Verteidigungsausgaben: Tschechien und das Zwei-Prozent-Ziel der Nato
Angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine pocht die Nato derzeit darauf, dass die Mitgliedsstaaten zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung investieren. Tschechien hat für dieses und auch für das kommende Jahr angekündigt, dieses Ziel zu erreichen. Doch die geplante Investitionssumme setzt sich nicht nur aus der Finanzierung des Verteidigungsministeriums und damit der Armee zusammen. Eingerechnet werden auch scheinbar abwegige Posten. Das wirft Fragen auf.
Der Staatshaushalt für das kommende Jahr liegt derzeit Präsident Petr Pavel zur Unterschrift vor. Tschechien verpflichtet sich mit dem Gesetz auch, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung zu investieren, oder in absoluten Zahlen: 161 Milliarden Kronen (6,4 Milliarden Euro). So will man den Anforderungen der Nato nachkommen.
Das Problem: Das Verteidigungsministerium soll laut dem Etat für 2025 nur mit 154 Milliarden Kronen (6,1 Milliarden Euro) haushalten. Das sind zwar drei Milliarden Kronen (120 Millionen Euro) mehr als im laufenden Jahr und sogar 43 Milliarden (1,7 Milliarden Euro) mehr als 2023. Das Zwei-Prozent-Ziel kann dadurch aber weiterhin nicht erreicht werden.
Doch was nicht passt, wird passend gemacht. So wird der Verteidigungsetat durch Gelder, die in andere Ressorts und Behörden gehen, aufgestockt, um die geforderte Summe zu erreichen. Von der Präsidialkanzlei etwa werden 60 Millionen Kronen (2,4 Millionen Euro) in den Verteidigungsetat eingerechnet, die für eine bessere Absicherung der Prager Burg vorgesehen sind. Das Außenministerium kalkuliert Kosten mit ein, die durch die tschechische Mitgliedschaft in der Nato entstehen. Und auch das Innenministerium beteiligt sich an der Kritikern zufolge künstlichen Aufstockung des Verteidigungsetats. Der Sprecher des Ressorts für Inneres, Ondřej Krátoška, sagt:
„Die Summe wird etwa für den Verbindungsoffizier der Feuerwehr bei der Nato eingesetzt und für die Modernisierung des Schießplatzes in Poříčany, auf dem auch die Spezialeinheit für Terrorismusbekämpfung der Polizei übt. Außerdem investieren wir in Drohnenabwehrsysteme.“
Zudem rechnet man die laufenden Kosten für ein System zur Übermittlung geheimer Informationen, das von der Staatsführung verwendet wird, in das Zwei-Prozent-Ziel mit ein. Hinzugezählt werden auch die gesamten Ressourcen des Nationalen Sicherheitsamtes (NBÚ), des Nationalen Amtes für Cyber- und Informationssicherheit (NÚKIB) sowie der Staatlichen Materialverwaltung (SSHR).
Kritiker bemängeln dies, da diese Behörden nicht einzig und allein militärischen Zwecken dienen. Die Nato könnte deshalb nicht alle aufgezählten Ausgaben als Investition in die Verteidigung anerkennen, so die skeptischen Beobachter. Auch Verteidigungsministerin Jana Černochová (Bürgerdemokraten) räumte im November ein:
„In den Verteidigungsausgaben finden sich einige Posten, von denen wir wissen, dass sie nicht akzeptiert werden. Darauf haben wir vorab hingewiesen. Ich hoffe, dass das Finanzministerium, die anderen Ressorts und die Regierung daraus lernen. Sie müssen einsehen, dass es keinen Sinn macht, Summen aufzuführen, die abgelehnt werden und die somit Pseudo-Verteidigungsausgaben sind.“
Sollte Tschechien sein Verteidigungsziel nicht erreichen, drohen zwar keine Sanktionen von der Nato. Das Land könnte aber an Reputation einbüßen und als wenig zuverlässiger Bündnispartner wahrgenommen werden, warnt Jakub Landovský. Er war bis vor Kurzem Tschechiens ständiger Vertreter im Nordatlantikrat:
„Diese Geldmittel und politischer Mut sind derzeit wichtig, da die US-amerikanische Administration nur darauf Wert legen wird, welches Land genug bezahlt und welches nicht. Wir befinden uns in einer Region, in der fast alle das Ziel erfüllen. Der Sinn der transatlantischen Beziehungen ist aber nicht, dass wir kreative Buchhalter sind. Wir sollten uns stattdessen durch Fairplay auszeichnen.“
Das Ziel von Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts hatte die Nato erstmals 2014 ausgesprochen. Bis 2024 sollten alle Mitgliedsstaaten die Marke erreichen, hieß es damals. Erhöht werden die Ausgaben derzeit in vielen Ländern auch mit Blick in die USA, wo Donald Trump im Januar ins Amt des Staatspräsidenten eingeführt wird. Im Wahlkampf hatte er verlautbaren lassen, dass sein Land den Nato-Staaten im Falle eines Angriffes durch Russland nicht zu Hilfe eilen werde, sollten die Bündnispartner nicht ausreichend viel in die Verteidigung investieren.
Tschechien ist 1999 der Nato beigetreten und erreichte in den Anfangsjahren fast immer Verteidigungsausgaben von zwei Prozent. Ab 2005 brach der Anteil jedoch ein. Vergangenes Jahr lag der Anteil am Bruttoinlandsprodukt nur bei 1,37 Prozent. Ob das Zwei-Prozent-Ziel 2024 erreicht wurde, wird in der ersten Hälfte des kommenden Jahres feststehen.