Direktor des dortigen Sommertheaters. Es gibt also Spuren von Zwiefelhofer in Südböhmen, und so habe ich eine Beziehung. In Liechtenstein selbst war ich ein paar Jahre Mitglied der Regierung, ich war Vizepremier und Justizminister. Und als ich da aufgehört habe, hat am gleichen Tag die tschechische Botschaft angerufen und mich gefragt, ob ich – da ich ja jetzt Zeit hätte – nicht bereit wäre, Honorarkonsul für Tschechien zu werden. Wegen der Familiengeschichte habe ich das natürlich sehr gerne angenommen.“

Haben Sie sich auch bereits als Regierungsmitglied in den tschechisch-liechtensteinischen Beziehungen engagiert? Auf welcher Grundlage kam dieses Angebot von der tschechischen Seite?

„Als Regierungsmitglied hat man auch mit Botschaftern zu tun. Ich habe mich bei Veranstaltungen, bei denen ich auch als Wirtschaftsminister geredet habe, mit Botschaftern ausgetauscht. Es ist bei den Botschaftern sehr beliebt, ehemalige Minister als Konsuln zu gewinnen, weil man als Regierungsmitglied alle kennt. Man kennt die Verwaltung, man kennt die Politik, und das ist natürlich hilfreich nachher im Job als Honorarkonsul, wenn man die Türen öffnen kann, wenn man dieses Netzwerk hat. Ich glaube, das war die Hauptidee der tschechischen Botschaft, als sie mich gefragt haben.“

Was hat Sie dazu motiviert, dieses Angebot anzunehmen?

„Ich glaube, die Beziehung von Ländern zu pflegen und zu unterstützen, ist eine schöne Aufgabe. Es ist auch spannend, weil man immer wieder neue Menschen kennenlernt. Und weil meine Familie Wurzeln in Böhmen hat, war es für mich eine Ehre, das Tschechien mich jetzt gefragt hat, ob ich bereit bin, hier zu helfen. Ich mache das wirklich sehr gerne.“

Was sind Ihre Aufgaben als Honorarkonsul der Tschechischen Republik in Liechtenstein?

Honorarkonsuln der Tschechischen Republik treffen sich zum vierten Mal in Prag | Foto: Tschechisches Außenministerium

„Ich glaube, das ist in jedem Land etwas anders. Die Aufgaben eines Honorarkonsuls grundsätzlich sind aber immer ungefähr die gleichen: die Betreuung von tschechischen Staatsbürgern, die vor Ort leben, und die Unterstützung der Botschaften, die teilweise ein bisschen weiter weg sind. Auch in Liechtenstein ist die Botschaft in Bern, das ist mit dem Auto drei Stunden entfernt. Und natürlich hilft und unterstützt man auch die tschechische Wirtschaft und Tourismusförderung, man macht Werbung für das Land. In Liechtenstein gibt es sehr wenige tschechische Staatsbürger, es sind etwa 25. Meine Hauptaufgabe ist also nicht, mich um diese 25 Personen zu kümmern, sondern die Hauptaufgabe in Liechtenstein ist sicher vielmehr die Pflege der Beziehungen, das Türenöffnen, die politische Vernetzung. Und auch der Tourismus. Die Liechtensteiner reisen alle sehr gerne nach Prag, Böhmen und Mähren. Es kommen immer wieder Menschen, die mir sagen, kannst du mir einen Tipp geben, ich fahre nach Tschechien, was muss ich mir anschauen, wohin soll ich gehen? Diese Beratung und Tourismusförderung ist in Liechtenstein ein wichtiges Thema.“

Das Amt des Honorarkonsuls übt man ehrenamtlich aus. Das bedeutet, Sie machen dies in Ihrer Freizeit. Wieviel Zeit widmen Sie diesem Engagement?

