Nördlichstes Loretto Mitteleuropas in Rumburk und Aussichtsturm auf dem Dymník
Die nordböhmische Stadt Rumburk (Rumburg) bietet keinen großen Reichtum an historischen Gebäuden und Denkmälern. Doch trotzdem findet man dort - unauffällig und versteckt unter andern Häusern - ein Unikum: in Rumburg wurde im 17. Jahrhundert die nördlichste Santa Casa Mitteleuropas gebaut. Mehr erfahren Sie von Markéta Maurová und Silja Schultheis in der nachfolgenden Touristensprechstunde.
Ganz unauffällig, umgeben von uninteressanten, grauen Stadthäusern steht das Kapuziner-Kloster in Rumburg, in dessen Hof sich eine Loretto-Kapelle verbirgt. Im Kreuzgang wartet Miroslava Beckova auf uns, um uns über deren Geschichte zu erzählen.
"Diese Loretto-Kapelle ist eine treue Kopie der ursprünglichen italienischen Loretto-Kirche. Der Legende nach hätten Engel die Santa Casa, d.h. das Haus, in dem die Jungfrau Maria wohnte, aus Nazareth nach Loretto übertragen. Dort wurde um dieses Haus eine Kirche gebaut und so entstand einer der berühmtesten Wallfahrtsorte der Welt. Auf unserem Gebiet wurden die Loretto-Kapellen erst in der Barockzeit gebaut, als es zu einer Re-Katholisierung und Wiederbelebung des Jungfrauenkults kam. Diese Loretto-Kapelle wurde in den Jahren 1704-1709 erbaut, während der Herrschaft von Anton Florian Liechtenstein. Der Baumeister dieser Kapelle war Johann Lukas Hildebrandt. Der größte Unterschied zur italienischen Kapelle beruht darin, dass diese mit Statuen aus Sandstein geschmückt wurde, die italienische hingegen mit Statuen aus Carrara-Marmor."
Für das nördlichste Loretto Mitteleuropas, das mit ungünstigen Klimabedingungen kämpfen muss, wäre sicher der Marmor ein geeigneteres Baumaterial. Leider gibt es aber in Böhmen mehr Sandstein- als Marmorfelsen, und so musste man sich damit zufrieden geben. Da das Dach der Kapelle flach war, konnte das Wasser davon nicht abfließen; mit der Zeit drang es in die Kapelle durch und beschädigte sie. 1808 wurden daher die Statuen abgetragen und vor dem Kloster ausgestellt. Derzeit ist die Santa Casa mit 20 Statuen geschmückt. Oben befinden sich 10 Sibyllen und in der unteren Reihe zehn Propheten. Der Künstler ist Johann Franz Bienert aus Schirkeswalde, einer kleinen Stadt auf der deutschen Seite der Grenze. Treten wir aber schon in die Kapelle ein...
"Die wichtigste Sache hier ist die Schwarze Madonna dort vorne. Sie wurde 1694 in Rom gefertigt und noch in demselben Jahr vom Papst geweiht. Eine Woche weilte sie im italienischen Loretto und daraufhin wurde sie nach Rumburg übertragen. Es ist eine treue Kopie der ursprünglichen Madonna. Sowohl das Original als auch alle Kopien sollen angeblich heilend wirken und kleine Wünsche erfüllen. Die Schwarze Madonna ist die Patronin der Waisenkinder und Flüchtlinge ... und in der neuzeitlichen Auffassung auch der Flieger, und zwar in Anspielung darauf, wie die Santa Casa nach Loretto kam."
Und warum ist die Schwarze Madonna schwarz?
"Angeblich weil die ursprüngliche Madonna aus schwarzem Ebenholz war. Deswegen werden alle Kopien schwarz bemalt. Einer anderen Version nach war die ursprüngliche Madonna hell. Da aber zahlreiche Pilger zu ihr kamen und jeder dort eine Kerze anzündete, wurde sie mit der Zeit vom Kerzenrauch schwarz."
Der Hof, auf dem die Santa Casa steht, ist - wie es in Klöstern üblich ist - von einem Kreuzgang umgeben. Er wurde erst vierzig Jahre später als Kapelle fertiggebaut, in der Mitte des 18. Jahrhunderts. In den Lünetten sind die 14 Stationen des Leidensweges dargestellt, ein Werk von Josef Maschke aus dem Jahre 1893. Die Decke wird durch Szenen aus dem Leben der Jungfrau Maria geschmückt, die derzeit renoviert werden. Eine allmähliche Renovierung verläuft übrigens im gesamten Komplex, der sich nach mehreren Jahrzehnten, als er geschlossen war, in ziemlich schlechtem Zustand befindet. Langsam wird er jedoch zu neuem Leben erweckt.
