Nordlichter im Böhmerwald: Finnisches Kulturzentrum in Žihobce

Kinderzeichnungen zum Thema „Finnland mit Kinderaugen“ (Foto: Martina Schneibergová)

Etwa acht Kilometer östlich von Sušice / Schüttenhofen am Fuß des Böhmerwalds liegt die Gemeinde Žihobce / Schihobetz. Gleich mehrere Sehenswürdigkeiten sind in der kleinen Ortschaft zu besichtigen: ein Barockschloss, eine neoromanische Kirche, ein Theatergebäude, aber auch ein Finnisches Kulturzentrum. Denn die Böhmerwaldgemeinde hat bereits seit einigen Jahren enge Beziehungen zu dem nordeuropäischen Land. Am vergangenen Samstag gab es deswegen in Žihobce ein tschechisch-finnisches Fest zum 100. Geburtstag Finnlands stand.

Ari Seppälä und Helena Tuuri  (Foto: Martina Schneibergová)
Das Fest lag bereits den ganzen Tag in der Luft. Die Türen der beiden Dorfgalerien standen weit offen, draußen waren einige Bänke aufgestellt. Vor dem Barockschloss stand der Bürgermeister, dem sich allmählich weitere Personen anschlossen: sein Stellvertreter, einer der Gemeinderäte, die Museumsleiterin und der Pfarrer. Sie schauten entlang der Hauptstraße in alle Richtungen bis es plötzlich hieß: „Da kommen sie schon!“ Ein Auto mit finnischer Flagge blieb vor dem Gebäude stehen. Die finnische Botschafterin in Tschechien, Helena Tuuri, mit Begleitung stieg aus. Nach dem Händeschütteln ging es in den Saal des Schlosses. Auf dem Bildschirm wurden Aufnahmen aus Finnland gezeigt, den Tisch schmückten eine tschechische und eine finnische Flagge. Der Bürgermeister von Žihobce, Pavel Chalupka, erklärte einleitend:

„In Žihobce entstand vor einigen Jahren ein Finnisches Kulturzentrum. Dies war ein Verdienst des ehemaligen Bürgermeisters Baumruk und des Ehepaars Seppälä. In den vergangenen Jahren wurden im Kulturzentrum Werke finnischer Künstler sowie Materialien über die finnische Kultur, Natur und finnische Städte gezeigt. In diesem Jahr haben wir als Gemeinde die Kunstschulen in ganz Tschechien aufgefordert, an einem Zeichenwettbewerb mit dem Motto ,Finnland mit Kinderaugen‘ teilzunehmen. Insgesamt bekamen wir 724 Arbeiten aus 103 Kunstschulen. Die besten Werke sind im Finnischen Kulturzentrum ,Stella Polaris‘ zu sehen, weitere Zeichnungen werden im Schulgebäude gezeigt.“

Im Schlosspark pflanzte die Botschafterin gemeinsam mit Bürgermeister Chalupka einen Baum als Symbol des 100. Bestehens Finnlands  (Foto: Martina Schneibergová)
Botschafterin Helena Tuuri schaute sich das im Schloss untergebrachte Museum anund machte sich mit der Geschichte der Region bekannt. Sie freue sich darüber, dass die Finnen in Žihobce so aktiv seien, bemerkte die Diplomatin. Im Schlosspark pflanzte die Botschafterin gemeinsam mit Bürgermeister Chalupka einen Baum als Symbol des 100. Bestehens Finnlands.

Von der „Chalupa“ zum Finnischen Kulturzentrum

Mit dabei war auch der geistige Vater des Finnischen Kulturzentrums in Žihobce, Ari Seppälä. Ari versteht inzwischen auch Tschechisch, beim Gespräch bevorzugte er jedoch seine Muttersprache. 1990 besuchte er zum ersten Mal Prag, seitdem war er immer öfter in Tschechien. Was führte ihn aber in den Böhmerwald?

„Vor zwölf Jahren haben meine Frau und ich uns entschieden, ein Wochenendhaus in Tschechien zu kaufen, eine echte tschechische ‚Chalupa‘. Der Böhmerwald war dabei aber nur eine der Möglichkeiten.“

Foto: Martina Schneibergová
Im Böhmerwald hat es den Seppäläs gefallen. Bei der Suche nach einer „Chalupa“ im Internet stießen sie auf ein Haus in Žihobce, das aber in einem schlechten Zustand war. Sie haben es in Stand gesetzt und kommen nun regelmäßig in den Böhmerwald. Die Reise zu ihrer „chalupa“ im Böhmerwald dauert für Ari und seine Frau aus dem finnischen Espoo fünf bis sechs Stunden. Sie kommen natürlich nicht nur übers Wochenende nach Tschechien, sondern verbringen da mindestens eine Woche. Die Räumlichkeiten eines früheren Dorfladens verwandelte der Wahltscheche Ari Seppälä in das Finnische Kulturzentrum.