„Die gegenseitige Anerkennung und diese Aufnahme der diplomatischen Beziehungen war ein wichtiger Schritt. Es gab viele Jahre praktisch eine Eiszeit.“

„Ich mache das nicht unbedingt in der Freizeit. Ich habe das Glück, dass mein Arbeitgeber, die Firma First Advisory, das akzeptiert hat. Die Räume des Konsulats sind auch in diesem Unternehmen. Ich mache viele dieser Tätigkeiten auch während der Arbeitszeit, was von der Firma auch unterstützt wird. Der Aufwand ist sehr unterschiedlich. Immer wenn es in Richtung Staatsfeiertag geht, an dem ein Empfang geplant ist, ist es ein bisschen mehr Arbeit. In intensiven Phasen bin ich ein paar Stunden oder sogar einen Tag in der Woche mit diesem Thema beschäftigt, und dann kann es wieder ein paar Monate sehr ruhig sein.“

Die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern wurden erst 2009 aufgenommen, nach 70 Jahren Pause. Denn im 20. Jahrhundert kam es nach dem Zweiten Weltkrieg zur Enteignung der Liechtensteins in der Tschechoslowakei. Wie würden Sie die Beziehungen heute einschätzen? Welchen Fortschritt hat man in den zurückliegenden 15 Jahren erreicht?

„Ich glaube, die gegenseitige Anerkennung und diese Aufnahme der diplomatischen Beziehungen war ein wichtiger Schritt. Es gab viele Jahre praktisch eine Eiszeit, und es war auch fast ein bisschen lächerlich, dass Liechtenstein und Tschechien, beide Mitglieder in der Europäischen Union oder im EWR, es viele Jahrzehnte quasi nicht geschafft haben, die Beziehungen auf eine formelle, saubere Ebene zu bringen. Es war also höchste Zeit. Seit dieser offiziellen Aufnahme der diplomatischen Beziehungen und auch der Eröffnung des Konsulats im Jahr 2018 sind viele gute Entwicklungen passiert. Man muss vor allem die tschechisch-liechtensteinische Historikerkommission erwähnen, die von beiden Staaten gemeinsam eingerichtet wurde, mit zwei Ko-Vorsitzenden. Das sind renommierte Historiker aus Tschechien und Liechtenstein. Sie haben diese ganze Geschichte, nicht nur die Enteignung und die juristische Problematik, sondern die ganze Geschichte der letzten 500 bis 700 Jahre, in denen die Liechtensteiner Familie vor allem in Mähren sehr aktiv war, sauber aufgearbeitet. Es gibt mehrere Bücher, die sehr spannend und auch sehr neutral, wissenschaftlich formuliert sind. Sie wurden von beiden Ländern gemeinsam herausgegeben, in Tschechisch und in Deutsch.

Rechtliche Fragen bleiben ungeklärt

Das war ein Riesenfortschritt. In den letzten zwei, drei Jahren war es wieder ein bisschen schwieriger, weil die rechtlichen Fragen immer noch ungeklärt sind. Es gab leider eine Entwicklung in eine andere Richtung, als ein tschechisches Gericht einen neuen Fall zu Ungunsten der fürstlichen Familie entschieden hat. Die Regierung Liechtensteins hat dann gesagt, dass so eine Entscheidung eine Nichtrespektierung unserer Souveränität sei, und darum eine Klage beim Europäischen Gericht eingereicht. Das hat natürlich auf der tschechischen Seite nicht nur Freude ausgelöst, sondern auch Kopfschütteln und Ärger. Aber das ist alles auf der diplomatischen Ebene. Ich merke, dass dies in den Beziehungen und in der Wirtschaft keine Probleme ausgelöst hat. Aber natürlich ist es unschön, dass hier noch ein Verfahren läuft. Es wäre wahnsinnig schön, wenn es hier eine Lösung geben würde, die beide Seiten gut finden. Ich weiß, dass zum Beispiel der Präsident der Tschechischen Republik, Herr Pavel, mit dem Erbprinzen Alois von Liechtenstein sich am Rande der Uno in New York zusammengesetzt und diskutiert hat. Ich glaube, man ist nicht so weit voneinander entfernt. Es bräuchte nun den politischen Mut, hier eine gute Lösung für beide Seiten zu finden.“

In welchen Bereichen sind die Kontakte zwischen Liechtenstein und Tschechien am stärksten? Gibt es etwa in der Wirtschaft eine Zusammenarbeit?