Nachdem wir die Loretto-Kapelle besichtigt haben, erwartet uns ein zwar bequemer, aber auch langer Aufstieg auf den Dymnik - Rauchberg. Für diejenigen, die keine Lust zur Fußwanderung haben, gibt es die Möglichkeit, mit dem Auto bis fast unter den Gipfel zu fahren und dort vor einer Jagdgaststätte zu parken. Zum Aussichtsturm auf der Bergspitze sind es dann nur noch einige Duzend Meter. Der Turm ist mehr als 100 Jahre alt. Damals traf ein großes Glück die Bergsektion des "Wandervereins für das nördlichste Böhmen", die die Errichtung eines Aussichtsturms auf dem Rauchberg plante. Was damals passierte, erzählt uns der Direktor der Hotelschule in Rumburg, Petr Jakubec:
"Die Vereinsmitglieder begrüßten das Vorhaben eines Mitglieds des Stadtrates von Rumburg, August Wentschuh. Dieser wollte anlässlich seines 60. Geburtstags einen Aussichtsturm erbauen, und zwar auf eigene Kosten. Zum Bau wurde der unweit der Stadt gelegene Hügel Dymník (Rauchberg) ausgesucht, unter dessen Gipfel sich bereits seit 1895 ein Ausflugsgasthaus befand. Mit dem Aufbau wurde im Frühling 1896 begonnen und bis Ende Sommer wuchs auf dem Rauchberg ein 15 Meter hoher, zylindrischer Ziegelturm empor."
Die Einweihung fand noch im selben Jahr statt. Bei dieser Gelegenheit wurden die Schlüssel dem Wohltäter August Wentschuh übergeben, der sie später Repräsentanten der Rumburger Sektion des Wanderervereins schenkte. Der Verein enthüllte am Eingang eine Gedenktafel mit dem Widmungstext und benannte die Aussichtsstelle zu Ehren des Mäzens "August-Turm". Es folgten 100 Jahre, in deren Laufe der Turm zunächst von Ausflüglern und Wanderern besucht wurde, später jedoch verödete. Glücklicherweise nicht endgültig...
"1994 wurde dieser Turm, nach der Verheerung, zu der es im letzten Jahrhundert kam, wiedereröffnet. Er bietet eine Aussicht vor allem auf das Lausitzer Gebirge - wir sehen die Berge Lu (Lausche), Hvozd (Hochwald), Klíè (Kleiß), Jedlová (Tannenberg), weiter die Böhmisch-Sächsische Schweiz und die Rumburger Hügellandschaft. Wir können von hier auch andere Aussichtstürme - auf dem Wolfsberg und auf dem Nadelberg - gut sehen."
Im Mittelalter erfüllten verschiedene Aussichtspunkte in der Landschaft vor allem Sicherheits- und Verteidigungsaufgaben. Von den höheren Bergen aus wurde der tiefe Grenzwald gegen den Einbruch der feindlichen Heere bewacht. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts erlebte der Tourismus in der Region einen Aufschwung und es entstanden zahlreiche Wandervereine, die bedeutende Ausflugslokalitäten entdeckten. Und diese Vereine begannen auch, einfache Aussichtstürme zu bauen - zunächst aus Holz und danach auch aus Stein und Ziegeln. Gleichzeitig entstanden unter diesen Türmen auch Gasthäuser, die zum Großteil bis heute die Wanderer bewirtschaften.
An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gab es hier, auf der böhmischen Seite, 13 Aussichtstürme. Ein Teil davon verfiel bereits während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. 1946 fiel z.B. der bedeutende Aussichtsturm auf dem Lausche-Berg, dem höchsten Berg des Lausitzer Gebirges, einem Brand zum Opfer. Die Türme, die stehen blieben, wurden zum Großteil in den 90er Jahren renoviert. Heute gibt es hier vier wichtige Aussichtstürme - Tanecnice (Tanzplan), Vlci hora (Wolfsberg), Dymník (Rauchberg), unter dem wir stehen, und Jedlová (Tannenberg).