Obdachlosen wird im Winter drei Viertel der jährlichen Hilfe angeboten

Foto: Europäische Kommission

Stets vor und nach Weihnachten und Neujahr rücken auch in Tschechien die Armen und Bedürftigen der Gesellschaft des Öfteren in den Fokus der Öffentlichkeit, da sich niemand gerne nachsagen lässt, über die Feiertage seinen Nächsten zu vernachlässigen oder gar auszugrenzen. Doch wie sieht es danach und ganz speziell in den Wintermonaten mit der Hilfe für Obdachlose und Pflegebedürftige aus. Lothar Martin ist dieser Frage nachgegangen.

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Die Organisationen und Institutionen, die in Tschechien Obdachlosen ihre Hilfe anbieten, haben einen ständigen Zuwachs zu verzeichnen. Jährlich erhöht sich die Anzahl ihrer Klientel um zehn bis 20 Prozent. Um 15 bis 40 Prozent erhöhen sich daher auch die von ihnen gewährten Hilfsleistungen. Das geht aus einer Analyse hervor, die gemeinsam von den humanitären Organisationen Nadeje (dt. Hoffnung), der Heilsarmee, dem Charitasverband der Erzdiözese und dem Prager Zentrum für soziale Dienste und Präventionen erstellt wurde.

Bis zu drei Viertel der für sozial extrem ausgegrenzte Menschen bestimmten Hilfsleistungen gewähren diese Organisationen dabei in der kalten Jahreszeit in den Monaten November bis März. Kein Wunder, denn im Winter sind gerade die Obdachlosen einer erhöhten physischen und psychischen Belastung ausgesetzt. Daher versuchen die genannten Organisationen, für diese zumeist völlig mittellosen Menschen Übernachtungsquartiere einzurichten und sie täglich mit zumindest einer warmen Mahlzeit zu versorgen. Während die von der Heilsarmee in Brno/Brünn angebotenen Kapazitäten mit 85 Prozent zwar gut, aber nicht vollkommen ausgelastet sind, ist der Magistrat der Hauptstadt Prag ständig auf der Suche nach neuen Unterbringungsmöglichkeiten. Der Einschätzung des Gründers der Hilfsorganisation Nadeje, Ilja Hradecký, zufolge, leben in der Tschechischen Republik derzeit an die 35.000 Obdachlose.

Ein wieder etwas anderes Kapitel stellt hierzulande die Betreuung von Pflegebedürftigen und psychisch kranken Menschen dar. Über einige der hierbei immer noch angewandten Hilfsmethoden ist gerade in diesen Tagen ein Streit entbrannt. Konkret geht es um die Nutzung der so genannten Gitterbetten in psychiatrischen Einrichtungen. Diese sollten laut Aussage von Jan Stuchlík, einem Arzt des zur Pflege von geistig Erkrankten in Mladá Boleslav eingerichteten Gesundheitszentrums Fokus, schnellstmöglich abgeschafft werden, da sie nicht mehr zeitgemäß seien:

"Ich bin der Meinung, dass der darüber existierende Bericht zureffend ist, diese Gitterbeten nicht mehr zu benutzen. Heutzutage werden diese Betten ja nur noch in den Ländern der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie eingesetzt."

Bei seiner Stellungnahme berief sich Jan Stuchlík auf einen Bericht des internationalen Zentrums der Anwaltschaft für geistig Erkrankte, in dem den tschechischen Anstalten für soziale Pflege und psychiatrische Behandlung auch wegen eben dieser Gitterbetten der Vorwurf der Nichteinhaltung der Menschenrechte gemacht wurde. Eine Einschätzung, mit der das hiesige Ministerium für Arbeit und Soziales nicht so vorbehaltlos einverstanden ist. Die Nutzung der Gitterbetten sollte vielmehr durch ein in Vorbereitung befindliches Gesetz geregelt werden, das die Prager Regierung im März behandeln will. Dazu erklärte der Chef der Abteilung soziale Dienste beim Arbeits- und Sozialministerium, Martin Zárský:

"In einigen Fällen haben die Betten durchaus ihre Berechtigung. Wichtig ist jedoch zu überprüfen, in welchen Fällen sie überflüssigerweise die Bewegungsfreiheit des Patienten einschränken. Es gilt also eindeutig festzulegen, wann dieses Mittel anzuwenden ist und wann nicht."

Das gerade begonnene Jahr 2004 wird hoffentlich auch darüber eine Entscheidung fällen.