„Das tschechische Bier wird generell in Liechtenstein als das beste Bier angeschaut."

„Die Wirtschaft ist sicher das größte Thema. Der Baumaschinenkonzern Hilti, das größte Liechtensteiner Unternehmen mit fast 40.000 Mitarbeitern weltweit, hat nun den Fokus auch auf Tschechien gelegt und hat hier noch mehr ausgebaut. Natürlich sind aus Tschechien vor allem die Landwirtschaftsprodukte in Liechtenstein bekannt. Das tschechische Bier wird generell in Liechtenstein als das beste Bier angeschaut. Und die Kultur ist wichtig. In diesem Bereich konnte ich etwa über Stiftungen organisieren, dass ein Orchester junger Musiker aus Liechtenstein, das Ensemble Esperanza, beim Festival in Litomyšl aufgetreten ist.“

Inwieweit ist Tschechien in Liechtenstein ein Begriff? Was weiß man dort über Tschechien? Ist überhaupt etwas bekannt?

„Jeder Liechtensteiner hat in der Schule auch die Geschichte Böhmens mitbekommen: Der Prager Fenstersturz, die Schlacht am Weißen Berg, der Dreißigjährige Krieg, aber auch die Thematik mit dem Kommunismus nach dem Zweiten Weltkrieg – all das wurde behandelt. Die Liechtensteiner Kinder erfahren also in der Schule von der Geschichte Tschechiens als Teil der europäischen Geschichte. Alle Liechtensteiner kennen ein bisschen auch die tschechische Geschichte, weil es eben auch liechtensteinische Geschichte ist. Und ich kenne eigentlich niemanden in Liechtenstein, der nicht mindestens einmal in Prag gewesen ist und begeistert war.“

Wir treffen uns nun in Prag anlässlich einer Beratung aller Honorarkonsuln der Tschechischen Republik in der ganzen Welt. Kommen Sie öfters nach Tschechien?

„Ich kenne eigentlich niemanden in Liechtenstein, der nicht mindestens einmal in Prag gewesen ist.“

„Ja, ich bin öfters vor allem in Prag. Ich habe das Glück, dass Liechtenstein sehr nahe ist. Mit der Autobahn bin ich in rund fünf Stunden hier. Und weil mir Prag so gut gefällt und weil meine Familiengeschichte auch hier herführt, habe ich vor ein paar Jahren eine Ferienwohnung in Prag gekauft. Meine ganze Familie sowie Freunde und Bekannte nutzen diese Wohnung sehr intensiv. Ich bin selber sicher alle zwei Monate hier in Prag und genieße diese Stadt unglaublich. Ich finde, Prag ist neben Venedig die schönste Stadt in Europa.“

Haben Sie als Honorarkonsul eine Vision, ein Ziel – vielleicht auch ein langfristiges –, das Sie durch Ihr Engagement in den tschechisch-liechtensteinischen Beziehungen erreichen möchten?

„Da muss man realistisch sein. Liechtenstein und Tschechien sind zwei sehr ungleich große Länder. Liechtenstein ist sehr klein. Ich glaube, mein Ziel ist, dass die Verbindungen zwischen Tschechien und Liechtenstein entspannter werden, dass diese Probleme sich irgendwann lösen. Wenn hier Tschechien und Liechtenstein für die alten Geschichten eine Lösung finden, dann wäre das ein Schritt, der alle freuen würde. Das ist ein Ziel, bei dem ich versuche mitzuhelfen, dass es vorwärts geht.“