Novelle zu Eigenversorgung mit Lebensmitteln sorgt für Streit
Die Coronavirus-Pandemie scheint hierzulande ausgestanden, ihre Folgen sind es noch nicht. Im Parlament aber ist nicht zu überhören, dass nun auch wieder andere Dinge besprochen werden. Ein echtes Streitthema ist hierbei der Entwurf zu einem Gesetz, nach dem der Anteil tschechischer Lebensmittel in den Läden hierzulande auf 85 Prozent steigen soll. Das soll bis 2027 geschehen.
Den Abänderungsvorschlag zum Gesetz über den obligatorischen Anteil von tschechischen Nahrungsmitteln in den Geschäften hat eine Gruppe von etwa 20 Parlamentariern mehrerer Parteien ins Abgeordnetenhaus eingebracht. Doch was sind tschechische Lebensmittel eigentlich konkret?
Auf diese Frage hat Tomáš Maier von der tschechischen Universität für Landwirtschaft am Mittwoch in den Inlandsendungen des Tschechischen Rundfunks geantwortet. An einem Beispiel erläutert er, wie schwierig die Antwort ist:
„Wenn man zum Beispiel eine Fleischkonserve nimmt, der vielleicht Gewürze aus Indien beigegeben wurden: Ist es dann noch ein tschechisches Lebensmittel oder nicht? Und zum anderen steht nicht fest, nach welchem Kriterium der Anteil der tschechischen Produkte bemessen werden soll – anhand des Marktes oder nach dem aktuellen Bestand in den Regalen? Handelt es sich dabei um schnell absetzbare oder um haltbare Lebensmittel? Allein anhand dieser Fragen wird klar, dass es de facto keine eindeutige Antwort darauf gibt.“In einem Nachsatz gibt Maier indes zu verstehen, um was es den Antragstellern mit ihrem Gesetzentwurf eigentlich geht;
„Nichtdestotrotz sind wir in Tschechien bei bestimmten Nahrungsmitteln vollständig eigenversorgt. Allerdings es gibt auch solche, bei denen dies nicht der Fall ist, doch das hat jeder Staat.“
Zu den letztgenannten Produkten gehören natürlich Lebensmittel, die sich in Tschechien aus geografischen und klimatischen Gründen nicht züchten lassen wie beispielsweise Meeresfisch und Meeresfrüchte oder Südfrüchte und Oliven. Allerdings gäbe es auch einen Artikel, bei dem die Nachfrage und die Eigenproduktion in keinem günstigen Verhältnis zueinander stünden, so Maier:
„Wo uns der Schuh am meisten drückt, ist das Schweinefleisch. Hier liegt unsere Selbstversorgung bei vielleicht 55 Prozent.“
Der Gesetzentwurf sieht zudem vor, dass der Anteil der tschechischen Lebensmittel hierzulande im hiesigen Handel schon im nächsten Jahr bei 55 Prozent liegen soll. Ist die tschechische Landwirtschaft aber überhaupt dazu in der Lage? Tomáš Maier:
„Ich denke, ganz bestimmt. Schon heute wäre eine Abdeckung des Marktes von 60 bis vielleicht 70 Prozent möglich. Auf der anderen Seite liegt es an den großen Handelsketten, was sie im Angebot haben. Dazu lässt sich nur schwer etwas sagen, weil sie die Regeln, nach denen sie einkaufen, nicht veröffentlichen. Darin sehe ich aber nicht das Problem, die Vorgabe ließe sich also erfüllen.“
Woran liegt es jedoch, dass der Gesetzentwurf derzeit so kontrovers diskutiert wird? Zu dieser Frage wird Maier deutlich:
„Ich halte die Gesetzesnovelle einfach für Unsinn. Denn es wird etwas angeordnet, das dann auch kontrolliert werden muss – und dies zudem noch nach nicht geklärten Prinzipien. Das Ganze legt dem Markt nur unnötige Fesseln an, und eine solche Regelung verstößt gegen den Geist der europäischen Integration und des europäischen Marktes.“
Mit dieser Meinung liegt Maier auf einer Wellenlänge mit der Wirtschaftskammer des Landes und dem Verband für Handel und Tourismus. Beide Institutionen kritisieren, dass ein solches Gesetz gegen europäisches Recht verstoße sowie zu einer Verteuerung von Lebensmitteln und einer Qualitätsminderung der Waren führe.Der Fraktionschef der Regierungspartei Ano, Jaroslav Faltýnek, will nun erreichen, dass die Obergrenze für den Anteil tschechischer Lebensmittel bei 65 Prozent liegen sollte. Dafür will er den Gesetzentwurf nochmals in die zweite Lesung schicken lassen. Welcher Vorschlag sich letztlich im Abgeordnetenhaus durchsetzt, wird sich zeigen. Eine Frage aber gilt es schon jetzt zu beantworten: Werden die Lebensmittel in Tschechien bei einem erhöhten Eigenanteil wirklich teurer? Tomáš Maier:
„Ich denke, es wird eher nicht der Fall sein. Wir bewegen uns auf einem gewissen Markt, der sich durch bestimmte Preise und Warenmengen selbst definiert. Das Schreckgespenst einer Teuerung sehe ich von daher nicht.“