Galerie , Netopýr‘  (Foto: Martina Schneibergová)
„Ich komme fünf Mal im Jahr hierher. Auf die Idee, ein Kulturzentrum zu gründen, ist damals Jaroslav Froulík gekommen, der in der Gemeinde die Privatgalerie ,Netopýr‘ betreibt. Wie waren also die Gründer von ,Stella Polaris‘. Einmal im Jahr eröffne ich hier eine neue Ausstellung.“

Mit den Jahren hat Ari Seppälä viele Tschechen kennengelernt. Haben die Tschechen und die Finnen denn etwas gemeinsam?

„Eine gute Frage. Vermutlich die Liebe zum Bier, aber auch zur Kultur, der Natur und zum Eishockey. Finnland und Tschechien sind beides kleine Länder und haben einige Gemeinsamkeiten in der Geschichte.“

Symbol Finnlands im Schlosspark von Žihobce

Auch Botschafterin Helena Tuuri ist der Meinung, dass das tschechische und finnische Volk einiges gemeinsam haben:

Kinderzeichnungen zum Thema „Finnland mit Kinderaugen“  (Foto: Martina Schneibergová)
„Was die Geschichte anbelangt, sind die beiden Völker fast zum selben Zeitpunkt selbständig geworden. Der heute gepflanzte Baum symbolisiert die 100-jährige Geschichte des unabhängigen Finnland. Uns bedeuten Bäume und Wälder sehr viel. Als Finnland seinen 50. Geburtstag feierte, wurden aus diesem Anlass in ganz Finnland Bäume gepflanzt. Zum 100. Jahrestag werden aber nicht nur in Finnland, sondern auch im Ausland Bäume gepflanzt.“

Im Böhmerwald sei sie von der Natur verzaubert worden, sagte die Botschafterin. Zudem sei sie begeistert von den vielen kulturellen Aktivitäten, die es in der kleinen Gemeinde Žihobce gibt und die auf Initiative einiger Bürger entstanden sind, denen sich immer mehr Menschen anschließen.

Helena Tuuri eröffnete mit Ari Seppälä und Bürgermeister Pavel Chalupka die Ausstellung der besten Kinderzeichnungen zum Thema „Finnland mit Kinderaugen“. Ari Seppälä:

, Der Fotograf an der Küste‘  (Foto: Martina Schneibergová)
„Ich hoffe, dass die Zusammenarbeit in der Kultur dazu beiträgt, Finnland bekannter zu machen und gemeinsam mehr auf die Beine zu stellen. Ich hoffe zudem, dass es gelingt, in Finnland ein Pendant zu dieser Ausstellung unter dem Motto ,Tschechien mit finnischen Kinderaugen‘ anzuregen.“

Strände und Huskys im „Stella Polaris“

Die erfolgreichen jungen Künstlerinnen und Künstler bekamen Anerkennungen und Preise von der Botschafterin. Unter den Ausgezeichneten war auch die 15-jährige Tereza Červenková. Sie habe ursprünglich nicht daran gedacht, am Wettbewerb teilzunehmen, sagt sie.

„Wir haben uns das ganze Jahr lang mit dem Thema ,Reisen‘ beschäftigt. Mein Bild heißt ,Der Fotograf an der Küste‘. Meine Lehrerein schickte es ein zum Wettbewerb. Ich fotografiere und reise gern und in dem Bild habe ich beides zusammengebracht. So ein Erfolg ist immer eine angenehme Überraschung.“

, Huskys in Finnland‘  (Foto: Martina Schneibergová)
Die elfjährige Vendula Zdráhalová hat mit einem Husky-Porträt gepunktet. Sie besuche seit der ersten Klasse regelmäßig Kunstkurse, erzählte sie.

„Ich mag Hunde, darum dieser Husky, obwohl wir keinen zu Hause haben. Ich möchte Mal Finnland besuchen. Der Preis freut mich sehr, damit habe ich gar nicht gerechnet.“

Angenehm überrascht war bei der Besichtigung der Ausstellung auch Aleš Chalupský. Er ist Vorsitzender des Zentralrats der Kunstschulen in Tschechien.

„Es freut mich, dass Kunstschulen aus ganz Tschechien am Wettbewerb teilnahmen. Zudem freut mich das hohe Niveau der Arbeiten. Einige der Werke sind wirklich professionell. Dies zeugt davon, dass der Kunstunterricht an den Schulen gut organisiert und von einer hohen Qualität ist.“

Nach der tschechisch-finnischen Vernissage fand in der Kirche in Žihobce ein Konzert des tschechisch-deutschen Orchesters „Spojené smyčce“ (zu Deutsch etwa “Vereinigte Streicher“) unter der Leitung von František Řezáč statt.

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