Tschechische Industrieproduktion stagniert seit zwei Jahren – nur leichte Hoffnungen auf Deutschland
Die tschechische Industrie kommt aus der Stagnation nicht heraus. Auch im Januar sank ihre Produktion, wenn auch nicht so stark wie befürchtet. Wo liegen die Gründe, und was müsste sich ändern?
Als das Statistikamt am Dienstag die aktuellsten Zahlen zur tschechischen Industrieproduktion bekanntgab, war niemand wirklich erstaunt. Auch im Januar gab es wieder einen Rückgang, und zwar um 0,6 Prozent im Jahresvergleich und um 0,3 Prozent im Vergleich zum Dezember. Damit ist das dritte Jahr angebrochen, in dem die Industrie hierzulande stagniert. Zuletzt gab es 2022 ein Wachstum, und zwar ein Plus von 4,0 Prozent.
Bohuslav Čížek ist Hauptökonom des Verbandes für Industrie und Verkehr (SP ČR). Im Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erläuterte er:
„Es gibt mehrere Gründe für die Entwicklung. Einer der wichtigsten ist die schwache Dynamik in der Wirtschaftsleistung ganz Europas. Die Nachfrage ist gering, und die Aufträge fehlen. Vor allem betrifft das Deutschland. In unserem großen Nachbarland geht die Industrieproduktion noch stärker zurück als bei uns. Wir hatten in den vergangenen beiden Jahren weiterhin bessere Ergebnisse als die deutsche Industrie. Hinzu kommen jedoch strukturelle Probleme wie die hohen Energiepreise.“
Čížek nennt zudem den Wust von Vorschriften, also die Regulierung. Und nicht zuletzt verweist er auf den wieder aufkommenden Protektionismus weltweit.
Gerade die Konjunktur in Deutschland ist enorm wichtig für das kleinere Tschechien. Der Ökonom verdeutlicht dies an den Zahlen...
„Ein Drittel unseres Exports geht in das Nachbarland. Außerdem zeigen die Daten, dass ein Großteil dieser Ausfuhren an konkreten Abnehmern in Deutschland hängt. Das heißt, dass die Flexibilität in diesem Bereich nicht sehr groß ist. Natürlich gibt es auch andere Beispiele, in denen Firmen ihre Exporte diversifiziert haben. Das unterstützt der Verband ausdrücklich. Zu solchen Änderungen ist es aber nicht in großem Umfang gekommen“, so Čížek.
Dabei habe jedoch die tschechische Industrie zumindest zu Anfang der aktuellen Krise den Umfang ihrer Exporte nach Deutschland erhalten können, sagt Bohuslav Čížek weiter. Mittlerweile zeige sich jedoch die dortige anhaltend schwache Wirtschaft auch in den hiesigen Ergebnissen.
Laut dem Statistikamt ging im Januar vor allem die Produktion von Autozubehör zurück. Dies ist traditionell eine der Waren, die Firmen aus Tschechien nach Deutschland liefern. Es gab aber auch Branchen mit Zuwächsen. Filip Postucha von der Wirtschaftsberatung Deloitte ordnet das ein:
„Einige Industriezweige wachsen stabil, das sind besonders die Fertigung von Computern und die Lebensmittelproduktion. Andere Zweige weisen hingegen einen langfristigen negativen Trend auf, vor allem die Chemie- und Kunststoffindustrie. Einem Teil der Industrie geht es also gut, doch eben gerade der Bereich Automotive als Hauptbranche verzeichnet einen Rückgang wegen des geringeren Absatzes in Deutschland als unserem Haupthandelspartner.“
Genau deswegen wird hierzulande nun aber aufmerksam verfolgt, mit welchen Plänen die künftige Bundesregierung die eigene Wirtschaft wieder ankurbeln will. Das umfangreiche Finanzpaket, das im Raum steht – könnte es auch eine Hoffnung für tschechische Firmen sein? Bohuslav Čížek:
„Im Kontext der wirtschaftlichen Informationen aus Deutschland der vergangenen Jahre ist dies sicher eine positive Nachricht oder zumindest etwas, das die Hoffnung nährt. Jedoch bestehen weiterhin viele Fragezeichen. Wir werden das erst sehen, wenn sich die Regierung in Berlin gebildet hat. Und man muss ebenso die Entwicklung rund um die US-Zölle im Auge haben. Denn es gibt viele Faktoren, die auf die deutsche Wirtschaft einwirken.“
Auch Postucha hält den möglichen Handelskrieg zwischen den USA und Europa für einen großen Unsicherheitsfaktor, der indirekt die Industrieproduktion hierzulande negativ beeinflussen könnte. Zugleich sieht der Wirtschaftsexperte von Deloitte eine Hoffnung für die tschechische Rüstungsindustrie, sollte Deutschland seine Ausgaben für die Verteidigung wirklich erhöhen.