Gesünder einkaufen: Der Nutri-Score ist in Tschechien bisher nur auf wenigen Lebensmitteln zu finden
Künftig soll es für die Kunden in tschechischen Läden und Supermärkten einfacher sein, gesunde Lebensmittel zu erkennen. Wie in Deutschland schon vor einem Jahr wird nun auch hierzulande der sogenannte Nutri-Score eingeführt.
„Ich achte auf alles – Eiweiße, Zucker, Fette. Also auf alle Nährwerte, die ein Produkt enthält.“
Radovan ist Kunde eines Supermarktes in der Prager Innenstadt. Er will sich gesund ernähren und ist darum ein aufmerksamer Einkäufer. Deshalb hat er auch schon den Nutri-Score für sich entdeckt:
„Am besten ist es, wenn ein Produkt bei A liegt. Danach richte ich mich. Wenn etwa C angezeigt wird oder es sogar schon in den roten Bereich hineinreicht, dann ist es voller schädlicher Stoffe. Das System ist gut.“
Vom grünen A bis zum roten E – die Ampel namens Nutri-Score wird auf der Vorderseite von Lebensmittelverpackungen platziert. Der Hersteller informiert auf diese Weise über den Nährstoffgehalt eines Produktes. In Tschechien geschieht dies bisher auf freiwilliger Basis. Darum ist der Aufdruck erst auf wenigen Lebensmitteln zu finden, wie beispielsweise Joghurt.
Die Einordnung geschieht durch die Aufrechnung gesunder und schädlicher Inhaltsstoffe. Die orange und die rote Kategorie D und E, mit denen zumeist Schokolade, Käse und Wurst gekennzeichnet werden, würden aber nicht bedeuten, dass das betreffende Produkt grundsätzlich gemieden werden müsse, sagt Petr Sucharda. Der Internist ist Mitglied der tschechischen Bariatrie-Gesellschaft, die sich mit der Heilung von Fettleibigkeit beschäftigt. Er erläuterte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Es ist nicht so, dass wir rot markierte Lebensmittel nicht essen können, weil sie uns unmittelbar schaden würden. Für den Großteil der Bevölkerung Tschechiens gilt aber: Wenn sie weniger von den roten und orangen Produkten konsumieren, als sie es bisher gewohnt sind, dann wird es ihnen zuträglich sein.“
Nach Angaben der Bariatrie-Gesellschaft hat etwa die Hälfte der tschechischen Bevölkerung Probleme mit Übergewicht. Die Organisation ist eines der Mitglieder der Ende Oktober gegründeten Plattform Pro Nutri-Score. Dies ist der tschechische Ableger einer EU-weiten Bürgerinitiative, die sich für eine verpflichtende Einführung der Kennzeichnung einsetzt. Unter den bisher 13 hiesigen Mitwirkenden finden sich etwa die Medizinische Fakultät der Universität Ostrava, große Lebensmittelfirmen und kleinere Händler.
Die Europäische Kommission will bis Ende kommenden Jahres ein einheitliches Kennzeichnungssystem zu den Nährwerten von Lebensmitteln beschließen. Der Nutri-Score ist dabei eine der vorgeschlagenen Varianten. Vorbehalte gegen eine verpflichtende europaweite Einführung hat allerdings das tschechische Landwirtschaftsministerium. Und kritisch positioniert sich ebenfalls die hiesige Kammer der Lebensmittelhersteller. Sprecherin Helena Kavanová:
„Das System berücksichtigt nicht die Größe der Portion und entspricht auch nicht den Ernährungsempfehlungen. Zudem bevorteilt es eher industriell hergestellte Lebensmittel und benachteiligt Produkte, die aus einer einzigen Zutat bestehen.“
Dadurch käme es zu dem paradoxen Fall, so Kavanová weiter, dass Energydrinks oder Cola in den grünen Bereich fielen. So entstehe der Eindruck, dass sie gesund seien.
„Ähnlich verhält es sich mit Pommes oder Klößen, die in der gesündesten Kategorie A geführt werden. Im Gegensatz dazu wird Olivenöl in die Kategorie D eingeordnet.“
Tomáš Prouza hingegen verteidigt den Nutri-Score als übersichtlich. Der Vorsitzende des tschechischen Verbandes für Handel und Fremdenverkehr ist einer der Mitinitiatoren der neuen Plattform:
„Einige Länder wünschen sich einen etwas analytischeren Zugang zu dieser Kennzeichnung. Dem Kunden dient der Nutri-Score aber als einfache Orientierung, die sofort ins Auge fällt. So kann er sich innerhalb weniger Sekunden vor dem Regal entscheiden, welches Produkt er kaufen soll.“
Der Nutri-Score wird verbreitet bereits in Frankreich, Belgien oder auch Deutschland verwendet. Wenn die Europäische Kommission ihren Beschluss wie geplant bis Ende 2022 fasst, wird eine Nährwertkennzeichnung in allen EU-Ländern zur Pflicht.