Nur zwei Kinder überlebten: Die Vernichtung von Ležáky vor 80 Jahren

Vernichtung von Ležáky

Die Nationalsozialisten haben 1942 in Böhmen nicht nur die Gemeinde Lidice vernichtet, sondern auch den Weiler Ležáky. In beiden Fällen rächten sie sich damit für das Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich. Dies hatten tschechoslowakische Fallschirmspringer verübt. Am Freitag ist es 80 Jahre her, dass SS und Sicherheitspolizei Ležáky überfielen.

Vernichtung von Ležáky | Foto:  Nationalmuseum in Prag,  eSbírky,  CC BY-NC-ND 4.0 DEED

Am frühen Nachmittag des 24. Juni 1942 umzingelten SS und Sicherheitspolizei den Weiler Ležáky. Sie trieben die Bewohner des Ortes im nahen Steinbruch zusammen. 16 Männer, 17 Frauen und 14 Kinder wurden daraufhin ins Gestapo-Quartier nach Pardubice gebracht. Ohne Gericht oder Verurteilung erschoss man dort noch am gleichen Tag alle Männer und Frauen. Die Kinder, die in den Augen der Nazis nicht zur Germanisierung taugten, wurden in ein KZ verschleppt. Die Häuser des Dorfes wurden noch am gleichen Tag angezündet und später abgerissen. Nichts erinnerte mehr daran, dass an jener Stelle ein kleines Dorf stand.

Die Vernichtung von Ležáky wie zuvor auch des mittelböhmischen Dorfes Lidice war ein Racheakt. Und zwar für den Tod des stellvertretenden Reichsprotektors Reinhard Heydrich nach einem Attentat durch Widerstandskämpfer. Allerdings hatten die Deutschen den Weiler nicht zufällig ausgesucht. Der Militärhistoriker Jindřich Marek:

Jindřich Marek | Foto: Šárka Ševčíková,  Tschechischer Rundfunk

„Im Steinbruch Hluboká bei Ležáky hatte die Widerstandsgruppe Silver A einen Sender stationiert, und zwar unter dem Decknamen Libuše. Das heißt, die Nazis rächten sich für die konkrete Kooperation einiger Bewohner des Ortes mit dem Widerstand und den tschechoslowakischen Fallschirmjägern aus Großbritannien.“

Über den Sender stand die Gruppe Silver A in Kontakt mit der tschechoslowakischen Exilregierung in London.

Überlebende Schwestern von Ležáky | Quelle: Post Bellum

Ležáky wurde nach Kriegsende nicht wieder aufgebaut – denn es gab niemanden mehr, der in den neuen Häusern hätte wohnen können. Nur zwei kleine Mädchen kehrten 1945 zurück. Die beiden Schwestern waren die einzigen Kinder aus dem Ort gewesen, die von deutschen Familien zur Germanisierung adoptiert worden waren. Die anderen zwölf Kinder aus Ležáky traf wahrscheinlich das gleiche Schicksal wie die Kinder aus Lidice: Sie wurden in einem KZ vergast.

Jarmila Doležalová ist eine der beiden erwähnten Schwestern. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte sie:

„Ich bin die letzte Überlebende, kann mich aber an nichts mehr erinnern. Denn damals war ich keine drei Jahre alt. Ich habe weder Erinnerungen an meine Eltern, noch an meine Großeltern und auch nicht daran, wie sie uns verschleppt haben.“

Foto: Hana Marhanová,  Tschechischer Rundfunk

Ihre Geschichte hat sie dennoch aufgearbeitet. Und zwar mit Hilfe ihrer Tochter, die ebenfalls Jarmila Doležalová heißt. Diese veröffentlichte dazu ein Buch.

„Meine Mutter wurde im Alter von zwei Jahren und sieben Monaten weggebracht, ihre jüngere Schwester war ein Jahr alt. Im Kinderheim in Puschkau (Ort in Niederschlesien, polnisch Pastuchów, Anmerkung d. Red.), in dem auch Kinder aus Lidice untergebracht waren, wurden sie voneinander getrennt. Denn zwei unterschiedliche Familien nahmen sie auf. Meine Mutter und meine Tante verloren in der Folge die Vorstellung davon, eine Schwester zu haben“, so die Tochter.

Bei der deutschen Familie erhielt Jarmila einen anderen Namen. Nach dem Krieg meldeten die deutschen Adoptiveltern von selbst bei den Behörden, dass sie ein tschechisches Mädchen bei sich haben. So kamen beide Schwestern wieder in der nun befreiten Heimat zusammen – und wunderten sich über die Existenz der jeweils anderen. Sie wurden dann von ihrem Großvater großgezogen. Tochter Jarmila Doležalová:

Jarmila Doležalová | Foto: Tomáš Kubelka,  Tschechischer Rundfunk

„Was mit meiner Mutter zwischen dem Tag ihrer Geburt und ihrem sechsten Lebensjahr geschehen ist, mussten wir mithilfe von Quellen und Aussagen weiterer Zeitzeugen rekonstruieren – weil sie selbst sich an das meiste nicht erinnern kann. Als ich für das Buch recherchierte, konnte ich noch viele Zeitzeugen treffen. Und die haben mir erzählt, was sich damals zugetragen hat.“

Am Freitag nimmt Zeitzeugin Jarmila Doležalová an der Gedenkfeier teil, mit der der Vernichtung von Ležáky vor 80 Jahren gedacht wird.

Gedenkstätte Ležáky | Foto: Josef Kopecký,  Tschechischer Rundfunk
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Autoren: Till Janzer , Katrin Bock , Dagmar Kubíková
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